Titel
Welchen Stellenwert hat Vitamin C heute für die Gesunderhaltung,
welchen in der kurativen Medizin? Derzeit konzentriert sich das Interesse
nicht auf das Antiskorbut-Vitamin, sondern seine Funktion als Antioxidans
und den Schutz vor Freien Radikalen.
Anfang der 70er Jahre entwickelte Linus Pauling eine Reihe von Thesen, die bis
heute heftig umstritten sind. Sie gaben den Startschuß zu intensiver Forschung und
begründeten den heutigen Stellenwert. Durch fehlende Biosynthese mangels
Enzymausstattung ist Ascorbinsäure für den Menschen und einige Tierarten ein
Vitamin und essentieller Nährstoff.
Vitamin C verfügt über eine breite Palette biologischer Wirkungen und ist das
wichtigste Antioxidans im Zytosol und Extrazellulärraum, dessen Potential vom
Vitamincharakter unabhängig ist. Seine oxidierte Form, die Dehydroascorbinsäure
(DHAA), ist potentiell toxisch für Zellen und Membranen und steht in Beziehung zu
organischen Funktionsstörungen und Neurotoxizität. Oxidativer Streß
beziehungsweise mangelnde Reduktasekapazität erhöht die DHAA-Konzentration.
Eine Reihe potenter Recycling-Mechanismen kontrollieren das Verhältnis von
Ascorbat und DHAA. Das Recycling zwischen Vitamin E und Vitamin C ist dabei
im Antioxidantienpool besonders wichtig.
Transport und Kinetik
Für die Zellakkumulation sind zwei spezifische Mechanismen wichtig: Die Verteilung
über Na+-abhängige Carrier sowie der Na+-unabhängige
Hexose-Transportmechanismus einschließlich des Glukosetransporters GLUT-1,
der auch exklusiv DHAA einschließt. Der Ascorbinsäuretransport kann metabolisch
aktiviert und gehemmt werden. Veränderungen der Transportkapazität sind wichtig
für das Immunsystem und an der Pathogenese verschiedener Krankheiten wie
Diabetes und Nierenversagen beteiligt.
Die Bioverfügbarkeit von Vitamin C ist dosisabhängig und nimmt mit steigenden
Dosen ab. Der Körperpool umfaßt etwa 1,5 g, der Plasma-C-Normalspiegel streut
breit zwischen etwa 30 und 103 µmol/l. Bei Gesunden beträgt der DHAA-Spiegel
zwischen 5 und 20 Prozent der gesamten Plasma-C-Konzentration. Das
Ascorbat/DHAA-Verhältnis bestimmt den Gesundheitszustand der Zelle. Je größer
der Wert des Quotienten, um so gesünder ist die Zelle. Neuere kinetische Studien
weisen 200 mg/Tag Vitamin C als optimale Dosis bei Gesunden aus.
Therapiesicherheit
Vitamin C hat fast keine Nebenwirkungen und ist auch in höheren Dosen gut
verträglich. Nebenwirkungen sind meist auf Magendruck und osmotische Diarrhöe
begrenzt. Ältere Berichte zu negativen Wirkungen auf den Vitamin-B12-Spiegel, die
Oxalat- und Harnsäureausscheidung und einen skorbutähnlichen Reboundeffekt bei
Absetzen höherer Dosen gehen auf Fehlinterpretationen zurück. Gleiches gilt für ein
prooxidatives Potential in Verbindung mit Eisen und ein mutagenes Verhalten.
Eine neuere Studie an Probanden zeigt allerdings einen Anstieg von 8-Oxoadenin
(8-OA) in der Lymphozyten-DNA, wogegen die 8-Oxoguanin-Werte (8-OG)
abfallen. Rückschlüsse auf ein mutagenes Potential sind jedoch rein spekulativ, da
die Studie keine nachprüfbaren Fakten enthält. Auffällig ist jedoch, daß in allen
Phasen (erst Placebo, dann Vitamin C) die Summe aus 8-OA und 8-OG relativ
konstant ist. Dies deutet auf eine Verschiebung der Oxidationsstelle hin, deren
Konsequenzen niemand bewerten kann.
Der Vitamin-C-Status wird durch Arzneistoffe wie Acetylsalicylsäure (ASS),
Barbiturate, Calcitonin, Corticosteroide, Estrogene/Gestagene und Tetracycline
negativ belastet. Es gibt aber auch positive Interaktionen: Auf die durch ASS
ausgelöste Dyspepsie und Schleimhautläsionen im Magen zeigten Dosen von
zweimal 1g/Tag Vitamin C einen signifikanten Schutzeffekt.
Klinisches Profil
Vitamin C zeigt bei Atherosklerose, KHK und damit vergesellschafteten
Krankheiten ein günstiges Wirkprofil. Es senkt Bluthochdruck und Hyperlipidämie,
verbessert die Endothelfunktion und reduziert das Infarktrisiko und die
KHK-Mortalität. Bei Diabetikern optimieren Supplemente die glykämische
Kontrolle und beugen Spätkomplikationen durch oxidativen Streß und glykosiliertes
Hämoglobin (HbA1c) vor. Vitamin C beeinflußt nachhaltig positiv die zelluläre und
humorale Immunantwort und könnte auch bei Virusinfekten wie HIV zur
intravenösen Adjuvanstherapie geeignet sein. Bei Krebs scheint ein
chemopräventives Potential vorzuliegen, insbesondere bei Lungen-, Magen- und
Brustkrebs. Die Wirksamkeit im Magen setzt völlige Eradikation von Heliobacter
voraus.
Der Nutzeffekt bei Erkältungskrankheiten ist zwar nicht generell bewiesen, aber
belegt bei spezifischen Bevölkerungsgruppen oder unter entsprechenden
Voraussetzungen wie niedriger Plasma-C-Spiegel. Vitamin C verbessert meßbar die
Lungenfunktion und reduziert progressive Asthmasymptome bei Erwachsenen.
Bei vorstehenden Erkrankungen ist eine Supplementierung klinisch von Nutzen, bei
Rauchern, Diabetikern und älteren Personen ein Muß. Therapeutisch effektive
Dosen liegen im Bereich von 500mg bis zu mehreren Gramm täglich, präventiv bei
100mg und höher. 200mg entsprechen pharmakokinetisch der optimalen
Tageszufuhr. Kombinationen von Vitamin C und E wirken effektiver auf
pathologische Zustände. Die kombinative Anwendung, auch zusammen mit anderen
Antioxidantien, scheint optimaler bei Kranken und präventiv günstiger bei Personen
mit mehreren Risikofaktoren.
PZ-Artikel von Gunter Metz, Blaubeuren
© 1997 GOVI-Verlag
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