«Wenn wir nicht rasch Reformen anschieben, werden wir schon in wenigen Jahren bei einem Gesamtbeitrag von 20 Prozent und mehr nur für die Krankenversicherung liegen. Ein Wahnsinn«, so TK-Chef Jens Baas. / © Nele Martensen; Techniker Krankenkasse
«Ich erwarte viele Beitragserhöhungen im Jahr 2026, auch weil die Kassen weiterhin Rücklagen aufbauen müssen«, sagte Baas der «Rheinischen Post«. «Faktisch dürfte der durchschnittliche Zusatzbeitrag 2026 die Drei-Prozent-Marke überschreiten«, so Baas. «Wenn wir nicht rasch Reformen anschieben, werden wir schon in wenigen Jahren bei einem Gesamtbeitrag von 20 Prozent und mehr nur für die Krankenversicherung liegen. Ein Wahnsinn.«
Der Bundesrat hatte am Freitag das bereits vom Bundestag beschlossene Sparpaket gestoppt und in den Vermittlungsausschuss geschickt. Die Länder wollen damit Ausgabenbremsen bei den Kliniken verhindern. Die gesetzlichen Krankenkassen stehen nun vor Problemen beim Festlegen ihrer Zusatzbeiträge.
Der TK-Chef zeigte sich enttäuscht von der Entscheidung des Bundesrates. «Das Sparpaket war ohnehin schon viel zu klein, um die Beiträge zum Jahreswechsel zu stabilisieren. Dass jetzt sogar diese Minimal-Einsparung auf der Kippe steht, ist ein fatales Signal für Millionen Beitragszahler und die deutsche Wirtschaft«, sagte Baas.
Nun werde sich der Druck auf die Beiträge noch erhöhen. Selbst wenn im Vermittlungsausschuss ein Kompromiss gefunden würde, dürfte das zu spät kommen, um noch bei den Beitragsberechnungen für 2026 berücksichtigt werden zu können, meint er: «Die Konsequenz wäre, dass die Beitragssätze im Schnitt noch einmal steigen würden.«
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) verteidigte den Stopp des Gesundheitspakets im Bundesrat. «Die Länder haben wiederholt deutlich gemacht, dass die vorgesehenen Einsparungen zulasten der ohnehin angespannten Krankenhauslandschaft nicht tragfähig sind.« Nun wolle man sich dafür einsetzen, dass der Vermittlungsausschuss »zügig zusammentritt und schnell Klarheit schafft, damit das Gesetz wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten kann«, sagte Günther.
Die Krankenkassen und die Opposition hatten schon vor der Entscheidung im Bundesrat vor absehbaren Anhebungen der Zusatzbeiträge 2026 gewarnt, da viele Kassen Reserven auf vorgeschriebene Mindestwerte auffüllen müssen. Zuletzt hatte deshalb etwa auch Kassendienstleister Bitmarck Zusatzbeiträge in Höhe von mehr als 3 Prozent prognostiziert
Über die Zusatzbeiträge für 2026 für ihre Versicherten entscheiden die Kassen je nach ihrer Finanzlage selbst. Im Schnitt liegt das Niveau derzeit bei 2,9 Prozent. Der gesamte Beitrag, den sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen, umfasst daneben den allgemeinen Satz von einheitlich 14,6 Prozent.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hatte die Entscheidung der Länder als »schlechtes Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland« bezeichnet. Sie setzt bei der geplanten großen Reform der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf mehr Effizienz und Steuerung, um steigende Kosten zu begrenzen. «Wir haben in den letzten Jahren beim Thema Leistungen eigentlich immer mehr gemacht, immer noch was obendrauf gelegt«, sagte die CDU-Politikerin im ARD-«Interview der Woche«. Daher sei auch ein Blick darauf zu richten, was noch finanzierbar sei. Warken betonte zugleich: «Wir wollen das System nicht kaputtsparen.«
Die Länder waren sich in ihrer Ablehnung der Gesetzespläne in ihrer jetzigen Form einig: Eine Reform sei nötig, aber nicht so. Kritisch sehen sie freilich die mit den Sparplänen vorgesehenen drastischen Einschnitte im Krankenhausbereich; um 1,8 Milliarden Euro sollen die Kassen damit entlastet werden. Im Kern geht es den Ländern um mehr Planungshoheit und Flexibilität.
Etwa bei der Standortplanung wünsche man sich mehr Ausnahmen, hieß es im Nachgang zum Entwurf des Gesetzes zur Anpassung der Krankenhausreform (KHAG). So betonte Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) , dass die Krankenhausreform in ihrer jetzigen Form die spezielle und sehr regional ausdifferenzierte Krankenhausversorgung gefährde. Es bestehe weiterer Nachbesserungsbedarf.
Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) schlug beim Thema Standortregelung vor, dass die Länder im Einvernehmen mit der Selbstverwaltung darüber entscheiden können. Auch Berlins Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) steht dieser Regelung kritisch gegenüber. Sie nannte die Berliner Charité als Beispiel, die mit ihren mehreren Standorten die Regelung nicht einhalten kann. »Wir brauchen dringend Ausnahmeregelungen.«
»Wir brauchen eine verlässliche, qualitativ hochwertige und bedarfsgenaue Gesundheitsversorgung«, sagte Manne Lucha (Bündnis 90/Die Grünen), Gesundheitsminister von Baden-Württemberg. Die Menschen seien zutiefst verunsichert und wollten sich auf die Gesundheitsversorgung verlassen können. Diana Stolz (CDU), Gesundheitsministerin in Hessen, ergänzte: »Wir Länder tragen die Verantwortung dafür, dass die Menschen vor Ort gut versorgt werden. Dafür brauchen wir einen verbindlichen Rahmen, in dem wir die nötige Beinfreiheit haben«, sagte
Katharina Schenk (SPD), Thüringens Gesundheitsministerin und aktuelle Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), brachte das Thema Ostdeutschland ins Spiel. Gerade in Regionen, in denen ein Transformationsprozess bereits stattgefunden hat, gehe es bei der Entscheidung nicht nur um einen Krankenhausstandort, sondern auch um die Verlässlichkeit von Demokratie und Entscheidungsprozessen.