Todesrisiko in kleinen Dosen |
Barbara Döring |
01.09.2025 07:00 Uhr |
Manche Tätigkeiten sind gefährlicher als andere – das lässt sich in Mikromort beziffern. / © Adobe Stock/Orlando Florin Rosu
Viele Menschen haben mehr Angst davor, ins Flugzeug zu steigen als mit dem Fahrrad um die Ecke zum Bäcker zu fahren. Das Risiko, bei einer Tätigkeit sein Leben zu lassen, ist schwer messbar. Und die eigene Einschätzung, zu verunglücken, oft irrational. So hat einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts »YouGov« zufolge rund ein Viertel aller Deutschen Angst vorm Fliegen, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dabei zu verunglücken, deutlich geringer ist als beim Auto- oder Fahrradfahren. Immerhin gilt das Flugzeug als eines der sichersten Verkehrsmittel.
Menschen fällt es schwer, Wahrscheinlichkeiten einzuschätzen. Das zeigt sich unter anderem daran, dass Woche für Woche Millionen ihr Glück beim Lotto versuchen, obwohl sie – realistisch betrachtet – nur oder zumindest eher eine hohe Summe Einsatz verlieren können. Um einen besseren Riecher für die Risiken zu bekommen, die der Alltag so mit sich bringt, hat sich der Elektrotechniker Ronald Arthur Howard in den 1970er-Jahren ein Konzept überlegt, mit dem sich das Todesrisiko in der Einheit Mikromort messen lässt.
Dabei entspricht ein Mikromort einer Wahrscheinlichkeit von 1:1 Million, eine Tätigkeit nicht zu überleben. Das Matterhorn zu besteigen, würde sich auf 2840 Mikromort beziffern, eine Anästhesie zu bekommen auf 10 Mikromort und bei einem Marathon das Ziel todesbedingt nicht zu erreichen auf 7 Mikromort. Der Berechnung legte Howard eine ausführliche Statistik zu Todesfällen zugrunde.
Der Mathematiker David Spiegelhalter war von dem Konzept nicht ganz überzeugt. Schließlich funktioniert die Einheit Mikromort nur bei einmaligen Tätigkeiten – nicht aber, wenn sich jemand regelmäßig Fast Food oder ein Gläschen Hochprozentiges gönnt. Um auch das dauerhafte Risiko zu erfassen, führte Spiegelhalter die Maßangabe Mikroleben ein. Sie gibt an, wie viel Lebenszeit jemand durchschnittlich durch eine bestimmte Handlung verliert, wobei ein Mikroleben die Lebenserwartung um eine halbe Stunde reduziert.
Während sich Mikroleben summieren können, sinkt Mikromort auf null sobald die Tätigkeit beendet ist. Jeden Tag startet man also wieder mit demselben Risiko, wenn man ins Auto steigt oder die Bahn nimmt. Wer dagegen nach der ersten Zigarette des Tages eine weitere raucht, summiert die Zahl seiner verlorenen Mikroleben. Mit einer gesunden Mahlzeit kann er dann allerdings auch wieder Mikroleben dazugewinnen. Schade nur, dass das so nicht ewig geht. Denn irgendwann verschlechtert auch das zunehmende Alter die Bilanz.
Um ein Mikroleben zu berechnen, muss man die Lebenserwartung verschiedener Personen vergleichen, etwa von Rauchern und Nichtrauchern. Teilt man die Zeitdifferenz der Lebenserwartung durch die Zahl der durchschnittlich gerauchten Zigaretten, lässt sich die mittlere Lebenszeit berechnen, die jede Zigarette kostet. Raucher pflegen jedoch oft einen allgemein ungesünderen Lebensstil, und auch Faktoren wie Alter, Geschlecht und Wohnort spielen mit rein. Diese Korrelationen sind schwer hinauszurechnen. Allzu eng sollte man es mit den Risikoeinheiten also nicht nehmen und zumindest sein Dasein nicht streng nach Mikromort und Mikroleben ausrichten.