Zur Anatomie des Menschen:Magen, Dünn- und Dickdarm |
12.10.1998 00:00 Uhr |
Titel
An der Übergangsstelle zwischen Corpus und Antrum ist der Magen deutlich
erkennbar geknickt; dieser Incisura angularis entspricht an seiner Innenseite eine
Falte, die Plica angularis. Bei glatter äußerer Magenoberfläche zeigt die Innenseite
ein deutliches Relief aus längsverlaufenden Schleimhautfalten, an denen nicht alle
Wandschichten teilnehmen, sondern nur die Tunica mucosa und Tela submucosa. Im
Bereich der kleinen Kurvatur bilden diese Längsfalten eine Rinne, die Flüssigkeiten
rasch durch den Magen in den Dünndarm gleiten läßt (Canalis ventriculi,
Magenstraße). Im übrigen Bereich des Corpus sind die Längsfalten oft stark
gewunden. Querfalten treten hinzu, die im Schleimhautrelief Vertiefungen ergeben,
so daß größere Nahrungsbrocken festgehalten werden können.
Die Magenschleimhaut beginnt abrupt in der Pars cardiaca an der Grenze zum
Ösophagus. Das mehrschichtige unverhornte Plattenepithel des Ösophagus endet,
und die Magenschleimhaut mit ihrer auch mit bloßem Auge erkennbaren Felderung
beginnt. Da das Plattenepithel des Ösophagus keinen schützenden Schleimüberzug
aufweist, ist es gegenüber der aggressiven Magensäure sehr viel empfindlicher. Im
wesentlichen sind es vier Faktoren, die unter normalen Bedingungen eine
Schädigung des Ösophagus durch eingedrungene Magensäure verhindern: ein
intakter funktioneller Ösophagussphinkter; eine regelhafte Entleerung des
Ösophagus; ausreichende Produktion bikarbonathaltigen Speichels und eine intakte
Diffusionsbarriere der Schleimhaut gegenüber dem sauren Magensaft.
Diese Schutzmechanismen können überspielt werden, wenn permanent saurer
Magensaft in die Speiseröhre zurückfließt. Dies ist der Fall bei der
Refluxösophagitis, bei der das Plattenepithel zerstört wird. An die Stelle des
Plattenepithels kann aus unbekannten Gründen auch heterotopes Zylinderepithel aus
Cardia, Korpus- oder Dünndarmschleimhaut treten. Nimmt das Zylinderepithel den
gesamten Umfang des Ösophagus ein, so wird die Magenschleimhautgrenze nach
oben (proximal) verschoben; der Ösophagus mit seiner typischen
Plattenepithelauskleidung wird gleichsam zu kurz. Es entsteht ein sogenannter
Endobrachy- (brachys: kurz) oder Barretts Ösophagus (nach dem Londoner
Chirurgen Norman R. Barrett, 1903 bis 1979). Diese Schleimhautumwandlung gilt
als Voraussetzung für die Entstehung von Ulcera und als Präkanzerose für
Adenokarzinome der distalen Speiseröhre.
Zelltypen der Magenschleimhaut
Die Felderung der Magenschleimhaut weist ihrerseits ein Mikrorelief aus kleinen
Falten und Grübchen auf. In diese Magengrübchen, die sogenannten Foveolae
(foveola: kleine Grube) gastricae, münden die Magendrüsen, Glandulae gastricae.
Die Oberfläche der Magenschleimhaut einschließlich der grübchenartigen
Einsenkungen ähnelt einem Drüsenepithel, das permanent einen recht viskosen, aus
neutralen Mucopolysacchariden bestehenden Schleim produziert. Durch seine
Haftfähigkeit an der Zelloberfläche entsteht eine dichte Schutzbarriere, die die
Andauung des Magens durch Salzsäure und Verdauungsenzyme verhindert.
Während das Drüsenepithel an der Oberfläche der Magenschleimhaut aus
einheitlichen Zellen aufgebaut ist, bestehen die Magendrüsen aus unterschiedlichen
Zelltypen, deren Anteil je nach Magenregion variiert. Folgende Zelltypen werden in
den Magendrüsen angetroffen:
Schleimproduzierende Nebenzellen
Die Nebenzellen teilen sich auf in die Nebenzellen des oberflächlichen
Schleimhautepithels mit Turn-over-Zeiten von vier Tagen und die Nebenzellen im
Bereich der Halsabschnitte der Magendrüsen (sogenannte Halszellen") mit viel
längeren Turn-over-Zeiten von 40 Tagen. Die Halszellen sind zudem die Vorläufer
der Hauptzellen, in die sie sich nach Wanderung in den Drüsengrund umwandeln.
