Zur Anatomie des Menschen: Leber und Galleim Wechselspiel |
30.03.1998 00:00 Uhr |
Titel
Aufgabe einiger Glykoproteine ist das Ausschleusen toxischer Substanzen aus den
Zellen; das MDR3-P-Glykoprotein sezerniert Phospholipide in die Galle und
gewährleistet so die Mizellenbildung; MDR1-P-Glykoprotein kann basische
Zytostatika aus der Zelle herauspumpen, wodurch es die unerwünschte Resistenz
gegen diese Stoffe fördert. Die kanalikulären Membranen sind unter anderem mit
Enzymen besetzt, deren Auftauchen im Serum oder der Gallenflüssigkeit eine
Cholestase anzeigt, da sie bei Stauung des Gallenabflusses von der Membran gelöst
werden.
Über den kanalikulären HCO3- /Cl--Antiporter erfolgt die Abgabe von
Carbonationen in die Galle, wo sie neben den Gallensäuren für den Aufbau des
osmotischen Drucks verantwortlich sind. Die Gallenflüssigkeit wird in Folge von
Kontraktionswellen, die über die Gallenkanälchen hinweglaufen, in die Gallengänge
der Leberlappen abgegeben. Vereint werden beide Gänge zum Ductus hepaticus
communis, der dann den Ausführgang der Gallenblase aufnimmt und als
Gallenausführgang (Ductus choledochus) ins Duodenum zieht. Kurz vorher stößt
auch der Bauchspeicheldrüsengang hinzu.
Die ringförmigen Schließmuskeln am Ende des Gallengangs steuern die Abgabe der
Gallenflüssigkeit in den Dünndarm, die Abgabe des Pankreassekrets. Außerdem
verhindern sie den Reflux des Dünndarminhalts. Am Gallenausgang stehen distal drei
Schließmuskeln dafür zur Verfügung: M. sphincter choledochi und M. sphincter oddi
können verschmelzen und stehen dem M. sphincter pancreatici gegenüber. Wie der
gesamte Magen-Darm-Trakt ist der Sphincter Oddi schichtenförmig aus der Tunica
mucosa und der Tunica muscularis aufgebaut. Drei extrinsische Systeme
kontrollieren die Sphinctere: vegetative sympathische und parasympathische Fasern,
lokale Reflexbögen und Hormone des Gastrointestinaltraktes (Cholezystokinin und
Motilin).
Aufbau und Funktion der Gallenblase
Die Gallenblase liegt als birnenförmiges Hohlorgan dicht bei der Leber, dem Darm
zugewandt vom Peritoneum bedeckt. Sie ist über den Ductus cysticus mit dem
Ductus hepaticus communis verbunden und bildet damit den Anfang des Ductus
choledochus. Sie gliedert sich in drei Teile: Hauptstück, blindes Endstück und Hals.
Der Wandaufbau ist vierschichtig: innen Tunica mucosa, einschichtiges Epithel mit
dichtem Bürstensaum; Tunica muscularis, vor allem scherengitterartig verzweigte
Muskelfasern; Tela subserosa, lockeres Bindegewebe mit Blut- und Lymphgefäßen
sowie Nervenfasern; außen Tunica serosa, Überzug mit Peritoneum. Die
Schleimhaut zeichnet sich durch viele Auffaltungen aus, die teilweise bis zur
Muskelschicht reichen, wo sie die Rokitansky-Aschoff-Krypten formen. Schleim
aus Drüsen, die bei chronischen Gallenblasenentzündungen in der Halsregion der
Gallenblase vermehrt auftreten, scheint eine Rolle bei der Entstehung von
Gallensteinen zu spielen. Die Blutversorgung der Gallenblase leistet die Arteria
cystica. Die vegetative Innervation der Gallenblase entstammt dem Plexus hepaticus;
Schmerzen in der rechten Schulterregion können auf zusätzliche sensible
Nervenfasern aus dem rechten Zwerchfellnerv zurückzuführen sein.
Die Funktion der Gallenblase besteht in der Konzentration der primären Galle aus
der Leber. Dies wird vom Epithel geleistet und bewirkt eine Erhöhung der Anteile
von Gallensäuren, Cholesterol und Phospholipiden an der nun grünbraunen
Blasengalle. Gerät das definierte Konzentrationsverhältnis dieser Komponenten aus
dem Gleichgewicht, kann die Entstehung von Gallensteinen die Folge sein.
Die Plasmaisotonie von Leber- und Blasengalle wird bei genanntem Prozeß durch
Ionentransportsysteme (apikal durch Na+/H+-Antiport und Cl-/HCO3--Austausch;
basolateral durch Na+/Cl--Symport) in den Membranen der Epithelzellen
gewährleistet.
Cholezystokinin übernimmt die hormonelle Steuerung sowohl der
Gallenblasenmuskulatur (Kontraktion nach fettreicher Nahrung) als auch des
Sphincter Oddi, dessen Erschlaffen zur Abgabe der hochkonzentrierten Galle in den
Dünndarm führt.
