Toleranz-Induktion mit Nanopartikeln |
Theo Dingermann |
02.01.2020 17:00 Uhr |
Strikter Verzicht auf jegliches Gluten: Das gilt bislang für Zöliakie-Patienten. Doch es gibt bereits Ansätze, eine Toleranz gegen Gluten zu induzieren. / Foto: iStock/MarsBars
Die Studie wurden am 22. Oktober im Rahmen der United European Gastroenterology Week Konferenz 2019 (UEG Week) in Barcelona als »Late-breaking-Präsentation« vorgestellt.
Die von Miller und Kollegen entwickelten, biodegradierbaren Nanopartikel enthalten eine funktionalisierte Oberfläche. Durch diese werden die Partikel möglichst effektiv von Makrophagen erkannt und aufgenommen. Im Kern der Nanopartikel befindet sich ein krankheitsspezifisches Antigen. Im Fall der Testsubstanz CNP-101 ist dies Gliadin, eine der Hauptkomponenten des Glutengemischss. Die Hypothese des Interventionsansatzes beruht darauf, dass die Nanopartikel dem Immunsystem über antigenpräsentierende Zellen (APC) in Milz und Leber ein potenzielles Allergen als »selbst« zeigen. Die APC interagieren dann mit allergenspezifischen T-Zellen, die als Folge dieser Interaktion entweder in die Apoptose geschickt (Deletion), inaktiviert (Anergie) oder zu T-regulatorischen Zellen umprogrammiert werden.
Zunächst wurden 34 Patienten mit histologisch gesicherter Zöliakie randomisiert. Sechs Patienten brachen die Behandlung aufgrund glutenbedingter Symptome ab. 28 Patienten beendeten die Studie gemäß Studienprotokoll, die mit einer 14-tägigen Provokation mit Gluten abgeschlossen wurde.
An den Behandlungstagen 1 und 8 erhielten die Patienten 8 mg/ml Nanopartikelpräparation (CNP-101) oder Placebo intravenös infundiert. Ab Tag 15 erfolgte eine dreitägige Provokation mit 12 g Gluten pro Tag, gefolgt von 6 g täglich für elf Tage. Nach der 14-tägigen Provokationphase wurde eine weitere Gewebeprobe histologisch analysiert.
Zur Beurteilung des primären Endpunkts wurde die systemische Aktivierung glutenspezifischer T-Zellen bestimmt. Dazu wird das von den T-Zellen sezernierte Interferon (IFN)-γ als IFN-γ-Spot Forming Units (SFU) quantifiziert. Diese gliadinspezifischen enzymgekoppelten Immunospot (ELISpot)-Assays wurden am Tag 1 der Studie, zu Beginn der Provokationsphase und am Tag 6 nach Beginn der Provokationsphase mit Gluten durchgeführt.
Der primäre Endpunkt wurde am Tag 6 der Provokationsphase mit einer mittleren Abweichung vom Ausgangswert der IFN-γ ELISpot-SFU von 2,10 und 17,57 mit CNP-101 beziehungsweise Placebo (P = 0,0056) erreicht. Tendenziell zeichnete sich zudem ein Schutz vor Schleimhautläsionen des Dünndarms ab; der Wert der Verschlechterung mit CNP-101 betrug 0,18 Punkte gegenüber 0,63 Punkten mit Placebo (P = 0,079).
Die häufigsten Nebenwirkungen von CNP-101 waren Übelkeit, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Rückenschmerzen. Bei keinem Patienten ergaben sich klinisch signifikante Veränderungen der Vitaldaten, der Zytokin- / Chemokin-Konzentration im Serum, der gliadinspezifischen T-Zellproliferation oder der Zytokinsekretion.
Der Ausgang der Studie war so überzeugend, dass das japanische Unternehmen Takeda die Technologie bis zur Zulassung weiterentwickeln will. Im Gegenzug erhält die Firma Cour Zahlungen von bis zu 420 Millionen US-Dollar (376 Millionen Euro) sowie Lizenzgebühren aus dem Verkauf von vermarkteten Produkten, die aus der Lizenz resultieren.
Sollte die Entwicklung erfolgreich verlaufen, wäre das für Zöliakie-Patienten eine Sensation. Neuere Studien zeigen für die USA eine Prävalenz der Zöliakie von etwa 1 Prozent. Weltweit geht man von einer mittleren Prävalenz von rund 0,5 Prozent aus. Der Grenzwert des täglich verzehrten Glutens, der bei Erwachsenen und Kindern zu Schleimhautläsionen führt, liegt bei 10 bis 50 mg pro Tag – etwa dem Hundertstel einer Scheibe Brot.