Totenscheine haben Tücken |
Jennifer Evans |
28.08.2025 16:20 Uhr |
Totenscheine bewegen sich zwischen medizinischer Diagnostik und juristischer Relevanz. Rechtsmediziner mahnen zur Sorgfalt. / © Adobe Stock/Photographee.eu
Einen Totenschein auszustellen, wirkt auf den ersten Blick unkompliziert – doch in der Praxis steckt deutlich mehr dahinter. Professor Dr. Matthias Graw vom Institut für Rechtsmedizin der LMU München hat vor Kurzem bei seinem Vortrag im Rahmen der fachmedizinischen MMW-Webinarreihe berichtet, welche Stolpersteine bei Leichenschau und Todesart lauern.
Grundsätzlich ist es bei der Leichenschau Aufgabe des Arztes oder der Ärztin, neben der Identität des Verstorbenen auch Todeszeitpunkt, Todesursache und Todesart festzustellen. Wichtig ist laut Graw, zunächst zwischen klinischem Tod und Individualtod zu unterscheiden. Während es eindeutige Belege für den Individualtod gibt, wie etwa Totenstarre, Leichenflecke, Fäulnis, schwere Körperverletzungen oder Hirntod, stellt der klinische Tod eine größere diagnostische Herausforderung dar. Todeszeichen wie Herz- und Atemstillstand, Areflexie und Auskühlung gelten als wenig zuverlässig.
Ein weiterer Fallstrick für die Todesbescheinigung ist die Todesart, also ob das Ableben natürlich, nicht natürlich oder ungeklärt eingetreten ist. Während ein natürlicher Tod keine rechtliche Relevanz hat, aber eine genaue Diagnose der Todesursache voraussetzt, ist die Lage bei unnatürlichen Todesfällen eine andere. Für diese Einstufung reichen lediglich Anhaltspunkte, bereits ein begründeter Verdacht genügt.
In dem Fall besteht für den Arzt oder die Ärztin nämlich nach § 159 Strafprozessordnung (StPO) Anzeigepflicht. Die Frage eines Fremdverschuldens sei für die Einstufung eines unnatürlichen Todes jedoch irrelevant, betonte Graw. Alles Weitere sei dann Sache der Polizei oder anderer Behörden. Sie entscheiden, ob auf das Ermittlungsverfahren auch eine Obduktion folgt. Womöglich kommt es sogar zu einem Strafprozess.
Wird ein Tod als ungeklärt klassifiziert, müssen ebenfalls Ermittlungen klären, ob es sich um einen natürlichen oder unnatürlichen Todesfall handelt. Per Definition fallen unter »unklar« laut ärztlicher Leitlinien Fälle, bei denen die eindeutige Todesursache fehlt oder bei denen medizinische Eingriffe einem Grundleiden gegenüberstehen – wie es oft in Krankenhäusern der Fall ist.
Das Problem: Es existiere »keine stringente diagnostische Einordnung in natürlich versus nicht natürlichen Tod«, so Graw. Allgemein gelte zwar als nicht natürlicher Todesfall, wenn ein von außen einwirkendes Ereignis eingetreten sei. Zum Beispiel ein Halsschnitt mit Verbluten. Oder wenn ein natürliches inneres Geschehen von außen ausgelöst oder beeinflusst wurde wie etwa ein Bauchstich mit Peritonitis. In der Realität könne die Abgrenzung aber zuweilen durchaus schwerer ausfallen.