Titel
Deutschland hat beim Alkoholkonsum die unangenehme Spitzenposition
an andere abgetreten. Immerhin ist der Pro-Kopf-Konsum an reinem
Alkohol seit dem ersten vollständigen gesamtdeutschen Jahr 1991 um
beachtliche elf Prozent gesunken. Auf der anderen Seite häufen sich
Meldungen über steigende Erkrankungszahlen insbesondere bei Frauen für
Krebs im Rachenraum, die auf den Alkohol (und das Rauchen)
zurückgeführt werden.
Es geht beim Alkoholkonsum darum, die angenehmen Wirkungen durchaus maßvoll
zu nutzen, ohne die schädlichen Folgen in Kauf zu nehmen. Um das zu erreichen,
besteht angesichts der im folgenden beschriebenen Entwicklungen offensichtlich
noch ein erheblicher Handlungsbedarf.
Wieviel trinken die Bundesbürger?
Nach einem Verharren des Pro-Kopf-Verbrauchs bei der 12-Liter-Marke über 15
Jahre ist in den letzten Jahren offenbar ein Trend in die richtige Richtung in Gang
gekommen: Seit 1991 ist der Konsum von 12,2 Liter auf 10,9 Liter im Jahre 1997
gesunken - immerhin ein Rückgang um bemerkenswerte elf Prozent! Speziell beim
Spirituosenkonsum war sogar ein Rückgang um rund 19 Prozent, beim Weinkonsum
um fast 14 Prozent zu verzeichnen. Auf der anderen Seite erfreut sich Sekt weiterhin
leicht steigender Beliebtheit. Etwa die Hälfte des gesamten Alkohols wird als Bier
getrunken, jeweils etwa ein Viertel als Wein/Sekt und Spirituosen.
Wieviel trinken die Jugendlichen?
Von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wurden Jugendliche zu ihrem
Alkoholkonsum befragt und dabei erstmals in den alten und neuen Bundesländern
Zahlen für die Altersgruppe 12 bis 25 Jahre erhoben. Der Anteil derer, die
mindestens einmal pro Woche Bier, Spirituosen oder alkoholhaltige Mixgetränke
konsumieren, ist bei männlichen Jugendlichen erheblich höher als bei weiblichen.
Dies gilt nicht für Wein beziehungsweise Sekt, wo die Anteile, besonders in den
neuen Bundesländern, bei den weiblichen Jugendlichen höher sind. Deutliche
Ost-West-Unterschiede zeigen sich beim Bierkonsum, wo weibliche Jugendliche im
Westen deutlich mehr als im Osten trinken. Umgekehrt trinken im Osten mehr
Jugendliche als im Westen alkoholische Mixgetränke und männliche Jugendliche
mehr Spirituosen.
In einer Erhebung zum Gesundheitsverhalten von Jugendlichen in Bayern kommt zum
Ausdruck, daß mit zunehmendem Alter mehr Jugendliche Alkohol trinken.
Offensichtlich ist die Verfügbarkeit alkoholischer Getränke für Jugendliche kein
Problem, da ihnen nach eigenen Angaben das Angebot im Gasthaus, in der Disco,
im Supermarkt, bei Freunden oder aus dem häuslichen Vorrat zugänglich ist.
Bedenklich erscheint auch, auf welche Weise das "Genußmittel" Alkohol
zweckentfremdet wird: Bis zu 18 Prozent der regelmäßigen Konsumenten und bis zu
einem Drittel der Jugendlichen mit übermäßigem Konsum geben an, den Alkohol zur
(vermeintlichen) Problemlösung einzusetzen.
Wieviel trinken die Erwachsenen?
Nach der Repräsentativ-Erhebung des Bundesministeriums für Gesundheit/des
Instituts für Therapieforschung von 1995 an 7.800 Erwachsenen im Alter von 18 bis
59 Jahren gaben 16 Prozent der Männer und 28 Prozent der Frauen an, gar keinen
Alkohol zu trinken. Ein als gesundheitsschädlich einzustufender Konsum von mehr
als 40 Gramm reinem Alkohol pro Tag liegt bei weiteren 16 Prozent der Männer
vor. Dieser Grenzwert liegt bei Frauen mit 20 Gramm nur halb so hoch wie bei
Männern. 10 Prozent der Frauen überschreiten ihn. Mehr als 60 Prozent (Männer
68, Frauen 62 Prozent) sind als moderate Alkoholkonsumenten einzustufen, das
heißt, sie liegen in ihrem täglichen Konsum an reinem Alkohol unter 40 (Männer)
beziehungsweise 20 Gramm pro Tag (Frauen).
