Tödlicher als viele Krebserkrankungen |
| Christina Hohmann-Jeddi |
| 27.05.2024 16:18 Uhr |
Die verschiedenen Unterformen der Herzinsuffizienz stellte Professor Dr. Kristina Lorenz von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg auf dem Fortbildungskongress Pharmacon in Meran vor. / Foto: PZ/Alois Müller
Das Herz ist sehr fleißig: Es schlägt 115.000 Mal am Tag, 2,5 Milliarden Mal in einem Leben von 80 Jahren und pumpt dabei fünf bis sechs Liter Blut pro Minute. Lässt die Pumpfunktion nach, hat das erhebliche Konsequenzen für den Organismus. Wenn das Herz es nicht mehr schafft, das benötigte Herzzeitvolumen bereitzustellen, also ausreichend Blut durch den Körper zu pumpen, spricht man von Herzinsuffizienz. Die verschiedenen Formen der Erkrankung und die zugrunde liegenden Pathomechanismen stellte Professor Dr. Kristina Lorenz von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg auf dem Pharmacon in Meran vor.
»Die Herzinsuffizienz ist die gemeinsame Endstrecke der meisten Herzerkrankungen«, sagte die Professorin für Pharmakologie und Toxikologie. Zu den typischen Symptomen zählen Kurzatmigkeit unter Belastung, Leistungsminderung, periphere Ödeme und Rasselgeräusche der Lunge. Die Prävalenz der Erkrankung ist hoch: In Deutschland sind etwa 4 Prozent der Bevölkerung betroffen, wobei das Erkrankungsrisiko mit dem Alter deutlich ansteigt. Herzinsuffizienz sei der häufigste Grund für eine Krankenhauseinweisung und gehe mit einer Mortalität einher, die höher liege als bei den meisten Krebserkrankungen, berichtete die Pharmazeutin.
Die Herzinsuffizienz wird nach der Pumpleistung oder Ejektionsfraktion (EF) eingeteilt. Eine normale EF liegt bei etwa 70 Prozent. Bei einer EF von unter 40 Prozent spricht man von einer Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (Heart Failure with reduced Ejection Fraction, HFrEF), bei einer EF von 40 bis 49 Prozent von einer Herzinsuffizienz mit mild reduzierter EF (HFmrEF) und bei 50 Prozent und darüber von einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpleistung (HFpEF). Die erste und die letztere Form unterscheiden sich in der Pathophysiologie und auch in den Patientencharakteristika. Die HFmrEF zähle vermutlich eher zur HFrEF, so die Referentin.
Der klassische Weg zur HFrEF sei eine koronare Herzerkrankung, die zum Herzinfarkt führen könne und die Herzleistung schwäche, was zu einer Gegenregulation in Form einer neurohumoralen Aktivierung führe. Dabei werden der Sympathikus und das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) hochreguliert. In der akuten Situation sei dies hilfreich, auf lange Sicht führe es aber zu Umbauprozessen am Herzgewebe (Remodeling), Fibrose und einer weiteren Einschränkung der myokardialen Kontraktilität. »Mit einem medikamentösen Eingriff in die neurohumorale Aktivierung können wir HFrEF-Patienten gut helfen«, sagte Lorenz. Für HFpEF-Patienten gelte das dagegen nicht, weil ihrer Erkrankung eine andere Pathophysiologie zugrunde liege und die typischen Herzinsuffizienz-Medikamente nicht wirkten. HFpEF-Patienten machten etwa die Hälfte der Herzinsuffizienz-Patienten aus; sie würden in klinischen Studien bisher stark vernachlässigt.
»Bei ihnen führen die Risikofaktoren wie Adipositas, Hypertonie, Diabetes und chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) zu Störungen der Mikrozirkulation und damit zu Hypertrophie und Fibrose«, berichtete Lorenz. Die Herzmuskelzellen verdicken sich und versteifen gleichmäßig, wobei Apoptose und Autophagie eine Rolle zu spielen scheinen. Die Kardiomyozyten gehen aber nicht zugrunde. Anders sieht es bei der HFrEF aus: Hier wird das Remodelling durch den Verlust von Herzmuskelzellen angetrieben und führt zu einer ungleichmäßigen Herzwandstruktur.
Bei der HFpEF spielt auch eine systemische Inflammation eine wichtige Rolle. Diese habe Einfluss auf verschiedene Organe und die Signaltransduktion zwischen Endothel und Kardiomyozyten, so Lorenz. Im Detail sind die Ursachen und die Pathomechanismen der HFpEF noch nicht verstanden. Bislang gibt es auch keine krankheitsmodifizierenden Therapeutika. Einzige Ausnahme: Seit 2023 gibt es eine Empfehlung für SGLT-2-Inhibitoren. Diese konnten in Studien das Risiko für eine Progression der Erkrankung und für einen kardiovaskulären Tod der Patienten senken.