Alle übrigen Zellen der Magendrüsen gehen aus einer kleinen Population von
Stammzellen hervor, die ebenfalls in der Halsregion der Drüsen lokalisiert sind. Der
von den Nebenzellen produzierte Schleim bildet auf der Schleimhautoberfläche eine
dichte Auflagerung, die für Proteine, zum Beispiel Pepsin, nicht durchlässig ist.
Der Hauptschutzfaktor ist die Zellmembran selbst, die in ihrem apikalen Anteil
keinerlei Systeme für den Einwärtstransport von Hydrogeniumionen aufweist und
somit undurchlässig für die Magensäure ist. Anders ist die Situation an der
basolateralen Zelloberfläche, die für Wasserstoffionen gut durchlässig sind,
vorausgesetzt, die Magensäure erhält erst einmal Zutritt zu diesen Stellen. Diese sind
normalerweise durch dichte Zell-Zell-Kontakte (tight junctions) gegenüber dem
Drüsenlumen verschlossen, so daß keine Zellschädigung durch Magensäure eintreten
kann. Es erscheint sehr wahrscheinlich, daß die Schädigung der Magenschleimhaut
und ihre entzündliche Reaktion beim Ulcus ventriculi durch eine Auflösung dieser
Zell-Zell-Kontakte durch den pathogenen Keim Helicobacter pylori entstehen.
Hauptzellen produzieren Pepsinogene
Die Hauptzellen produzieren die Vorstufe der Endoprotease Pepsin, das
Pepsinogen. Streng genommen findet man verschiedene Pepsinogene und damit
auch leicht voneinander abweichende Pepsine. Isoformen werden als inaktive
Vorstufen in Granula im Bereich des apikalen Pols der Zelle gespeichert und auf
einen geeigneten Reiz hin ausgeschüttet. Dies erfolgt intrazellulär über zwei
biochemische Reaktionskaskaden, einerseits die Stimulation von Cholezystokinin-B-
(CCK-B) oder M3-Rezeptoren und andererseits die Stimulation von Sekretin- oder
beta-Adrenozeptoren.
Regulation der Säuresekretion aus Belegzellen
Mehr als ein Drittel aller Zellen der Magenschleimhaut sind Belegzellen, die wegen
ihrer relativen Größe ungefähr 50 bis 60 Prozent der gesamten Zellmasse
einnehmen. Sie zählen zu den metabolisch aktivsten Zellen des Körpers, denn sie
müssen gegen einen enormen Konzentrationsgradienten Protonen aus der Zelle
heraus in den Magensaft sezernieren. Bedenkt man, daß der Magensaft ungefähr
einen pH-Wert von 1, das Zellinnere jedoch einen pH-Wert von 7 aufweist, werden
die Leistung und der Energieverbrauch dieser Zellen unmittelbar deutlich: Das
Konzentrationsverhältnis der Wasserstoffionen innerhalb und außerhalb dieser Zellen
beträgt 1:1 Million.
Ähnlich wie die Hauptzelle ist auch die Belegzelle mit Rezeptoren ausgestattet, die
mit zwei verschiedenen Second-messenger-Systemen gekoppelt sind:
Beide Second-messenger-Systeme konvergieren auf dem Niveau der
Proteinkinasen, durch die Zellproteine phosphoryliert werden und
Membranänderungen eintreten, so daß die Zelle in den aktiven Zustand der
Säuresekretion übergeht. Die Aktivierung durch Phosphorylierung trifft auch für das
Leitenzym der Belegzellen, die Protonenpumpe oder H+/K+-ATPase, zu. Die
H+/K+-ATPase zählt zu den ATP-getriebenen Ionenpumpen der P-Klasse (P =
Phosphorylierung), die aus alpha- und beta-Untereinheiten bestehen und eine
cytoplasmatische Phosphorylierungsstelle auf der alpha-Untereinheit aufweisen.
Bei den Belegzellen ist der Wechsel zwischen Ruhestadium und aktivem
Sekretionsstadium auch an der Zellstruktur erkennbar. Ein typisches Merkmal sind
tiefe Einfaltungen der apikalen Zellmembran, die als kleine Kanäle in die Zelle
hineinziehen. Im Zellinnern findet sich im Ruhestadium eine große Anzahl von
membranumhüllten Bläschen, die Tubulovesikel, deren Membran die
Protonenpumpe enthält. Bei Stimulation der Zelle werden diese Tubulovesikel
gleichsam für ihre Sekretabgabe rekrutiert, indem sie zur äußeren Zellmembran
wandern, darin eingebaut werden und so die Oberfläche der apikalen Membran
fünf- bis zehnfach vergrößern.