Wieviel trinken die Alkoholkonsumenten?
Werden die Trinkmengen nicht auf die gesamte Bevölkerung bezogen, sondern nur
auf die tatsächlichen Konsumenten der jeweiligen Getränkeart, findet man erheblich
höhere Werte: beispielsweise für Frauen insgesamt im Durchschnitt 3 Gramm reiner
Alkohol pro Tag aus Bier; bei Frauen, die überhaupt Bier trinken, sind es aber etwa
12 Gramm.
Alkoholkonsum weltweit
Der holländische "Produktschap voor Gedistilleerde Dranken" trägt jedes Jahr
Produktions- und Konsumzahlen für mehr als 50 Länder zusammen. Verzerrungen
der Konsumzahlen können durch Schmuggel, Grenzverkehr, zollfreie Verkäufe,
Touristenkonsum, Schwarzmarkt, Schwarzbrennerei und Hausproduktion auftreten.
Angeführt wird die Rangfolge von Luxemburg, Portugal und Frankreich mit mehr als
11 Litern reinem Alkohol pro Kopf und Jahr. Der Wert von Luxemburg ist
allerdings durch Grenzverkehr nach oben verzerrt. Deutschland liegt mit 10,7 auf
dem vierten Platz, gefolgt von der Tschechischen Republik und Dänemark mit 10
Litern.
Ein Problem bei internationalen Vergleichen des Pro-Kopf-Konsums an reinem
Alkohol sind die unterschiedlichen Alkoholgehalte von Bier, Wein/Sekt und
Spirituosen, die für die Umrechnung auf reinen Alkohol benutzt werden. Dadurch
kann die Einordnung in eine Rangfolge unterschiedlich ausfallen.
Gesundheitliche Folgen des Alkoholkonsums
Die Liste alkoholassoziierter Krankheiten, Unfälle und sonstiger körperlicher Folgen
ist bedenklich lang. Bisherige Schätzungen liegen bei etwa 40.000 alkoholbedingten
Todesfällen pro Jahr in Deutschland. Von der Deutschen Hauptstelle gegen die
Suchtgefahren werden 2,5 Millionen behandlungsbedürftige Alkoholiker genannt.
Für die Kosten alkoholassoziierter Krankheiten liegen gegenwärtig nur
unzureichende Angaben vor.
Gibt es eine schützende Wirkung moderaten Alkoholkonsums?
Bei den meisten Studien fand sich ein geringeres Gesamtmortalitätsrisiko für moderat
Trinkende im Vergleich zu Abstinenten und ein höheres Risiko für Personen mit
hohem Alkoholkonsum. Der protektive Effekt von moderatem Alkoholkonsum auf
Herzkrankheiten wird etwa zur Hälfte einer Erhöhung des HDL-Cholesterins im
Serum zugeschrieben. Weitere Erklärungsmöglichkeiten liegen in der Beeinflussung
der Blutgerinnung und der Thrombozytenaggregation sowie in der antioxidativen
Wirkung von Substanzen, die zum Beispiel in Rotwein enthalten sind. Unklar ist, ob
die Art des alkoholischen Getränks (Bier, Wein, Spirituosen) einen Einfluß hat und
welche Trinkmengen pro Tag oder pro Woche für Männer und Frauen
gegebenenfalls empfohlen werden sollten.
Einflußmöglichkeiten auf Konsum und Folgen
Trotz günstiger aktueller Trends ist das deutsche Konsumniveau im internationalen
Vergleich nach wie vor hoch; die gesundheitlichen Folgen sind erheblich. Dies
erfordert ein wirksames Präventionsprogramm zur weiteren Senkung des
Alkoholkonsums.
Die Palette der Möglichkeiten ist umfangreich: vermehrte Aufklärung über den
richtigen Umgang mit Alkohol, Verstärkung der konsummindernden Werbung zu
Lasten der konsumfördernden, weitere Modifizierung der geltenden
Promillegrenzen.
Ein Beschluß der 70. Gesundheitsministerkonferenz (GMK) am 20./21. November
1997 in Saarbrücken zum Aktionsplan Alkohol listet die Risiken durch
Alkoholkonsum detailliert auf und fordert Bund und Länder zu entsprechenden
Gegenmaßnahmen auf.
PZ-Titelbeitrag von Burckhard Junge, Berlin
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