Biochemie der Gallensäuren
Gallensäuren sind neben Cholesterol, Proteinen, Pigmenten und Phopholipiden
Bestandteile der Galle. Sie entstehen durch enzymatische Hydroxylierung aus
Cholesterol, dessen Hauptausscheidungsform sie darstellen und sie zu einem
wesentlichen Faktor bei der Regulation des Cholesterolspiegels werden läßt. Dabei
werden die Säuren von der Leber als Säureamide, überwiegend in Form ihrer
Glycin- oder Taurinkonjugate, abgegeben. Aufgrund ihrer Amphiphilie können die
Gallensäuren als Detergentien fungieren und Gallen-Mizellen bilden, bei denen sie als
äußere Oberfläche einen Kern aus Cholesterol und Phospholipiden umgeben.
Diese Oberflächenaktivität verleiht den Gallensäuren aber auch eine potentielle
Toxizität. Die Eigenschaften der Lipiddoppelschicht von Zellmembranen und damit
von integrierten Enzymen und Carriern werden beeinflußt. Gallensäuren wirken wie
Ionophore, sie perforieren die Membranen und können somit Lysis und Zelltod
herbeiführen. Diese Membranschäden an Hepatozyten, weitaus häufiger durch
Arzneistoffe oder exogene Toxine hervorgerufen, und die folgende Störung der
Transportvorgänge werden als ursächlich für eine intrahepatische Cholestase
angesehen.
Je nach ihrer Stellung im enterohepatischen Kreislauf unterscheidet man zwischen
primären, direkt von der Leber synthetisierten, und sekundären Gallensäuren, die
durch bakterielle Dekonjugation und Reduktion aus ersteren entstehen. Eine
ausreichende Fettverdauung kann nur unter Rückresorption bereits in den Darm
abgegebener primärer Gallensäuren gewährleistet werden.
Regionale Stoffwechselunterschiede der Leberzellen
Das hohe Regenerationsvermögen des Lebergewebes basiert auf einem Anstieg der
Mitoserate der Hepatozyten bei Schädigung oder Resektion. Dies ist nur möglich,
weil alle Hepatozyten prinzipiell zu jeder Stoffwechselleistung befähigt sind.
Tatsächlich besitzen sie allerdings eine unterschiedliche, von der Lage in den
Leberläppchen abhängige, Enzymausstattung und damit heterogene metabolische
Funktionen.
Hintereinandergeschaltete Enzymsysteme in den Leberläppchen ermöglichen
funktionelle Kopplung, so zum Beispiel bei der Ammoniakentgiftung. Die normale
Kondensation mit Carbonat zu Harnstoff wird in der Peripherie katalysiert; bei einer
Azidose muß Ammoniak dagegen pH-unabhängig entgiftet werden, was von den
Hepatozyten an den Zentralvenen aufgrund ihrer hohen Glutaminasekonzentration
geleistet werden kann: Ammoniak wird hier in Glutamin überführt.
Toxische Schädigung der Leber
Die Leber reagiert auf Xenobiotika mit Zellnekrose, Cholestase oder Hepatitis, die
als normale physiologische Antworten auf eine Störung des Metabolismus zu
betrachten sind. Perivenöse Nekrose ist zum Beispiel Folge einer
Paracetamolvergiftung. Betroffen sind dabei nur die Leberzellen rings um die
Zentralvene des Läppchens. Der Bereich der Nekrose korreliert dabei mit der
Zone, in der das Enzym CYP2E1 besonders hohe Aktivität aufweist, welches für
die Umwandlung des Paracetamols in das zytotoxische
N-Acetyl-p-Benzochinonimin zuständig ist. Dieses ist verantwortlich für die
Konzentrationsabnahme des entgiftenden Glutathions, der die Bindung des
Chinonimins an Makromoleküle und damit die Nekrose folgt. Die Kombination von
Paracetamol mit Alkohol bewirkt eine Erhöhung der Toxizität durch die induzierende
Wirkung von Ethanol auf CYP2E1 und die sich anschließende Ausdehnung der
Nekrose auf die mittlere Zone 2. Die rasch voranschreitende Regeneration nach
einer Nekrose wird von den minder zerstörten Sinusoiden gefördert.
Eine Cholestase (Sistieren des intrahepatischen Gallenflusses ohne mechanische
Hinderung) kann auf verschiedene Angriffspunkte am Hepatozyten zurückzuführen
sein: basolaterale Membranfunktion, beeinträchtigte Gallensäureaufnahme;
kanalikuläre Membranfunktion, beeinträchtigte Gallensäureausschleusung; Störung
des Cytoskeletts, gehemmte Kontraktion der Gallenkanälchen; direkte Lösung der
interzellulären Haftkomplexe; Membranpermeabilität oder Transportproteine.
PZ-Titelbeitrag von Thomas Beck, Rostock
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