Durch diesen Einbau erhalten die vesikulären Protonenpumpen Zugang zur
Drüsenoberfläche, während die H+/K+-ATPase in den Tubulovesikeln nicht in
Kontakt mit dem extrazellulären K+-Nachschub treten kann und somit abgeschaltet
ist. Gleichzeitig nimmt die Durchlässigkeit der Zelle für K+- und Cl--Ionen stark zu.
Dies ist sinnvoll, weil die Sekretion von H+ immer gekoppelt ist an die Aufnahme
von K+. Gleichzeitig entsteht in der Zelle für jedes Proton ein OH-, das in der Zelle
durch die Carboanhydrase in HCO3- umgewandelt und anschließend über den
Cl-/HCO3--Austauscher an der basalen Zellseite ausgeschleust wird. Das
aufgenommene Cl- wird zusammen mit dem Proton als Salzsäure sezerniert. Die
morphologischen Veränderungen der Belegzellen sind reversibel.
Protonenpumpenhemmer
Die pharmakologische Hemmung der H+/K+-ATPase hat seit Einführung der
Protonenpumpenhemmer vom Typ des Omeprazol große Bedeutung erlangt. Diese
Verbindungen weisen alle einen Benzimidazol-Rest auf, der über eine
Sulfoxidgruppe mit einer Pyridinseitenkette verbrückt ist, und sind daher schwach
basisch sowie säurelabil. Die Arzneistoffe müssen deshalb magensaftresistent
verkapselt werden, um nicht bereits vor der Resorption durch die Magensäure
aktiviert zu werden und dann an andere als die Zielstruktur zu binden.
Nach Resorption im Darm erreichen die Verbindungen auf dem Blutweg die
Belegzellen, werden von diesen aufgenommen und können so durch Diffusion in die
weit verzweigten Canaliculi gelangen. Im dortigen sauren Mikromilieu erfolgt dann
die Protonierung und Bioaktivierung zu den wirksamen Sulfensäuren. Diese
Reaktion ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt bei der Inhibition der
H+/K+-ATPase.
Da alle Benzimidazole einen pKa-Wert von 4 aufweisen, kumulieren sie in sauren
Kompartimenten mit einem pH-Wert unter 4. In den Canaliculi der Belegzellen
beträgt der pH-Wert 1, so daß sich die protonierten Benzimidazole dort etwa
1000fach anreichern. Die Sulfensäuren binden irreversibel an Cysteinmoleküle der
extrazellulär gelegenen Anteile der alpha-Untereinheit der Protonenpumpe und
blockieren so das Enzym. Sterische Untersuchungen haben den Ort der Bindung
zwischen den Transmembranhelices 5 und 6 der alpha-Untereinheit lokalisiert.
Hierbei scheinen alle Benzimidazole mit den Aminosäuren Cys 813 und 822 zu
reagieren, weitere Bindungsstellen sind substanzspezifisch. Die Spezifität der
Arzneistoffe resultiert somit aus der zellspezifischen Verteilung der Protonenpumpe
in den Belegzellen, der pH-abhängigen Bioaktivierung der Benzimidazole und der
Konzentrierung in den Zellcanaliculi durch Protonierung der basischen
Pyridinseitenkette.
Die H+/K+-ATPase-Blocker haben sich als sehr wirksam erwiesen, weil sie erst
spät in die biochemische Kaskade der zellulären Säureproduktion eingreifen, wo die
verschiedenen zellulären Reaktionswege zusammenlaufen. Im Gegensatz zu den
H2-Blockern wird nicht nur ein einzelner biochemischer Weg blockiert, sondern
simultan alle Mechanismen der Säuresekretion.
Drüsentypen des Magens
Die besprochenen Zelltypen sind in den Magendrüsen nicht gleichmäßig verteilt.
Auch variiert die Drüsenform je nach Magenabschnitt. Drei Typen werden
unterschieden: Cardiadrüsen, Fundus- und Korpusdrüsen sowie Pylorusdrüsen. Alle
beginnen am Grunde der Foveolae gastricae, der Magengrübchen. Der Übergang
der Drüsenmündungen in eine Foveola wird auch als Isthmus bezeichnet, dem sich
direkt nach unten der Drüsenhals anschließt. Pro Quadratmillimeter
Schleimhautoberfläche münden etwa 100 Drüsenöffnungen.
