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Körper-Tabus

Töne, Düfte und andere Peinlichkeiten

Als Ärztin ist Dr. Yael Adler nichts Menschliches fremd. Sie bedauert aber, dass viele mit ihrem Körper fremdeln, sich schämen, leiden und schweigen. Mit ihrem neuen Buch versucht sie, Tabus den Schrecken zu nehmen. Der PZ verrät Adler auch, warum sie Ärztin werden wollte.
Jennifer Evans
06.09.2018  10:52 Uhr

Die Konfrontation mit intimen Details und Geschichten ihrer Patienten machen Yael Adler nichts aus. Ob nässende Hautausschläge, eiternde Abschürfungen, Juckreiz am Po oder übel riechende Wunden. Die Dermatologin bezeichnet sich selbst als eine sinnliche Ärztin. Eine, die die Spuren des Körpers zu lesen versucht, indem sie all ihre Sinne nutzt. Heilen und Helfen sei eine Art Familientradition, schon ihr Großvater sei Hautarzt gewesen, von ihm habe sie viel gelernt. „Je genauer wir Ärzte fragen und zuhören, je tiefer wir uns einfühlen, desto mehr erfahren wir und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir die Ursache eines Leidens schnell finden und dann entsprechend behandeln können.“ Voraussetzung dafür ist allerdings, darüber zu sprechen, betont Adler gegenüber der PZ. Reden nehme Tabu-Themen ihre Macht. Klar koste es Überwindung, vor dem Arzt Körper und Seele zu entkleiden. Diese Angst will sie Betroffenen mit ihrem neuen Buch nehmen: „Mediziner haben alles schon einmal gehört, vieles gesehen und manches sogar selbst erlebt.“ Adler wirft einen ganzheitlichen Blick auf den Menschen. Schließlich ist die Haut mit allem in und um uns herum vernetzt, sagt sie. Auch hält die Autorin es für ein Grundrecht, Wissen über den eigenen Körper zu haben. Und dieses Wissen vermittelt sie ihren Lesern unverblümt.

Körpergeruch kann krank machen 

Ein Kapitel widmet Adler den Körpergerüchen. Ihrer Erfahrung nach machen sich Frauen mehr Sorgen um ihre Geruchsabsonderungen als Männer, etwa um Mundgeruch. „Allein in unserem Mund leben 100 Milliarden Bakterien, die sich aus bis zu 700 Arten zusammensetzen.“ Der Mund sei ein Eldorado für die Bakterien, die sich an kaputten Füllungen, lockeren Kronen, schlecht gereinigten Prothesen oder kariösen Zähne tummeln. Auch der zivilisatorische Lebensstil könne das Gleichgewicht im Mund stören und damit dessen Abwehrmechanismen. Die Ärztin warnt davor, dass Schweigen Betroffene nicht nur in die soziale Isolation treiben kann, weil die Umwelt auf Distanz geht, sondern auch gesundheitliche Folgen haben kann. Zum Beispiel könne unbehandelter Mundgeruch aufgrund einer krankhaften bakteriellen Besiedlung zu Arteriosklerose, Herzinfarkt, Hauterscheinungen wie Nesselsucht, Juckreiz oder Schüben von Schuppenflechte, Demenz oder Frühgeburten bei Schwangeren führen. Der morgendliche Mundgeruch entsteht, weil „unsere körpereigene Spülmaschine nachts ihre Tätigkeit herunterfährt“, sprich, die reinigende Spucke ausbleibt, so Adler. Gegen letzteres kann man selbst etwas tun: Wasser trinken, Zähneputzen, Bonbons lutschen. Zahnseide und Zungenbürste helfen, Luft in tiefe Zahntaschen und den Hochflorteppich Zunge zu bringen, um anaerobe Geruchs-Bakterien und Plaque zu reduzieren.

Oft machtlos ist man Adler zufolge allerdings gegen Geräusche aus der Tiefgarage Po. Ein gesunder Mensch befreit sich täglich von 0,5 bis 1,5 Litern Darmwinden. Diese bestehen aus verschluckter Luft und Gasbildung der Verdauungsbakterien. Gerüche entstehen speziell nach dem Verzehr von viel tierischem Eiweiß wie Fleisch, Ei oder Fisch. Industriell schnell verarbeitetes Brot bläht zudem kräftig. Denn einige von dessen Kohlenhydraten landen unverdaut im Dickdarm und gären dort. Nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte man die Luft mit Stuhlgang. Wenn der Schließmechanismus des Darmausgangs gestört sei, könne das auf Darmkrebs hinweisen.

