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PZ Titel

28.10.1996  00:00 Uhr

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Deutscher Apothekertag 1996

  Govi-Verlag

Stürzbecher:
den Weg weitergehen

 

Mit dem ABDA-Konzept „Verbesserung der Arzneimittelversorgung - mehr Verantwortung für die Apotheker" hat der Berufsstand vor drei Jahren einen klaren Weg eingeschlagen. Auf dem diesjährigen Deutschen Apothekertag, der unter dem Motto "Zukunft gestalten" stand, bekräftigte Klaus Stürzbecher, Präsident der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, die Absicht, diesen Weg unbeirrt weiterzugehen und konstruktiv und aktiv an der Stabilisierung des Gesundheitswesens mitzuarbeiten.

Der Präsident verwies darauf, daß die sozialen Leistungen des Staates die Belastungsgrenze erreicht haben, die Staatsverschuldung fortschreitet und Einschnitte im Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung unvermeidbar sind. Ein Erfolg der Verbandspolitik sei bezüglich der 3. Stufe der Gesundheitsreform, daß weder im Gesetzentwurf der Koalition noch in dem der Opposition das Gedankengut der Krankenkassen Einzug genommen habe. Daß der Gesetzgeber die Verpflichtung zur Abgabe importierter Arzneimittel aus dem SGB V gestrichen habe, sei ebenfalls ein Erfolg.

Jetzt seien das 1. und 2. GKV-Neuordnungsgesetz (NOG) akut. Zentraler Baustein des 1. NOG sei die Koppelung einer Beitragssatzerhöhung einer Krankenkasse kraft Gesetz mit einer kassenspezifischen Zuzahlungserhöhung. Diese Entscheidung hätten die Apotheker nicht zu verantworten. Stürzbecher appellierte jedoch an die Vertreter der GKV, ihre Versicherten frühzeitig, umfassend und ausreichend über ihre Zuzahlungserhöhungen zu informieren. "Wir werden uns nicht nochmals wie 1993 dem geballten Zorn der Versicherten aussetzen, nur weil die Krankenkassen versagt haben".

In diesen Tagen werde bereits am Entwurf für das 2. GKV-Neuordnungsgesetz gebastelt. Es beinhalte Regelungen über Kostenerstattung, gesetzliche und Satzungsleistungen sowie Modellversuche. Stürzbecher warnte davor, den Kassen per 2. NOG das generelle Recht auf Zuzahlungserhöhungen - nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen gestaffelt - einzuräumen. Wer sollte noch den Überblick behalten, wenn sich bei circa 600 Arzneimittelstoffgruppen und bei circa 600 Krankenkassen 360.000 Zuzahlungsmöglichkeiten ergeben. "Das bedeutet kassenspezifische Zuzahlungslisten", so Stürzbecher.

Transparenzdatenbank

Zur Verwirklichung der Transparenzdatenbank, einem Baustein des ABDA-Konzepts, haben das Zentrallaboratorium und ABDATA pharmazeutisch und EDV-technisch alles vorbereitet. Es fehle aber noch die Datenfreigabe durch die Industrie. Während einzelne Firmen durchaus dazu bereit seien, haben die vier Industrieverbände massive Vorbehalte. Sie befürchten, daß mit einer solchen Datenbank eine Zweitzulassung auf der Apothekenstufe eingeführt werde.

Dazu stellte Stürzbecher klar, daß die Therapiehoheit selbstverständlich alleinige Domäne des Arztes bleibe. Die heilberufliche Kooperation zwischen Arzt und Apotheker zum Nutzen des Patienten mache jedoch Qualitätsdaten unverzichtbar. Es gehe hier lediglich darum, die heute schon verfügbaren Informationen EDV-gestützt in Form eines modernen Kommunikationsmediums anzubieten.

