Titel
Die Apoptose dient zur Beseitigung überflüssiger, gealterter oder
beschädigter Zellen. Die entstehenden Zelltrümmer werden durch
Makrophagen beseitigt. Eine Reihe von Krankheiten wie Aids, Morbus
Alzheimer, Herzinfarkt, Krebs oder Autoimmunkrankheiten sind mit einer
gestörten Apoptose assoziiert. Etwa 15 Pharmafirmen verfügen über
potentielle Medikamente zur Beeinflussung der Apoptose. Bisher ist noch
kein Medikament zugelassen, jedoch befinden sich mehrere der neuen
Substanzen bereits in der Phase 3 der klinischen Erprobung.
Zu Beginn der Apoptose werden im Zellkern Nukleasen wie DNase II und DNaseg
aktiviert, die die DNA in 180 bp lange Stücke fragmentieren. Das Zellstützgerüst
wird durch proteinspaltende Enzyme des ICE-Typs zerlegt. Die Apoptose wird
durch die Interaktion der beiden Proteine CD95 und CD95L initiiert. CD95 ist
membrangebunden, während CD95L membrangebunden und sezerniert vorkommt.
Weitere Proteine werden für den Signaltransfer zum Zellkern benötigt. Die
Apoptose wird besonders durch das bcl-2 Gen kontrolliert, welches die Apoptose
unterdrückt, und das Tumorsuppressorgen p53, das die Apoptose aktiviert.
Krebsbehandlung
In der Krebstherapie gibt es folgende Ansätze, die Apoptose zu beeinflussen:
- Die orale und topische Behandlung des cutanen T-Zell-Lymphoms mit
Tagretin®, das selektiv Retenoid-X-Rezeptoren aktiviert und die Zellteilung
mehrere humaner Krebszellinien hemmt.
- Die Behandlung des Kaposi-Sarkoms, Nierenzellkarzinoms,
Non-Hodgkin-Lymphoms, multiplen Myeloms, Prostatakarzinoms,
Ovarialkarzinoms sowie der Psoriasis, proliferativer Vitreoretinopathie und
akuten promyelocytischen Leukämie mit Panretin®, einer 9-cis-Retinsäure,
die als endogenes Retinoid-Hormon vorkommt und die Apoptose aktiviert.
- Die Behandlung von Brust- und Prostatakrebs mit rekombinantem Maspin,
ein natürliches Protein mit tumorsuppressiver Wirkung, das durch Bindung an
Tumorzellen die Apoptose direkt auslöst, die Behandlung des
Zervixkarzinoms und Retinoblastoms durch Substanzen, die den Abbau des
Apoptose-fördernden Proteins p53 hemmen. Das verantwortliche humane
Papillomavirus induziert den Verdau des p53 Proteins durch intrazelluläre
Proteasen.
- Die Gentherapie zur Wiederherstellung des Tumorsuppressorgens p53. Bei
etwa 65 Prozent aller humanen Krebstypen, 75 Prozent der colorectalen
Karzinome und 30 bis 50 Prozent der hepatozellulären Tumore sowie bei
nahezu 100 Prozent der bisher untersuchten verschiedenen Metastasen ist das
p53 Gen defekt.
- Die Behandlung von therapieresistentem Krebs durch Aufhebung des
antiapoptotischen Zustandes. An der Resistenz ist der nukleäre
Transkriptionsfaktor NF-kB beteiligt. Künftige Strahlen- und
Chemotherapien sollen mit NF-kB-inhibierenden Substanzen kombiniert
werden.
Behandlungen bei Organtransplantation und Herzinfarkt
Der apoptotische Zelltod bei explantierten Organen wird durch die Perfusion
entnommener Organe mit der antiapoptotischen Substanz Elirex, das die Expression
des bak-Selbstmordgens blockiert, unterdrückt. Traumatische Einflüsse beim
Herzinfarkt führen zur Aktivierung des bak-Gens. Neben dem bak-Protein ist noch
das BBP-Protein beteiligt. Beide Proteine zusammen induzieren die Apoptose nach
einer Ischämie in Muskel- und Nervenzellen und nach Exposition mit toxischen
Medikamenten. Neue Substanzen hemmen die Interaktion zwischen dem
bak-Protein und BBP.
Behandlungen bei Aids, Chemo- und Radiotherapie
Die antiapoptotische Substanz Lexiren beeinflußt die Expression des
bak-Selbstmord-Gens und hemmt dadurch die übermäßige Apoptose, die bei
gastrointestinalen Dysfunktionen auftritt, zum Beispiel bei Aids-assoziierter Diarrhöe
oder als Folge der Chemo- und Radiotherapie.
Behandlung degenerative Erkrankungen und multipler Sklerose
Neuro- und kardiovaskuläre degenerative Erkrankungen wie Alzheimer Krankheit,
Chorea Huntington, Demenz, Schlaganfall und Schädel-Hirn-Trauma sind mit einer
übermäßigen Apoptose assoziiert. Neue Medikamente hemmen die intrazellulären
Proteine, die den Zelltod fördern, zum Beispiel die IEC/ced-4 Effektorenzyme, die
zu den Cystein-Proteasen gehören und mit den Interleukin-1b umwandelnden
Enzymen (ICE) eng verwandt sind.
Die Substanz MP4 soll die Apoptose bei denjenigen T-Zellen auslösen, die für die
autoreaktive Zerstörung und die Demyelinisierung der Myelinscheide verantwortlich
sind. MP4 ist ein rekombinantes Fusionsprotein aus mehreren Genabschnitten, die
für die autoantigenen Epitope der beiden verantwortlichen Proteine MBP und PLP
kodieren. Bei der murinen experimentellen autoimmunen Enzephalitis (EAE)
bewirkte die intravenöse Applikation von MP4 eine verminderte T-Zell-Antwort
gegen MBP und PLP, gefolgt von einem milderen Verlauf der EAE.
PZ-Titelbeitrag von Diethard Baron, Freising
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