Magenmotorik und ihre Aufgaben
Anders als im übrigen Verdauungstrakt findet man in der Muskelwand des Magens
statt zwei Muskelschichten drei verschiedene Muskelfasersysteme. Die äußere
Längs- und die mittlere Ringmuskulatur werden von einer innen liegenden Schicht
aus schräg verlaufenden Muskelfasern begleitet. Verbindende Faserzüge lassen die
Schichten zu einer Einheit werden. Die schrägen Fasern bedecken lediglich einen
Teil der Magenwand und lassen kleine Kurvatur und Pars pylorica frei, so daß sie
im wesentlichen die Magenstraße vom restlichen Magensack abteilen. Die
Magenmotorik hat zwei Hauptaufgaben. Sie dient der Bildung eines Reservoirs für
die aufgenommene Nahrung und vermischt, zerkleinert und transportiert
Nahrungsbrei.
Die Funktion eines Reservoirs kann der Magen sehr leicht erfüllen: Auch bei
zunehmender Füllung steigt der Druck im Magen durch weitere Erschlaffung der
Muskulatur nicht an. Die isotonische, adaptive Relaxation der proximalen
Magenhälfte wird über Dehnungsrezeptoren eingeleitet und über vago-vagale
Reflexe vermittelt. Stickoxid und Vasoactive-Inhibitory-Peptide (VIP) sind als
Transmitter beteiligt. Der proximale Magenanteil (Fundus) besitzt kein
Schrittmacherzentrum und zeigt keine rhythmische elektrische Aktivität, sondern nur
langsame tonische Kontraktionen von 1- bis 3minütiger Dauer.
Intestinum tenue, der Dünndarm
Nach Passage des Magens tritt der Chymus (Speisebrei) in den Dünndarm über,
der sich an den Pylorus anschließt und an der Dickdarmklappe (Valva ileocaecalis,
Bauhinsche Klappe; benannt nach Caspar Bauhin, Anatom und Botaniker in Basel,
1560 bis 1624) in das Caecum (Blinddarm) übergeht. Der Dünndarm gliedert sich in
folgende Abschnitte: Duodenum (Zwölffingerdarm), Jejunum (Leerdarm) und Ileum
(Krummdarm).
Das Duodenum reicht vom Pylorus bis zur Flexura duodenojejunalis in Höhe des
ersten bis zweiten Lendenwirbels und umfaßt in seinem Verlauf mehr oder minder
halbbogenförmig den Kopf des Pankreas.
Während der Beginn des Duodenums, die Pars superior, noch intraperitoneal liegt,
sind alle übrigen Anteile hinter dem Bauchfell gelegen (retroperitoneal). Erst beim
Übergang in das Jejunum an der Flexura duodenojejunalis verläuft das Duodenum
erneut intraperitoneal. Es nimmt die Galle der Leber und das Sekret der
Bauchspeicheldrüse (Pankreas) auf.
Da der Darminhalt das körpereigene Gewebe ständig mit körperfremdem
immunogenen Material in Kontakt bringt, ist die körpereigene Abwehr entlang der
Wand des Dünndarms gut ausgebildet. Lymphfollikel bilden die Zentren der
B-Lymphozytenproliferation und sind von T-Lymphozytenclustern sowie
antigenpräsentierenden Zellen umgeben. Entweder treten die Lymphfollikel einzeln
auf, was in unterschiedlichem Umfang im gesamten Dünndarm der Fall ist (Nodi
lymphatici solitarii), oder sie kommen in dicht gepackter Ansammlung als sogenannte
aggregierte Lymphfollikel (Nodi lymphatici aggregati) vor. Letztere werden auch als
Peyersche Plaques bezeichnet (Johann Conrad Peyer, Arzt in Schaffhausen, 1653
bis 1712). Sie kennzeichnen das Ileum, in dem sie massiert auftreten, und zwar
immer an der dem Mesenterium abgewandten Seite.
Die Zellen des Darmepithels sind untereinander durch dichte Zellhaften (Zonulae
occludentes) verbunden, die einen parazellulären Stofftransport an der Zelle vorbei
verhindern. In der Regel müssen daher alle Verbindungen bei der Resorption durch
die Epithelzellen hindurchgelangen, also transzellulär transportiert werden. An der
basalen Seite der Zelle werden die resorbierten Verbindungen dann durch
gefensterte Blutkapillaren aufgenommen, die ein dichtes Netz unterhalb der
Epithelzellschicht bilden.
