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Heparine, Heparinoide und Hirudoide bei Lungenembolie und Thrombosen

28.04.1997  00:00 Uhr

- Titel

  Govi-Verlag

Heparine, Heparinoide und Hirudoide bei Lungenembolie und Thrombosen

  Man schätzt, daß in Deutschland etwa 30 000 bis 40 000 Menschen pro Jahr an einer schweren Lungenembolie sterben. Etwa fünfmal so viele können zwar erfolgreich behandelt werden, doch läßt sich aus den hohen Behandlungskosten und der relativ hohen Inzidenz an Folgekomplikationen unschwer ableiten, daß nicht nur die Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe und -therapie, sondern auch die Durchführung einer rasch aussagekräftigen Diagnostik aus sozialmedizinischer und volkswirtschaftlicher Sicht dringend noch weiter vorangetrieben und optimiert werden müssen. Da in etwa 90 Prozent der Fälle die Emboliequellen in der unteren Hohlvene und den tiefen Oberschenkelvenen zu finden sind, darf eine Lungenembolie nicht als isoliertes Krankheitsbild gesehen werden.

Für Thromben im venösen Strombett ("weiße Thromben") ist charakteristisch, daß starke Störungen des Blutflusses und ein Überhandnehmen der prokoagulatorischen Faktoren im Plasma ihre Entstehung begünstigen, während die Intimaverletzung und Thrombozytenaggregation, wie sie für arterielle Thromben ("rote Thromben") typisch sind, nur von untergeordneter Bedeutung sind. Als besondere individuelle Risikofaktoren, die die Entstehung venöser Thrombosen begünstigen, gelten vor allem ein Alter über 40-50 Jahren, Häufigkeit in der Familienanamnese, Art und Dauer des chirurgischen Eingriffs, zugrundeliegende Erkrankungen, wie zum Beispiel Tumoren oder Autoimmunerkrankungen, das Vorhandensein zentralvenöser Katheter über längere Zeit, Gravidität und Zustand nach Entbindung und vor allem genetische Prädispositionen, wie das Faktor-V-Leiden. Die Akuttherapie einer Lungenembolie oder tiefen Beinvenenthrombose erfolgt risikoadaptiert und sieht als Mittel der Wahl eine hochdosierte kontinuierliche Infusion von Heparin vor. Um die therapeutisch angestrebte partielle Thromboplastinzeit möglichst bald zu erreichen, sollte die Heparindosierung körpergewichtsbezogen nach Raschke erfolgen.

Die größte therapeutische Bedeutung im Rahmen der Thromboseprophylaxe kommt derzeit dem Standardheparin (unfraktioniertes Heparin = UFH), den niedermolekularen Heparinen (LMWH), den Heparinoiden, dem Hirudin und den Vitamin-K-Antagonisten zu.

UFH ist chemisch und biologisch keine einheitliche Substanz, da es aus einem Gemisch von sulfatierten Mucopolysacchariden mit verschiedenen Kettenlängen besteht. Das mittlere durchschnittliche Molekulargewicht wird mit 15 kDa (Streubereich: 8-25 kDa) angegeben. Seine antithrombotische Wirkung beruht auf der Wechselwirkung mit Antithrombin III, wodurch dessen Komplexbildung mit den aktivierten Faktoren IIa und Xa um ein Vielfaches verstärkt wird. Die Dosierung von UFH im Rahmen der Thromboseprophylaxe erfolgt risikoadaptiert. Eine klinisch sehr wichtige Nebenwirkung des UFH besteht in der Senkung der Thrombozytenzahl. Während es bei der HIT Typ I zu einer relativ unproblematischen Senkung der Ausgangswerte um etwa 30% kommt, führt die HIT Typ II zu Werten unter 50% des Ausgangswerts und gefährlichen thromboembolischen Folgekomplikationen, da heparininduzierte Antikörper immunologisch eine disseminierte intravasale Koagulation auslösen können. Bei den Anzeichen einer HIT Typ II ist die Therapie mit UFH sofort abzubrechen und auf ein Heparinoid oder rekombinantes Hirudin umzustellen. Die LMWH gewinnen in der klinischen Praxis zunehmend gegenüber UFH an Bedeutung, da sie eine Reihe pharmakokinetischer und pharmakodynamischer Vorteile aufweisen. Die hohe absolute Bioverfügbarkeit nach s.c.-Gabe, die Aktivierung des tissue-factor-inhibitor-pathway (TFIP), die Möglichkeit der täglichen Einmalgabe, teilweise signifikant geringere Blutungskomplikationen, die geringere Inzidenz der HIT Typ II und das reduzierte Risiko einer Osteopenie stehen im Vergleich zum UFH dabei im Vordergrund. Da die handelsüblichen LMWH allerdings nach unterschiedlichen Verfahren aus UFH gewonnen werden, können generell die Erfahrungen, die mit einem LMWH gemacht wurden, nicht automatisch auf alle anderen Präparate übertragen werden. Mit besonderem Interesse wird derzeit beobachtet, inwieweit verschiedene LMWH-Präparate auch zur Thrombosetherapie, z.B. der tiefen Beinvenenthrombose, zugelassen werden, womit bei prädisponierten Patienten mit Verdacht auf eine tiefe Beinvenenthrombose bereits zu Hause ein Therapiebeginn möglich wäre und die Weiterführung der Therapie kostengünstig ambulant fortgeführt werden könnte. Unter den Heparinoiden spielt vor allem das Danaparoid im Falle einer HIT Typ II eine Rolle. Dasselbe gilt für das rekombinante Hirudin, das chemisch zu den Peptiden zählt und somit im Gegensatz zum Danaparoid auf keinen Fall zu einer immunologischen Kreuzreaktion mit heparininduzierten Antikörpern führen kann.

PZ-Titelbeitrag von Hans-Peter Lipp, Tübingen

Teil II dieses Beitrages stellt die oralen Antikoagulantien vor und erscheint in PZ 19.        

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