Übertragung »zunehmend wahrscheinlicher« |
Annette Rößler |
04.07.2025 11:30 Uhr |
Die im Abwasser nachgewiesenen Polioviren stammen aus der Schluckimpfung gegen Kinderlähmung. Sie haben durch Rückmutation ihre Ansteckungsfähigkeit wiedererlangt. / © Getty Images/Calvin Chan Wai Meng
Im aktuellen »Epidemiologischen Bulletin« (27/2025) gibt das RKI ein Update zu den Nachweisen von Polioviren in Abwasserproben. Entsprechende Meldungen hat das Institut seit Ende vergangenen Jahres immer wieder aus mehreren deutschen Großstädten erhalten, darunter Dresden, Mainz, München und Stuttgart. Auch aus anderen Ländern Europas, nämlich Spanien, Polen, Finnland und dem Vereinigten Königreich, wurden Funde von Polioviren im Abwasser berichtet, die laut Gensequenzierungen zum selben Cluster gehören.
Nach wie vor handelt es sich bei den gefundenen Viren um impfstoffabgeleitete Viren (VDPV), die auf die Schluckimpfung gegen Kinderlähmung zurückgehen, genauer gesagt um zirkulierende VDPV vom Typ 2 (cVDPV2). Laut RKI können sich Menschen mit keinem oder unvollständigem Impfschutz gegen Polio mit cVDPV2 infizieren und in seltenen Fällen an Kinderlähmung erkranken. Wie zuvor bereits die Ständige Impfkommission (STIKO) weist daher auch das RKI darauf hin, dass eine Überprüfung und gegebenenfalls Vervollständigung des Impfschutzes dringend anzuraten sind.
Dies ist umso wichtiger als das RKI mittlerweile davon ausgeht, dass es schon vereinzelte Ansteckungen von Mensch zu Mensch in Deutschland gegeben hat: »In Anbetracht der langen Dauer des Geschehens und der Nachweise von cVDPV2 an verschiedenen Standorten erscheint es jedoch zunehmend wahrscheinlicher, dass zumindest lokal begrenzt eine Übertragung von cVDPV2 zwischen Menschen stattfindet.« Direkt nachgewiesen wurde eine Übertragung innerhalb Deutschlands allerdings noch nicht; auch gab es noch keine Meldungen über klinische Fälle von Poliomyelitis.
In Deutschland wird die Schluckimpfung gegen Polio seit 1998 nicht mehr verwendet. Stattdessen wird intramuskulär mit einem inaktivierten Polioimpfstoff (IPV) geimpft. In Asien und Afrika ist die Schluckimpfung gegen Polio jedoch noch weit verbreitet. Nach Erhalt der Schluckimpfung können Geimpfte bis zu sechs Wochen lang Impfviren ausscheiden.