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Tumortherapie
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Übelkeit und Erbrechen verhindern

Bei der Versorgung von Tumorpatienten spielt die Beratung zu Übelkeit und Erbrechen als häufig auftretende Komplikationen der Krebstherapie eine wichtige Rolle. Die gefürchtete Nebenwirkung kann mit modernen Antiemetika in den meisten Fällen verhindert werden.
AutorKontaktCarolin Kühnast
Datum 23.04.2025  07:00 Uhr

Übelkeit und Erbrechen sind sehr häufige Nebenwirkungen der Krebstherapie: Übelkeit tritt in 40 bis 50 Prozent der Fälle auf und Erbrechen in 20 bis 30 Prozent der Fälle. Das Risiko ist stark abhängig vom eingesetzten Wirkstoff, der Darreichungsform und dem Behandlungsplan. Zusätzlich spielen patientenindividuelle Faktoren wie Alter und Geschlecht eine Rolle. Junge Frauen gehören zur Risikogruppe, genau wie Patienten mit einem schlechten Allgemeinzustand, einer ängstlichen Persönlichkeit oder anderen Formen von Übelkeit und Erbrechen in der Anamnese.

Bei der Tumortherapie-induzierten Übelkeit/Erbrechen unterscheidet man eine akute von einer verzögerten Symptomatik, die entweder innerhalb des ersten Tages oder zwischen dem ersten und dem fünften Tag nach der Behandlung auftritt (»Deutsches Ärzteblatt« 2022, DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0093). Während das akute Erbrechen hauptsächlich durch die Freisetzung von Serotonin aus den Darmzellen ausgelöst wird, ist beim verzögerten Erbrechen vor allem die Bindung von Substanz P an Neurokinin-1-Rezeptoren in der Area postrema im Brechzentrum ursächlich. Ergänzend wird die antizipatorische Symptomatik definiert, die infolge einer negativen Konditionierung zu typischen Beschwerden führt.

Tumormedikamente werden entsprechend ihres emetischen Nebenwirkungspotenzials in Gruppen kategorisiert. Die parenteralen Tumortherapien teilt man in hoch, moderat, gering und minimal emetogen ein. Wirkstoffe mit hohem emetogenen Potenzial verursachen bei mehr als 90 Prozent der Behandelten Übelkeit/Erbrechen, moderat emetogene Wirkstoffe bei 30 bis 90 Prozent, gering emetogene bei 10 bis 30 Prozent und minimal emetogene bei weniger als 10 Prozent. Die oralen Tumortherapeutika werden in hoch/moderat und gering/minimal emetogen eingeteilt. Ebenfalls ist die Ganzkörperbestrahlung als hoch emetogen einzustufen.

Klagen Tumorpatienten im Beratungsgespräch über Übelkeit und Erbrechen, sollte immer ein zeitlicher Zusammenhang mit der letzten Therapiesitzung hergestellt werden. Ist keine Relation erkennbar oder sind die Symptome heftiger als in vorherigen Behandlungszyklen, sollten mögliche Differenzialdiagnosen hinterfragt werden. Diese sind zahlreich und reichen von gastrointestinalen, zentralen oder hormonellen Ursachen über Stoffwechselstörungen bis hin zu möglichen Intoxikationen.

Auswahl der Antiemese

Durch eine standardisierte Prophylaxe können heutzutage selbst Patienten mit einer hoch emetogenen Tumortherapie zu 70 bis 90 Prozent von Übelkeit und Erbrechen verschont bleiben. Die Auswahl erfolgt abhängig vom Wirkstoff mit dem größten emetogenen Potenzial. Eine Herausforderung stellt die Antiemese bei oralen Mehrtagestumortherapien dar, da sich akute und verzögerte Symptomatiken häufig überschneiden. Treten trotz Prophylaxe Symptome auf, wird eine ergänzende Antiemese eingeleitet, die als Rescue-Therapie bezeichnet wird. Im darauffolgenden Behandlungszyklus wird die Prophylaxe dann individuell angepasst.

Zu den verwendeten Antiemetika gehören laut internationalen Leitlinien Serotoninantagonisten (5-HT3-RA) wie Ondansetron, Palonosetron und Granisetron, die durch Blockade von 5-HT3-Rezeptoren in Darm und Gehirn die Signalweiterleitung des Brechreflexes unterdrücken. Häufig können Nebenwirkungen wie Verstopfung und Kopfschmerzen auftreten. Palonosetron besitzt von diesen Wirkstoffen die längste Halbwertszeit.

NK1-Rezeptor-Antagonisten (NK1-RA) blockieren durch Bindung an den Neurokinin-1-Rezeptor im Gehirn die Wirkung von Substanz P und unterdrücken so den verzögerten Brechreiz. Zu den häufigen Nebenwirkungen gehören Fatigue, Schluckauf und Aufstoßen. Bei gleichzeitiger Gabe mit anderen Medikamenten sind zusätzlich CYP3A4-vermittelte potenzielle Wechselwirkungen zu beachten. Zugelassen sind die Wirkstoffe Aprepitant, Fosaprepitant, Netupitant und Fosnetupitant, wobei Letzteres auch als Fixkombination mit Palonosetron im Handel ist.

