Titel
VWeihrauchextrakt wurde Anfang des Jahres in einer Fernsehsendung vor
allem zur Anwendung bei Rheuma propagiert. Seither wird in den Apotheken
häufig danach gefragt. Viele Ärzte werden von ihren Patienten gedrängt, ein
Arzneimittel mit Weihrauchextrakt zu verordnen. Die Droge entstammt der
traditionellen indischen Ayurveda-Medizin, in der westlichen Medizin ist
darüber nur wenig bekannt. Der Arbeitskreis von Professor Dr. Hermann P. T.
Ammon, Tübingen, beschäftigt sich mit der Pharmakologie ayurvedischer
Arzneimittel.
Fertigpräparate mit Weihrauchextrakt werden im schweizerischen Kanton
Appenzell-Außerrhoden (H15 Ayurmedica) sowie offenbar in Indien (Sallaki) in
Verkehr gebracht. Die AMK hat bereits darüber informiert, daß der Import des
Weihrauchpräparates H15 Ayurmedica aus der Schweiz nach § 73 Absatz 3 AMG
von den Überwachungsbehörden für unzulässig erachtet wird, weil das Präparat nur für
den Verkehr in einem Kanton, nicht aber in der gesamten Schweiz zugelassen ist.
Ebenso unzulässig ist der Import von H15 Ayurmedica aus Indien, da dies für den
Export nach Deutschland bereits in Indien mit deutscher Kennzeichnung versehen wird
und in dieser Form im Herkunftsland nicht verkehrsfähig ist. Wenn eine ärztliche
Verordnung über ein Weihrauchpräparat vorgelegt wird, sollte die Apotheke wegen
des Imports Rücksprache mit der zuständigen Überwachungsbehörde halten.
Das Weihrauchharz und verschiedene daraus erthaltene Extrakte besitzen
pharmakologisch relevante biologische Wirkungen. Im Vordergrund der gesicherten
Effekte steht die in vitro und in vivo beobachtete Hemmung der Biosynthese von
entzündungsfördernd und bronchospastisch wirkenden Leukotrienen durch die
Boswelliasäuren, und zwar mit einem bisher einmaligen Mechanismus. Die Hemmung
der Leukotrienbiosynthese stellt möglicherweise den Weg dar, auf dem mit dem Harz,
den Extrakten oder den Boswelliasäuren therapeutisch in die pathophysiologischen
Vorgänge chronisch-entzündlicher oder allergischer Erkrankungen eingegriffen werden
kann. Ermutigende Hinweise auf die Wirksamkeit lieferten klinische Heilversuche bei
rheumatisch-entzündlichen Gelenkerkrankungen, Colitis ulcerosa und Tumor-induzierten
zentralen Ödemen.
Mit circa 10- bis 20fach höherer Konzentration an Boswelliasäuren als für die
Hemmung der Leukotrienbiosynthese benötigt wird, lassen sich in vitro auch weitere
Enzymaktivitäten hemmen, zum Beispiel die Leukocytenelastase und die
Topoisomerase-I-Aktivität. Die Hemmung von Serinproteasen könnte synergistisch
zum antiphlogistischen Effekt von Boswelliasäuren beitragen, die
Topoisomerase-Hemmung antineoplastisch wirken. Ob diese höheren Konzentrationen
an freien Boswelliasäuren systemisch tatsächlich erreicht werden können, ist nicht
untersucht.
Das Weihrauchharz enthält mit den Boswelliasäuren akut untoxische, relativ inerte,
jedoch pharmakologisch höchst interessante Verbindungen mit guter Bioverfügbarkeit
und einer Reihe von biologischen Wirkungen: als standardisierte Präparate oder nach
gezielter chemischer Optimierung könnten diese die Grundlage für neue Pharmaka
darstellen. Da jedoch zur Zeit das Nebenwirkungspotential der Boswelliasäuren nur
unzureichend bekannt ist und der Gehalt additiv, synergistisch und antagonistisch
wirkender pentacyclischer Triterpene in den verschiedenen Zubereitungen durchaus
variiert, ist von der freizügigen Abgabe auch des Rohharzes abzuraten. Eine
Anwendung ist nur unter ärztlicher Kontrolle mit klarer Indikationsstellung angezeigt.
PZ-Titelbeitrag von Hasan Safayhi und Hermann P. T. Ammon, Tübingen
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