Botox gegen Inkontinenz 

„Fünf Millionen Deutsche sind unten nicht ganz dicht: In der Altersgruppe 60 plus leidet rund die Hälfte aller Frauen an Harninkontinenz. Aber auch jüngeren Frauen passiert das, ganz besonders nach Geburten.“ Das Missgeschick kann von einem heftigen Lachanfall, abrupten Bewegungen, Husten oder schwerem Heben ausgelöst werden. Männer entwickeln Inkontinenz oft nach Prostataoperationen, weil dabei Nerven geschädigt werden können, die die Blasenfunktion steuern. Doch es gibt Lösungen. Die Medizinerin zählt einige auf, um Betroffenen die Angst vor dem Arztbesuch zu nehmen. Die Therapiemöglichkeiten bei Inkontinenz reichen vom Einsatz von Vaginalkegeln über Östrogenzäpfchen oder Botox bis hin zu Elektro- oder Nervenstimulation, Laser und operativen Verfahren.

Lösungen gibt es auch für Menschen, die von Schuppen geplagt sind. „Fettige Schuppen entstehen, wenn die Talgdrüsen überaktiv sind. Das freut den Hefepilz Malassezia furfur, der das Fett in den Poren liebt und sich den Wams vollhaut“, erklärt Adler. Seine Ausscheidungen sind freie Fettsäuren, die die Kopfhaut reizen und zum schnellen Abschuppen bringen. Trockene Schuppen tauchen hingegen auf, wenn Haare nie richtig fettig werden und die Kopfhaut sensibel auf Pflegemittel reagiert. Je nach Diagnose kann eine ayurvedische Kopfhaut-Emulsion, Essigwasser, ein Anti-Pilz-Shampoo oder ein nichtschäumendes Shampoo mit Zucker- oder Kokostensiden und Harnstoff helfen.

Hormon-Fitness

Ein Thema, das beide Geschlechter unbehaglich finden, ist nach Adlers Erfahrung die Meno- beziehungsweise Andropause. Seltener reden die Männer über ihre körperlichen Veränderungen und Ängste. Fällt ihr Testosteronspiegel stark ab, fühlen sie sich schlapp und antriebsarm. Möglicherweise sehen sie sich mit Erektionsproblemen und Lustverlust konfrontiert. Während bei Frauen die Hormonproduktion zügig absackt, geschieht dies beim Mann mit etwa 1 Prozent pro Jahr eher schleichend, kann aber bereits ab dem 35. Lebensjahr beginnen. Einfluss auf den Abwärtstrend hat die Lebensführung. Ein fitter Sportlehrer könne mit 65 noch Testosteronwerte eines 20-Jährigen haben, so Adler. Couchpotatoes hingegen könnten mit knapp 40 schon niedrigere Werte als ein 80-Jähriger aufweisen. Übergewichtige Sofasitzer haben oft noch ein weiteres Problem: Sie schnarchen. Mit dem Alter steigt nämlich „die Betriebsamkeit im nächtlichen Sägewerk erheblich“, sagt Adler. Der Rachen wird schlaff. Auch bei  Frauen wird mit sinkendem Östrogenspiegel  das Gewebe kraftloser. 

Bei Schnarchen oder verstopfter Nase zu Nasentropfen oder -sprays zu greifen, davon rät die Ärztin ab. Auf Dauer führten diese Präparate zu einer zerstörten, nicht mehr heilbaren, trockenen Nase. Die sogar zur Stinknase werden könne, weil Bakterien ein leichtes Spiel hätten. Die Betroffene selber merkten von dem üblen Geruch übrigens nichts.

Apropos übel:  Sich zu übergeben sei ein Relikt aus der Steinzeit und ansteckend, sagt Adler: „Hatte sich  ein Mitglied eines Clans eine Lebensmittelvergiftung durch Gammelfleisch zugezogen, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die anderen ebenfalls davon gegessen hatten.“ Man tat also gut daran, auf Verdacht den „Sprengstoff in Magen oder Darm“ wieder loszuwerden.

Bei all ihrem Humor rund um medizinische Themen ist es schwer zu glauben, dass Adler selbst den Arztbesuch scheut. Die Angst vor unerfreulichen Diagnosen belastet sie: „Ich bin ein Hypochonder.“ Auch deshalb habe sie ihren Beruf gewählt. „Ich wollte das Schicksal austricksen, gesünder leben und vielleicht den Tod hinauszögern. Vor allem aber mit meinen Ängsten besser umgehen.“ Ein wenig habe es funktioniert: „Das Wissen über den Körper gibt mir heute mehr Sicherheit“. 

 

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