| Sven Siebenand |
| 11.03.2024 10:30 Uhr |
Eine Giftschlange injiziert bei einem Biss nicht automatisch Gift. In etwa der Hälfte der Fälle tut sie es nicht. Wenn sich aber innerhalb einer halben Stunde nach dem Biss eine massive Schwellung um die Bissstelle bildet, ist das ein Anzeichen dafür, dass die Schlange Gift abgegeben hat. / Foto: Imago Images/blickwinkel
Die Herstellung von Schlangengift-Antiveninen ist sehr aufwendig. Über Monate hinweg müssen große Säugetiere, oft Pferde, mit steigenden Dosen des Schlangengifts immunisiert werden. In ihrem Blutserum finden sich dann große Mengen von Antikörpern, die das Gift neutralisieren können. Die für den medizinischen Gebrauch aufgereinigten Antikörperpräparate werden deshalb auch als Antiseren bezeichnet.
Bei einer Pressekonferenz des Centrums für Reisemedizin informierte Professor Dr. Dietrich Mebs aus Frankfurt am Main, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Vergiftungen durch Schlangenbisse bereits im Jahr 2017 zur vernachlässigten Erkrankung (neglected disease) erklärt hat. Er glaubt in Anbetracht der derzeitigen Situation rund um den Mangel an Schlangengift-Antiseren nicht daran, dass die WHO ihr Ziel, bis 2030 die Zahl der tödlichen Schlangenbisse zu halbieren, erreichen kann.
Mebs betonte, dass die Situation in Sachen Schlangengift-Antiseren in afrikanischen Ländern südlich der Sahara – abgesehen von Südafrika – mittlerweile dramatisch ist. Er verwies jedoch darauf, dass das Problem bei Weitem nicht nur Afrika betreffe. Beispielsweise in Südostasien täten sich ebenso schon Probleme auf.
Der Toxikologe beschrieb, dass und wie sich der weltweite Markt für Schlangengift-Antiseren seit Jahren in einer Abwärtsspirale befindet: »Mit den Antiseren ist nicht viel Geld zu verdienen.« So habe schon vor mehr als zehn Jahren das Pharmaunternehmen Sanofi-Pasteur die Herstellung seines sehr effizienten Antiserums Fav-Afrique, das gegen alle wichtigen Schlangengifte Subsahara-Afrikas gerichtet war, eingestellt.
Zwar würden in Südafrika wirksame, für den afrikanischen Markt geeignete Antiseren hergestellt, diese seien für viele afrikanische Länder aber zu teuer. Stattdessen hätten billige, aber leider auch weitgehend unwirksame Produkte aus China und Indien den Markt dort erobert.
»Das Gift einer Kobra aus Afrika ist mit dem einer Kobra aus Indien oder China aber nicht vergleichbar«, betonte der Toxikologe. Die für Afrika ungeeigneten Produkte aus Asien würden ferner dazu beitragen, dass das Vertrauen der afrikanischen Bevölkerung in Antiseren allgemein abnehme.
Aus Sicht des Experten ist es zwar gut, dass die WHO Gelder in Millionenhöhe zur Verfügung gestellt hat. Diese würden aber zunächst in die Forschung fließen. Eine kurzfristige Entspannung der Situation in Subsahara-Afrika könne man dagegen erreichen, indem man auf die in Südafrika produzierten Antiseren zurückgreift. In dieser Hinsicht bestehen laut Mebs derzeit allerdings leider keinerlei Aktivitäten.