Gesundheitswesen in Kanada: zweigeteilt undfacettenreich |
01.09.1997 00:00 Uhr |
Titel
1984 wurde die bisherige Gesundheitsgesetzgebung für die stationäre und ambulante
Versorgung im Canada Health Act zusammengefaßt. Zusätzlich zu den fünf Prinzipien
wurde nun jede Art der Selbstbeteiligung an den Gesundheitskosten für Leistungen der
obligatorischen Krankenversicherung unterbunden.
Dennoch müssen die kanadischen Bürger außerhalb der obligatorischen
Krankenversicherung (vor allem bei Arzneimitteln außerhalb der stationären
Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung Erwachsener und bei Brillen) knapp ein
Viertel ihrer Gesundheitskosten selbst finanzieren. Der staatliche Anteil betrug über die
vergangenen zwei Jahrzehnte nahezu gleichbleibend rund 70 Prozent (1970: 70,2
Prozent; 1992: 70,1 Prozent). Dritter und kleinster Finanzier ist die private
Krankenversicherung mit einem Anteil von heute 5,1 Prozent (1992).
Das kanadische Gesundheitssystem wird heute fast ausschließlich über verschiedene
Bundes- und Provinzialsteuern finanziert. Dabei wird eine Kombination aus Erträgen
von Einkommens-, Umsatz und Vermögenssteuern angewandt. Rund 40 Prozent der
steuerfinanzierten Ausgaben für das kanadische Gesundheitssystem trägt heute die
Bundesregierung, den übrigen Teil die Provinzen und Territorien.
Die Mehrzahl der kanadischen Krankenhäuser (insgesamt 1993: 1.236 mit 171.700
Betten) ist in kommunaler oder gemeinnütziger Trägerschaft ohne
Gewinnerzielungsabsicht organisiert. Medizinische Labors sind in aller Regel
privatwirtschaftlich organisiert. Die kanadischen Ärzte (1993: 63.008) sind bis auf die
Zeit der Weiterbildung und bis auf das an den Hochschulen tätige medizinische
Lehrpersonal entweder als Hausärzte (General Practitioner; 1993: 29.361) in eigener
Praxis niedergelassen oder als Fachärzte (Consultants; 1993: 25.794) sowohl in eigener
Praxis ambulant als auch stationär an den Krankenhäusern tätig. Die Zahnärzte (1990:
14.394) sind durchweg auf privatwirtschaftlicher Ebene in eigener Praxis oder in
Gemeinschaftspraxen tätig. Pharmazeuten (1991: 17.296) gibt es einerseits in
niedergelassenen Apotheken, andererseits in den Krankenhäusern. Auch der gesamte
Bereich der physiotherapeutischen Leistungserbringung ist privatwirtschaftlich
organisiert.
Sowohl die General Practitioners als auch die Consultants erhalten für ihre ärztlichen
Leistungen eine Einzelleistungsvergütung auf der Grundlage von vertraglichen
Vereinbarungen mit der obligatorischen Krankenversicherung. Die Höhe der
Einzelleistungsvergütungen wird zwischen den Ärzteverbänden und der jeweiligen
Provinzialregierung ausgehandelt. Der Zugang zur spezialärztlichen ambulanten und
stationären Versorgung ist innerhalb des Sozialversicherungssystems nur über die
Erstinanspruchnahme des General Practitioners möglich: Er entscheidet über
erforderliche ambulante und/oder stationäre Weiterversorgung und damit die
Überweisung zu einem Spezialisten, die Einweisung in ein Krankenhaus, erforderliche
Laboruntersuchungen sowie die Arzneimittelversorgung.
Während 1970 noch 698 Millionen Kanadische Dollar oder 11,2 Prozent der
Gesundheitskosten für Arzneimittel ausgegeben wurden, beliefen sich die
entsprechenden Ausgaben 1993 bereits auf 10,9 Milliarden kanadische Dollar oder
15,1 Prozent. Dabei finanziert der Verbraucher mit rund 45 Prozent den weitaus
größten Teil dieser Kosten direkt, weitere 34 Prozent werden über private
Arzneimittelversicherungen gedeckt, und nur etwa 21 Prozent bezahlt die staatliche
Krankenversicherung. Parallel zum Anstieg der Arzneimittelausgaben stieg auch die
Zahl der tätigen Apotheker deutlich an; sie stieg innerhalb von elf Jahren um rund 23,5
Prozent (1980: 14.008; 1991: 17.296).
PZ-Titelbeitrag von Uwe K. Preusker, Köln
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