Die Kapillaren sammeln sich und verlassen als zentrale Zottenvene dann die Zotte,
um schließlich die Nährstoffe der Pfortader zuzuleiten. Fette gelangen über die in die
Zotte hineinragenden, blind endenden Lymphgefäße, die axial angeordneten
Chylusgefäße, in die Lymphbahn. Das Wechselspiel zwischen dem in das
Zottenkapillarnetz einströmenden Blut und der Kontraktion glatter Muskelzellen im
Zottenbindegewebe bewirkt eine Zottenbewegung, die zu einem Ausmelken der
Lymphe in tiefere Strombahnen führt. Der Gesamtstrom der Lymphe wird im Ductus
thoracicus (Brustmilchgang) gesammelt und schließlich in den linken Venenwinkel
geleitet, der von V. subclavia und V. jugularis interna gebildet wird.
Intestinum crassum, der Dickdarm
Das terminale Ileum tritt an der Valva ilieocaecalis in den proximalen Dickdarm, das
Caecum (Blinddarm), ein. Der 1 bis 1,5 Meter lange Dickdarm gliedert sich von
proximal nach distal in folgende Anteile:
Bereits bei der flüchtigen Ansicht unterscheidet sich der Dickdarm deutlich vom
Dünndarm. Die beim Dünndarm geschlossene Längsmuskelschicht ist beim
Dickdarm unterbrochen und beschränkt auf drei Längsmuskelzüge, die als Tänien
bezeichnet werden. Eine davon, die Taenia libera, ist bei geöffnetem Bauchraum
unschwer sichtbar. Die beiden anderen, die Taenia mesocolica und die Taenia
omentalis, sind der Verwachsungsfläche des Dickdarmes mit der hinteren
Bauchwand zugewandt oder im Bereich des Quercolons mit dem Mesocolon oder
dem großen Netz verbunden. Alle drei Taenien vereinigen sich wieder an der
Appendix vermiformis zu einer geschlossenen Längsmuskelschicht. Da gleichzeitig
der Dickdarm in allen Wandschichten halbmondförmige Falten aufwirft, die
sogenannten Plicae semilunaris, treten zwischen den längsverlaufenden Taenien in
regelmäßigen Abständen halbkugelförmige Ausbuchtungen, die Haustren (haustrum,
lat. Schöpfeimer), auf. Typisch sind ferner Anhangsgebilde aus Fettgewebe an den
Taenien, die als Appendices epiploicae bezeichnet werden.
Vom Säulen- zum Plattenepithel
Die Schleimhaut des Dickdarmes unterscheidet sich wesentlich von der
Dünndarmschleimhaut, da die Zotten fehlen und die Oberfläche lediglich von den
sehr dicht stehenden Krypten gebildet wird. Das Epithel setzt sich zusammen aus
Enterozyten, die mit einem deutlichen Bürstensaum ausgestattet sind und zur
Resorption sowie Ionenaustauschprozessen befähigt sind. In gewissem Umfang
können diese Zellen auch ein schleimähnliches, IgA-Antikörper enthaltendes Sekret
abgeben.
Erst im Analkanal endet das typische Säulenepithel des Darmes und geht abrupt in
Plattenepithel der Haut über. Diese Linea anocutanea liegt etwas distal der Grenze,
die sich aus der embryonalen Herkunft des Analkanals erklärt; dessen obere zwei
Drittel haben sich aus dem inneren Keimblatt (Entoderm) gebildet, gehören also dem
Darm an, während das untere Drittel aus der embryonalen Analgrube stammt und
damit dem äußeren Keimblatt, dem Ektoderm, zugehört.
Klinisch relevant ist auch die Innervation dieser Bereiche des Analkanals. Da das
untere Drittel durch Äste (Rami rectales inferior) des N. pudendus innerviert wird,
also sensible Innervation aus den Spinalnerven erhält und damit äußerst
schmerzempfindlich ist, werden die oberen zwei Drittel autonom innerviert und sind
daher kaum schmerzempfindlich. Daher sind pathologische Veränderungen im
unteren Drittel des Analkanals immer ausgesprochen schmerzhaft, seien es nun
Analfissuren oder ein Rektumkarzinom. Demgegenüber kann ein Rektumkarzinom
im oberen Bereich schmerzlos bleiben.
PZ-Titelbeitrag von Thomas Beck, Rostock
© 1997 GOVI-Verlag
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