Titel
Heutzutage ist die
Kataraktoperation einer der häufigsten chirurgischen
Eingriffe in Industrieländern. Statistisch gesehen muß
sich in Mitteleuropa etwa jeder fünfte Siebzigjährige
dieser Operation unterziehen; allein in Deutschland sind
es jährlich 320 000 Operationen. Diese Behandlung ist
zwar nicht ganz frei von Risiken, liefert aber gute
Ergebnisse. Medikamentös ist eine Linsentrübung nicht
aufzuhalten oder zu bessern.
Die Linse gehört neben Hornhaut, Glaskörper
und Kammerwasser zu den lichtbrechenden Medien des Auges.
Dieser kristallklare bikonvexe Körper besteht zu etwa 35
Prozent aus Eiweiß, hat weder Blutgefäße noch Nerven
und wird vom Kammerwasser ernährt. Eine strukturlose
Basalmembran, die Linsenkapsel, trennt die Linse vom
Organismus. Mit zunehmendem Alter verliert sie an
Elastizität, und es kommt zur Alterssichtigkeit.
Krankheitsbilder, die mit einer Trübung der Linse
einhergehen, bezeichnet man als Grauen Star oder
Katarakt.
Formen des Grauen Stars
Beidseitige Totalstare des Neugeborenen können die Folge
einer Virusinfektion der Schwangeren im ersten Trimenon
sein, zum Beispiel mit Röteln, Cytomegalie, Masern und
Mumps. Weitere Ursachen für angeborenen oder früh
erworbenen Star können Diabetes oder Hypokalzämie der
Mutter, Röntgenbestrahlung oder konnatale Toxoplasmose
sein. Da ein stark ausgeprägter Grauer Star die
cerebrale Entwicklung verhindert, wird in der Regel so
früh wie möglich operiert. Unabhängig vom Alter
können auch linsenschädigende Einflüsse einen Star
auslösen. Dazu zählen beispielsweise
Stoffwechselstörungen wie Diabetes oder Galaktosämie,
Neurodermitis, (potentiell) kataraktogene Medikamente wie
Corticosteroide, Phenothiazinderivate, Tranquilizer,
Sedativa, orale Kontrazeptiva und einige
Chemotherapeutika, Vergiftungen, Metallfremdkörper im
Auge, Augenverletzungen, Strahlen sowie
Starkstromunfälle.
Die weitaus häufigste Form ist jedoch der Altersstar,
typischerweise als tiefer supranukleärer Rindenstar
jenseits des 45. Lebensjahres. Es kommt zu radiären
Wassereinlagerungen, lamellärer Zerklüftung und
Einlagerung zerfallener Linseneiweiße. Beim
oberflächlichen subkapsulären Rindenstar kommt es zur
Trübung der Hinterkapsel, die auf tiefere
Rindenschichten und oft auf den Kern übergreift. Beim
Kernstar verfärbt sich allmählich der Linsenkern braun.
Operation der Katarakt
Eine Operation wird in allgemeiner Narkose oder in
Lokalanästhesie (vorteilhaft für ältere Patienten),
oft auch ambulant, vorgenommen. Man unterscheidet zwei
Wege der Linsenextraktion. Bei der heute seltenen
intrakapsulären Operation wird die Linse samt Kapsel
entfernt. Zum optischen Ausgleich dienen eine Starbrille,
Kontaktlinsen oder heute meist eine Intraokularlinse. Bei
der extrakapsulären Extraktion wird der Linsenkern als
Ganzes aus dem Auge gepreßt; der restliche Teil der
vorderen Linsenkapsel und die Hinterkapsel bleiben im
Auge. Der Kapselsack wird mit einer viskoelastischen
Substanz stabilisiert. Häufig wird eine Intraokularlinse
eingesetzt. Möglich ist eine postoperative Eintrübung
der Hinterkapsel (Nachstar), die meist mit Laserstrahlen
behandelt wird.
Intraokularlinsen
In Industrieländern bekommen etwa neunzig Prozent der
Operierten eine Intraokularlinse, die die Brechkraft der
Linse ersetzen soll. Bei Kindern und jungen Menschen
bevorzugt man Kontaktlinsen. Vorderkammerlinsen liegen
vor der Iris und stützen sich im Kammerwinkel ab.
Wesentlich häufiger werden Hinterkammerlinsen verwendet,
die nach der extrakapsulären Extraktion mit Bügeln im
Kapselsack fixiert werden. Die Kunstlinsen bestehen aus
Polymethyl-methacrylat oder flexiblen Materialien wie
Hydrogel-Copolymeren. Immer häufiger werden faltbare
Linsen eingesetzt oder Memory-Linsen, die sich kurz nach
der Implantation entfalten.
Postoperative Arzneimitteltherapie
und Beratung
Postoperative Komplikationen sind heute selten. Zur
Vorbeugung von Infektion kann ein lokales Antibiotikum
gegeben werden. Corticoide und/oder
Prostaglandin-Synthesehemmer können überschießende
Entzündungsreaktionen verhindern. Betablocker,
Carboanhydrasehemmer oder Apraclonidin können eine
kurzfristige Steigerung des Augeninnendrucks verhindern.
Eine wichtige Aufgabe für den Apotheker ist es,
ratsuchende Kunden über den Unterschied zwischen Grauem
und Grünem Star aufzuklären und ihnen die Angst vor
einer Operation zu nehmen. Nach dem Eingriff muß der
Patient wissen, daß man am operierten Auge nicht
drücken oder reiben und in den ersten Tagen nicht lesen
darf, in den ersten Wochen die Augen nur mit klarem
Wasser ohne Seife oder Shampoo waschen darf und bei
vermehrter Lichtempfindlichkeit eine Sonnenbrille tragen
soll. Starke körperliche Anstrengungen sind zu meiden.
Klagt der Patient über starke Schmerzen, schlechteres
Sehvermögen, Schatten oder Lichtblitze, muß er sofort
zum Augenarzt gehen.
PZ-Titelbeitrag von Christiane von der Eltz, Frankfurt
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