Titel
Theophyllin wird seit
mehr als 50 Jahren in der Behandlung von mit Luftnot
einhergehenden Atemwegserkrankungen eingesetzt. Die für
Patient und Behandler spürbare klinische Wirkung von
Theophyllin äußert sich in einer Bronchodilatation. In
dieser Hinsicht ähnelt Theophyllin den
ß2-Adrenozeptoragonisten wie Terbutalin oder Fenoterol.
Die Wirkung setzt jedoch bei der oralen Verabreichung
verzögert ein und ist vergleichsweise weniger
ausgeprägt. Theophyllin wird entsprechend den
international abgestimmten Richtlinien bevorzugt bei
Patienten mit schwerem Asthma eingesetzt.
Dies ist dann der Fall, wenn sich die Krankheit
nicht durch höhere Dosen inhalierter Steroide und
inhalierte ß2-Adrenozeptoragonisten alleine
kontrollieren läßt. Eine Sonderstellung besitzt
Theophyllin zur Prophylaxe nächtlicher Asthmaanfälle,
aufgrund seiner längeren Wirkdauer. Auch bei chronisch
obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) wird die Therapie
mit Theophyllin geübt, obwohl überzeugende klinische
Wirksamkeitsstudien noch ausstehen.
Neuerdings wird eine zusätzliche entzündungshemmende
und immunmodulierende Wirkung von Theophyllin diskutiert.
Dies ist relevant, da die Pathophysiologie von Asthma wie
auch der chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung (COPD)
zunehmend als chronisch entzündliches Geschehen gesehen
wird. Interessant ist, daß offensichtlich niedrigere als
die bronchodilatierend wirkenden Dosen schon
entzündungshemmend und steroid-einsparend wirken sollen.
Streuende Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe, eine
geringe therapeutische Breite und eine Reihe von
Wechselwirkungen haben eine Verbesserung der Therapie
durch den Einsatz von Slow-Release-Formulierungen und
therapeutisches Drug-Monitoring erforderlich gemacht. In
diesem Bereich ist pharmazeutische Fürsorge verlangt, um
durch sorgfältige Medikamentenanamnese (bezüglich
Wechselwirkungen), Empfehlung und Handhabung der
optimalen Formulierung und gegebenenfalls therapeutisches
Drug-Monitoring mit Dosisanpassungen die Sicherheit und
den wirksamen Einsatz von Theophyllin für den Patienten
zu verbessern.
Zuvor genannte Probleme haben schon früh den Wunsch
aufkommen lassen, den Wirkmechanismus (oder besser die
Wirkmechanismen) von Theophyllin besser zu verstehen.
Ziel ist es, verwandte, selektivere Wirkmoleküle zu
finden, die eine größere therapeutische Breite
besitzen.
Unter einer Reihe von diskutierten Wirkmechanismen hat
sich mittlerweile eine unspezifische Hemmung aller Typen
der Phosphodiesterase (PDE) durch Theophyllin als der
wahrscheinlichste Angriffspunkt auf molekularer Ebene
herauskristallisiert. Unter den pharmakologisch
relevanten fünf PDE-Isotypen scheinen für die
Beeinflussung der Lungenfunktion insbesondere der PDE Typ
III hinsichtlich einer Bronchodilatation und der
PDE-Isotyp IV für die entzündungshemmende Wirkung von
Interesse zu sein. Ob selektive PDE Inhibitoren (Typ III
und/oder Typ IV) sich als therapeutischer Fortschritt
erweisen und der Therapie mit Theopyllin überlegen sind,
ist allerdings klinisch noch nicht bewiesen. Die
bisherigen Ergebnisse lassen vermuten, daß PDE IV
Inhibitoren ein entzündungshemmendes Potential
aufweisen. Bronchodilatierend wirken dagegen eine
Kombination von Typ III/IV Inhibitoren. Mehrere
kombinierte Inhibitoren (Typ III/IV; Zardaverin,
Benfentrin) sind entwickelt worden. Vorläufige
Ergebnisse weisen darauf hin, daß sie zumindest
bronchodilatierend wirken.
Eine der wichtigsten Überlegungen bei der Suche nach
selektiven PDE Inhibitoren (Typ III bzw. IV) ist die
Vermeidung beziehungsweise Verminderung von
unerwünschten Wirkungen (z.B. Erbrechen,
Herzkreislaufwirkungen). Im Falle von noch nicht
absehbaren unerwünschten Wirkungen mag die Inhalation
eine geeignete Applikation sein, die Verträglichkeit zu
verbessern.
Es läßt sich schlußfolgern, daß ein monoselektiver
PDE IV Inhibitor oder ein dualselektiver (Typ III/IV)
Inhibitor gegen PDE einen medizinischen Fortschritt in
der Behandlung von obstruktiven Atemwegserkrankungen
bieten könnte. Mehrere dieser Inhibitoren werden zur
Zeit für die Indikation Asthma entwickelt. Sie lassen
eine entzündungshemmende Wirkung erwarten. Daneben
werden sie möglicherweise moderat bronchodilatierend
wirken. Letzteres wirkt sich günstig auf die
Patienten-Compliance aus, da eine unmittelbare Wirkung zu
spüren ist. Hierzu werden klinische Prüfungen
durchgeführt. Aber erst Langzeitanwendungen können
zeigen, wie das volle Ausmaß der Entzündungshemmung
richtig einzuschätzen ist. Bis zur Verfügbarkeit von
selektiven PDE Inhibitoren mit günstigerem
Sicherheitsprofil und höherer Wirksamkeit wird
Theophyllin weiterhin zum therapeutischen Arsenal zur
Behandlung obstruktiver Atemwegserkrankungen gehören.
Selbst dieses seit langem eingeführte Arzneimittel
bietet neue Perspektiven hinsichtlich
Nutzen/Risiko-Abschätzung und breiterem Einsatz, wenn
sich niedrigere Dosen tatsächlich als
entzündungshemmend erweisen sollten.
PZ-Titel von Sabine H. Bodem, Karlstein
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