Pooleinkaufsstrukturen aufgelöst

Das "vielleicht bedrohlichste Problem" dieses Jahres, die Pooleinkaufsstrukturen, drohten, die Arzneimittelpreisverordnung ad absurdum zu führen, so der ABDA-Präsident. Nachdem sich der pharmazeutische Großhandel vollständig aus diesen Poolaktivitäten zurückgezogen hatte, habe Bundesminister Horst Seehofer dem ABDA-Präsidenten in einem Gespräch bestätigt, daß diese Selbstheilung ein Eingreifen der Politik ersetzt habe. Stürzbecher ist davon überzeugt, daß sich auch das Problem der Kettenapotheken meistern lasse.

Zu einem behutsamen Umgang mit der neuen Werbefreiheit, die durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts gegeben sei, riet der ABDA-Präsident. Werbung und PR müßten kollektiv rational sein und den heilberuflichen Ansprüchen gerecht werden. Eine Profilierung über die pure Kaufmannseigenschaft ende im Drugstore.

Arzneimittelbudget

Der ABDA-Präsident appellierte an Krankenkassen und Politik, die Verunsicherung, die aus der Regelung zum Arzneimittelbudget erwachsen ist, zu beenden. Die Arzneimittelbudgets müssen seiner Meinung nach dringend dynamisiert werden. Die Verlagerungen von Therapien aus dem stationären in den ambulanten Sektor, die gestiegene Bevölkerungszahl, neue, innovative Arzneimittel sowie die Veränderung der Morbidität machten dies erforderlich. Die pharmazeutischen Bausteine des ABDA-Konzepts müßten aber auch betriebswirtschaftlich flankiert werden. Dazu sei es erforderlich, eine dauerhaft stabile Existenzgrundlage in Form der Arzneimittelpreisverordnung sicherzustellen. "Mit dem von uns entwickelten Konzept können wir die Mischfinanzierungsidee der Arzneimittelpreisverordnung wieder auf eine gesellschaftlich akzeptierte Grundlage stellen. Das FF-System macht uns überall dort, wo Arzneimittelfestbeträge gelten, unabhängig vom jeweiligen Herstellerabgabepreis", erklärte Stürzbecher.

Die Vorstellungen der Apotheker zur Modifizierung der Arzneimittelpreisverordnung sind nach Stürzbechers Worten rechnerisch korrekt, technisch machbar und ermöglichen es der Gesellschaft, den Heilberufler Apotheker mehr als bisher zu beanspruchen. Und vor allem: sie werden politisch getragen. "Ich habe mich außerordentlich gefreut, daß Bundesgesundheitsminister Seehofer unsere Vorschläge uneingeschränkt unterstützt und sich auch in der Öffentlichkeit dazu bekennt".

Nur wer Visionen hat, kann auch Zukunft gestalten, sagte Stürzbecher in Anlehnung an den amerikanischen Bürgerrechtler Martin Luther King. "Wir haben mit dem ABDA-Konzept 1993 die Vision des unabhängigen, selbständigen und selbstbestimmten Apothekers entwickelt". Der Titel ist Programm: "Verbesserung der Arzneimittelversorgung - Mehr Verantwortung für die Apotheker". "Die Grundlagen zur Übernahme dieser Verantwortung haben wir inzwischen gelegt. Jetzt fordern wir sie ein".

Artikel von der PZ-Redaktion

PZ-Kommentar

Vom NOG 2 zum Knockout
Wenn die Vorstellung der Union und der FDP, die im Referentenentwurf der Koalition für ein zweites GKV-Neuordnungsgesetz (NOG 2) Wirklichkeit werden sollten und die Krankenkassen die Möglichkeit eingeräumt bekommen, bestehende Zuzahlungen, nach eigenem Gutdünken erhöhen zu können und diese bei Arzneimitteln nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen zu staffeln, dann ist das Chaos in den Apotheken programmiert. Bei rund 600 Krankenkassen können sich 360 000 Zuzahlungsmöglichkeiten ergeben. Daß der Apotheker die richtige erwischt, kommt dann einem Lotteriespiel gleich. Mehr Liberalität in einem bisher streng regulierten Bereich ist gut, zu viel kann aber zur Anarchie fuhren. Deshalb sollten die Apotheker alless daran setzen, daß das NOG 2 nicht zum Knockout in den Apotheken führt.

Hartmut Morck
PZ-Chefredakteur

   

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