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30.12.1996  00:00 Uhr

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  Govi-Verlag

Immunstimulantien: hilfreich oder gefährlich?

Das komplexe Netzwerk des Immunsystems, das aus verschiedenen Zellpopulationen und Botenstoffen besteht, hilft dem Menschen, sich gegen Viren, Bakterien und Parasiten zu wehren. Auch körpereigene Strukturen können erkannt und zerstört werden. Das ist nützlich, wenn infizierte oder entartete Zellen vernichtet werden müssen. Eine unpassende Aktivierung des Systems kann infektiöse Erkrankungen aber auch fördern oder Autoimmunkrankheiten begünstigen.

Unter dem Begriff des unspezifischen Immunsystems faßt man allgemeine Schutzmechanismen wie die Hautbarriere, lektinähnliche Substanzen, Komplementfaktoren, Lysozyme und zur Phagozytose fähige Zellen zusammen. Diese Zellen - Granulozyten, Makrophagen, Monozyten und natürliche Killer-(NK)-Zellen - gehören auch zum spezifischen Immunsystem. Bei diesem unterscheidet man eine humorale und eine zelluläre Komponente. Die wesentlichen Zellgruppen sind die antigenpräsentierenden Zellen (APZ), die B-Lymphozyten sowie die T-Lymphozyten und die NK-Zellen.

Die wichtigsten APZ sind dendritische Zellen, Monozyten und Makrophagen, aber auch Endothelzellen, B- und T-Lymphozyten. Klassische APZ zerlegen fremde Moleküle in ihrem Inneren und präsentieren sie dann mit Hilfe der Histokompatibilitätsmoleküle (MHC) den T-Zellen.

B-Lymphozyten produzieren Antikörper/Immunglobuline und vermitteln damit die humorale Immunität. Erkennt eine B-Zelle ein Antigen, so vermehrt sie sich rasant, um große Mengen ihres Antikörpers zu produzieren. T-Suppressorzellen kontrollieren diese B-Zell-Antwort.

T-Lymphozyten erkennen fremde Stukturen über einen Antigenrezeptor in der Zellmembran, allerdings nur, wenn das Antigen im richtigen "Präsentierteller" (MHC) von den APZ dargeboten wird (zelluläre Immunantwort). Man unterscheidet die zytotoxischen T-Zellen von den T-Helferzellen, die das Immunsystem entscheidend steuern und als Th1- und Th2-Zellen vorliegen. Die Th1- und Th2- Populationen beeinflussen sich gegenseitig über verschiedene Zytokine.

Unspezifische und spezifische Immunstimulantien

Seit vielen Jahren versuchen Wissenschaftler, das Immunsystem mit Immunstimulantien zu beeinflussen. Zu den unspezifischen Stimulantien zählen Mischungen von Substanzen wie Organ- und Organismenextrakte, Pflanzenextrakte und chemisch definierte Stoffe. Sie greifen an unterschiedlichen Stellen in das Netzwerk des Immunsystems ein; dadurch ist die klinische Wirkung kaum vorauszusagen und nur schwer standardisiert reproduzierbar.

Zu den spezifischen Immunstimulantien zählen Impfungen, Immunglobuline und Zytokine. Zytokine sind Peptide, die heute molekularbiologisch hergestellt werden und zum Beispiel bei Krebserkrankungen eingesetzt werden.

Tumornekrosefaktor, TNF

Das niedermolekulare Peptid TNF wird von Monozyten und Makrophagen produziert und kann im Tierversuch die Rückbildung von Tumoren anregen. TNF induziert die Proliferation von T-Lymphozyten und fördert die Zell-Lyse durch NK-Zellen. Außerdem löst es die Freisetzung einer Kaskade von Zytokinen aus. Das potente Immunstimulans kann lebensbedrohende Nebenwirkungen hervorrufen.

Interleukin-2, IL-2

Das Protein aus 133 Aminosäuren wird hauptsächlich von T-Zellen produziert und ist ein zentraler Regulator der Immunantwort. Es stimuliert Wachstum und Differenzierung von B-Zellen und steigert die zytotoxische Kapazität der NK-Zellen, wodurch manche Tumoren eliminiert werden können. Aber auch dieses Zytokin kann Nebenwirkungen von Grippe-ähnlichen Symptomen bis hin zum lebensbedrohenden Multiorganversagen auslösen.

Interleukin-12, IL-12

Interleukin-12 wird von B-Lymphozyten und anderen APZ nach Kontakt mit infektiösen Agentien freigesetzt. Es aktiviert vor allem die zellvermittelte Immunantwort durch NK-Zellen und Th1-Zellen; dagegen wird die Differenzierung von TH2-Zellen gebremst. Die Th1-Antwort ist wichtig im Kampf gegen intrazelluläre Erreger. Th1-Zellen sollen aber auch an der Entstehung von Autotimmunkrankheiten beteiligt sein. Eine Überstimulation mit IL-12 kann gefährliche Autoimmunphänomene bewirken.

Interferone, IFN

Interferone werden heute bei verschiedenen infektiösen und tumoralen Erkrankungen eingesetzt. Alpha-Interferone werden von Monozyten und Makrophagen, Fibroblasten und anderen Zellen nach Induktion durch Viren oder niedermolekulare Verbindungen produziert. IFN-beta wird hauptsächlich von Fibroblasten gebildet, IFN-gamma von T-, B- und NK-Zellen. Alle Interferone zeigen eine antivirale und antiparasitäre Aktivität und hemmen das Wachstum von Tumorzellen, aber auch von normalen hämatopoetischen Vorläuferzellen. Sie verstärken die Expression von MHC-Molekülen, wodurch das Immunsystem die Zellen besser erkennen kann. Andererseits werden aber auch Autoimmunphänomene verstärkt.

Die Beispiele zeigen das Dilemma beim Einsatz von spezifischen Immunstimulantien, die neben der gewünschten gezielten Immunmodulation auch negative Effekte hervorrufen können.

PZ-Titelbeitrag von Dr. Marc Azemar, Freiburg
   

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