Titel
Der Apotheker, Dichter und bedeutende Romancier Theodor Fontane
(1819 bis 1898) erlebte auch in der Pharmaziegeschichte eine vielfache
Würdigung. Unerwähnt blieb dabei indessen, daß Fontane ein
widersprüchliches Verhältnis zur Pharmazie hatte.
Bereits Theodor Fontanes Vater Louis Henri Fontane (1796 bis 1867) war
Apotheker und begann seine Lehrzeit 1809 in der Elephanten-Apotheke Berlin.
1818 bestand er das Apothekerexamen 2. Klasse, das ihn nur zur Leitung von
Apotheken in kleineren Orten berechtigte. In der Löwen-Apotheke in Neuruppin,
die er erwarb, wurde Theodor Fontane am 30. Dezember 1819 geboren.
Spielschulden zwangen den Vater 1826, die Neuruppiner Apotheke wieder zu
verkaufen. 1827 siedelte die Familie nach Swinemünde über, wo Theodor Fontane
glückliche Kinderjahre verlebte. Henri Louis Fontane erwarb 1838 die Apotheke in
Letschin im Oderbruch, in der Theodor Fontane später als Defektar und als
Rezeptar wirkte.
Theodor Fontane begann Ostern 1836 seine Lehrzeit in der "Apotheke zum
Schwan" bei Wilhelm Rose, Sproß einer berühmten Berliner Apothekerfamilie.
Nach dem 1840 bestandenem Gehilfenexamen arbeitete Fontane als Gehilfe in
Burg, Leipzig, Dresden und Berlin. In der dortigen "Polnischen Apotheke" arbeitete
er zusammen mit dem späteren Rostocker Apotheker und Pepton-Hersteller
Friedrich Witte (1829 bis 1893), mit dem ihn ein freundschaftliches Verhältnis
verband.
In Berlin bestand Fontane 1847 sein Examen als Apotheker 1. Klasse. In den
folgenden Jahren war er auf der Suche nach einer geeigneten Apotheke. Da ihm
jedoch die Mittel fehlten, war er froh, 1848 eine Stelle in der Dispensairanstalt des
Diakonissenkrankenhauses Bethanien in Berlin-Kreuzberg zu erhalten. Neben der
Leitung dieser Krankenhausapotheke war es hier seine Aufgabe, "die dazu
bestimmten Schwestern zu Apothekerinnen auszubilden". Fontane schildert in seiner
Autobiographie seinen Unterricht, den er den beiden Schwestern erteilte.
1849 - nachdem die Stelle ausgelaufen war - gelangte Fontane nach ernstlichem
Erwägen zu dem Schluß, den Apothekerberuf aufzugeben. Fontane, der sich nun
ganz der Schriftstellerei widmete, stand dem Apothekerberuf distanziert gegenüber,
wobei die Angst, so zu enden wie der Vater, wohl den Ausschlag dafür gab.
Möglicherweise blieb deshalb ein 1879 begonnener Roman "Allerlei Glück", in dem
ein ehemaliger Apotheker im Mittelpunkt stehen sollte, Fragment. Freilich hinderten
begrenzte ökonomische Verhältnisse Fontane auch daran, dieses als großen
Gesellschaftsroman skizzierte Werk fertigzustellen, da er keinen Verleger fand, der
ihm dafür einen Vorschuß gewähren wollte.
Während viele seiner für den Roman entworfenen skizzenhaften Personen- oder
Milieubeschreibungen später in andere Werke einflossen, vermied er es wohl
bewußt, pharmazeutische Passagen aus dem Fragment in andere Romane einfließen
zu lassen. Eine Wende in seinem Verhältnis zur Pharmazie trat 1892 ein, als Fontane
schwer erkrankte. Sein behandelnder Arzt riet ihm dringend, wieder zu schreiben,
und falls es mit Romanen schwierig sei, seine Lebensgeschichte zu verfassen. In nur
kurzer Zeit entstand Fontanes autobiographisches Buch "Meine Kinderjahre", in
dem Fontane seinem Vater ein bleibendes Denkmal setzte.
Während er 1849 diesem noch Egoismus vorgeworfen hatte, sah der nunmehr über
70jährige Dichter seinen Vater in einem milderen Licht. Fast überschwenglich
bekannte Fontane, wieviel er und seine Erzählweise dem Vater verdankten. Auch
Apotheker Gieshübler aus dem Roman "Effi Briest" trägt Züge des Vaters, diese
fontanische Gestalt zählt nach Urdang zu den sympathischsten und doch
lebenswahrsten Standesvertretern, die jemals von Dichterhand geschaffen wurden.
Der von Fontane über seinen Vater geäußerte Satz: "Wie er zuletzt war, so war er
eigentlich", gilt letztendlich auch für Fontanes Verhältnis zur Pharmazie. Trotz
mancher Versuche, Distanz zur Pharmazie zu wahren, die aber wohl mit dem
Ausbruch aus dem Schicksalsmuster des Vaters zusammenhingen, blieb Fontane
innerlich der Pharmazie immer verbunden, was auch viele Eigenschaften wie sein
hohes Arbeitsethos, Ordnungsliebe, Sauberkeit und Fleiß bezeugen. Im Unterschied
zu manchem Apotheker des 19. Jahrhunderts und mancher literarischen
Apothekergestalt war Fontanes Streben nach Höherem indessen von Erfolg
gekrönt.
PZ-Titelbeitrag von Christoph Friedrich, Greifswald
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