Dexamethason wird als Glucocorticoid zur Prophylaxe von Übelkeit und Erbrechen eingesetzt und kann Nebenwirkungen wie Schlafprobleme, Verdauungsbeschwerden, Unruhe und Gewichtszunahme haben. Der genaue Wirkmechanismus ist nicht geklärt; wahrscheinlich spielen modulierende und antiphlogistische Eigenschaften eine Rolle.

Das atypische Neuroleptikum Olanzapin hat in den vergangenen Jahren deutlich an Relevanz gewonnen. Es blockiert neben Dopamin-D2-Rezeptoren weitere Signalwege, die in ihrer Gesamtheit die antiemetische Wirkung auslösen. Es wird nicht nur als Rescue-Medikament eingesetzt, sondern ist mittlerweile ein wichtiger Bestandteil der antiemetischen Prophylaxe. Häufige Nebenwirkungen sind Müdigkeit und eine QT-Zeit-Verlängerung.

Deutlich seltener werden andere Dopaminantagonisten wie Haloperidol oder Levomepromazin eingesetzt. Metoclopramid hat deutlich an Bedeutung verloren und wird aufgrund von potenziell schwerwiegenden Nebenwirkungen nur noch als Rescue-Medikament bei geringem emetischen Risiko mit stark beschränkter Höchstmenge eingesetzt. Zu den Reserveantiemetika gehören Benzodiazepine wie Lorazepam und Alprazolam, das H1-Antihistaminikum Dimenhydrinat und Cannabinoide.

Antiemese bei hoch emetogenen Tumortherapien

Zu den parenteralen Wirkstoffen mit hoch emetogenem Potenzial gehören nach den Angaben der aktuellen Onkopedia-Leitlinie »Antiemese bei medikamentöser Tumortherapie« unter anderem Cisplatin, Carmustin, Dacarbazin, Mechlorethamin, Melphalan, Streptozotocin und die Kombination aus Anthrazyklin/Cyclophosphamid. Patienten, die mit diesen Wirkstoffen behandelt werden, sollten zur Prophylaxe von akuter Übelkeit/Erbrechen einen NK1-RA, einen 5-HT3-RA, Dexamethason und Olanzapin als optionale Ergänzung erhalten. Bei einer verzögerten Symptomatik wird auf die Gabe eines 5-HT3-RA verzichtet.

Bei einer oralen Tumortherapie mit hohem/moderatem Risiko wird ein 5-HT3-RA an den Tagen 1 bis 7 mit Dexamethason an den Tagen 1 bis 3 kombiniert. Anschließend wird die Antiemese abgesetzt und bei Bedarf als Rescue-Therapie erneut gestartet. Wirkstoffe dieser Kategorie sind unter anderem Bosutinib, Ceritinib, Imatinib, Lomustin, Cyclophosphamid und Procarbazin, wobei die Prophylaxe bei Letzterem aufgrund des starken emetogenen Risikos mit einem NK1-RA ergänzt wird.

Bei einer hoch emetogenen Ganzkörperbestrahlung wird ein 5-HT3-RA mit Dexamethason vor der Bestrahlung und einen Tag danach empfohlen.

Je geringer das emetogene Potenzial einer Tumortherapie, desto mehr Abstufungen gibt es in der Kombination von Wirkstoffen und desto wahrscheinlicher ist der Einsatz von Monosubstanzen. Bei geringem Risiko wird in der Regel auf die Prophylaxe verzichtet und bei Bedarf eine Rescue-Medikation eingeleitet.

Sonderfall antizipatorisches Erbrechen

Bei einer erhöhten Neigung zu Übelkeit und Erbrechen, beispielsweise ausgelöst durch Ängste, sollte von Beginn an eine Prophylaxe unter Aufklärung des Patienten eingeleitet werden. Auch Verhaltenstherapie und progressive Muskelrelaxation sind bei antizipatorischem Erbrechen empfehlenswert. Eine weitere Option sind Benzodiazepine, da sie neben einer antiemetischen Wirkung auch anxiolytische Eigenschaften besitzen.

Eine ergänzende Behandlungsoption stellen Akupunktur oder Akupressur am Perikard-Punkt P6 auf der Innenseite des Handgelenks dar. Laut Studien gibt es einen geringen Effekt auf die akute Übelkeit, ein Erbrechen kann aber nicht verhindert werden. Zum Einsatz von Ingwer existieren widersprüchliche Empfehlungen, wobei eine Therapie mit einer Tagesdosis von 1 g Ingwerwurzelstock optional ergänzt werden kann.

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