Titel
Die Zahl der
Patienten mit systemischen Mykosen nimmt zu, einerseits
durch verbesserte Diagnostik, andererseits durch eine
wachsende Zahl von immunsupprimierten Krebspatienten und
Transplantatempfängern. Auch langdauernde Operationen,
eine Langzeit-Antibiotika- oder Corticosteroidtherapie
gelten als Risikofaktoren. In Deutschland muß man mit
etwa 50 000 Systemmykosen und rund 8000 Mykosetoten
jährlich rechnen. Davon haben 90 Prozent eine Candidose
und etwa 9 bis 10 Prozent eine Aspergillose. Vor allem
bei Aids-Kranken spielt auch die Cryptococcose eine
Rolle.
Viele Systemmykosen treten nur in regional begrenzten
Regionen auf, in denen der Erreger sein natürliches
Habitat hat. So tritt zum Beispiel Coccidioides immitis,
der Erreger der Coocidioidomykose, nur in bestimmten
semiariden Gebieten im Südwesten Nordamerikas auf. Im
Gegensatz zu dieser bei pathogenen Pilzen häufigen
räumlichen Begrenzung sind opportunistische Erreger oft
ubiquitär.
Systemmykosen durch opportunistische Erreger
Opportunistische Infektionen treten bei Patienten mit
geschwächtem Immunsystem auf. Die systemische
Pilzerkrankung zeigt sich in deutlichen Infektionszeichen
und wird als schwere Erkrankung erlebt. Jeder pathogene
Erreger hat auch eine opportunistische Komponente. Zu
diesen Mykosen gehören die systemische Candidose,
Aspergillose, Cryptococcose und Mucormykose.
Systemische Candidose: Sie wird
ausgelöst durch Candida-Spezies, die ubiquitär
vorkommen. Die disseminierte Candidose ist heute eine
wichtige nosokomiale Infektion. Die Diagnose wird über
Fieber unklarer Genese oder einen septischen Schock
gestellt. Häufig sind die Nieren beteiligt, mitunter
auch Myocard und Lungen, Gehirn, Leber und Milz. In 5
Prozent der Fälle kommt es zur Endophthalmitis. Therapie
der Wahl ist Amphotericin B. Fluconazol, das wie
Itraconazol und Ketoconazol eine sichere Indikation bei
der oropharyngealen Candidose bei Aids-Patienten hat,
zeigt eine primäre Resistenz bei C. krusei.
Aspergillose: Sie wird ausgelöst durch
Schimmelpilze der Gattung Aspergillus. Verschiedene
klinische Verlaufsformen sind zu beobachten wie
allergische bronchopulmonale Aspergillose, das
Aspergillom und die invasive Aspergillose. Bei der
allergischen bronchopulmonalen Form sind Corticosteroide
die Therapie der Wahl. Massive Aspergillome müssen
chirurgisch entfernt werden, bei kleineren symptomlosen
Formen ist die Therapie strittig. Die invasive
Aspergillose, die relativ häufig bei immunsupprimierten
Patienten auftritt und sehr gefürchtet ist, muß
dringend therapiert werden. Früher war Amphotericin B
das Mittel der Wahl, heute muß auch der Einsatz von
Breitspektrum-Antibiotika, Corticosteroiden und
Itraconazol bedacht werden.
Cryptococcose: Der Hefepilz Cryptococcus
neoformans kommt weltweit vor. Die pulmonale
Cryptococcose ist die häufigste Form, auch wenn sie
seltener diagnostiziert wird als die Meningoencephalitis.
In immunsupprimierten Patienten ist die pulmonale
Infektion meist der Ausgangspunkt für die
Disseminierung, die sich mit kutanen Symptomen und
destruktiven Knochendefekten durch langsam wachsende
Läsionen äußern kann. In der Regel bedürfen alle
Patienten einer antimykotischen Therapie. Bei der
pulmonalen Form werden immunsupprimierte Patienten mit
Amphotericin B intravenös über vier bis sechs Wochen
behandelt. Die Meningoencephalitis wird mit Amphotericin
B und Flucytosin behandelt.
Mucormykosen: Mucormykosen oder
Zygomykosen werden durch Schimmelpilze der Ordnung
Mucorales ausgelöst. Diese Pilze können rhinocerebrale,
pulmonale, gastrointestinale, kutane oder disseminierte
Infektionen auslösen. Vor allem bei Diabetikern und
Leukämie-Patienten werden lebensbedrohliche Verläufe
beobachtet. Die Erkrankung muß aggressiv und schnell
antimykotisch behandelt werden, meist mit Amphotericin B,
aber auch chirurgisch.
Systemmykosen durch fakultativ pathogene Pilze
Meistens verlaufen Infektionen mit pathogenen Pilzen
symptomlos oder mild, oft mit Grippe-ähnlichen
Symptomen. Inzwischen spielen die fakultativ pathogenen
Erreger auch bei immungeschwächten Personen eine
größere Rolle. So sind die Histoplasmose und die
Coccidioidomykose Aids-definierende Erkrankungen.
Infektionen mit Pilzen sind für immungeschwächte
Patienten lebensbedrohlich, sprechen auf eine
antimykotische Therapie nicht mehr an oder enden nach
zunächst erfolgreich scheinender Therapie doch letal. Zu
den Systemmykosen durch pathogene Pilze zählen die
Histoplasmose, die Para- und die Coccidioidomykose sowie
die Blastomykose.
Antimykotika
Polyene wie Amphotericin B oder Nystatin bilden direkt
mit dem Ergosterol der Pilzzellwand Komplexe; dadurch
verändert sich die Membranpermeabilität was letztlich
zum Zelltod führt. Außerdem scheint Amphotericin B die
Makrophagen-Stimulation zu unterstützen. Die hohe
Effektivität des Medikaments wird von zahlreichen
Nebenwirkungen begleitet. Liposomale Zubereitungen werden
eingesetzt zur Behandlung der Aspergillose, wenn
herkömmliches Amphotericin B nicht toleriert wird oder
wirkungslos bleibt. Liposomales Nystatin, das derzeit in
der klinischen Prüfung ist, soll bei immunsupprimierten
Patienten eingesetzt werden.
Azole wie Miconazol, Ketoconazol, Itraconazol und
Fluconazol greifen in die Biosynthese des Ergosterols in
der Pilzzellwand ein. Sie hemmen die
Cytochrom-P450abhängige 14-alpha-Demethylase, die
Lanosterol zu Fecosterol, einer Vorstufe des Ergosterol,
umwandelt.
Flucytosin wird intrazellulär durch die Cytosin-Permease
Fluorouracil, ein Zytostatikum, umgewandelt und anstelle
von Uracil in die RNA eingebaut. Dadurch wird die
Synthese von Aminosäuren unterbrochen. Aufgrund
zahlreicher Resistenzen wird Flucytosin fast
ausschließlich in Kombination mit Amphotericin B
eingesetzt.
PZ-Titel von Torsten Hoppe-Tichy, Heidelberg
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