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Emotionen

Tiere täuschen uns mit ihrem Pokerface

Munter, ängstlich, frustriert – Emotionen von Tieren zu lesen, kann schwierig sein. Und weil wir gern vermenschlichen, kommt es schnell zu Fehlinterpretationen. Das erschwert das Zusammenleben und kann ethische Fragen aufwerfen. Als guter Indikator für die tierische Gemütslage hat sich jedoch jetzt der Herzschlag erwiesen.
AutorKontaktJennifer Evans
Datum 01.07.2022  18:00 Uhr

Wie wohl fühlt sich ein Tier und was geht eigentlich gerade in seinem Kopf vor? Wer solche Fragen aus dem Bauch heraus beantwortet, kann schnell danebenliegen. Denn wir neigen dazu, tierische Gesichtsausdrücke und Verhaltensweisen zu vermenschlichen. Dadurch können Fehlinterpretationen entstehen. In der Vergangenheit haben sich schon viele Wissenschaftler damit beschäftigt, wie sie die Emotionen von Tieren besser verstehen können und dabei kontrovers diskutiert. Lange gingen sie davon aus, das periphere Nervensystem reagiere reflexartig auf Reize und die Tiere bewerteten ein Gefühl später nicht. In diesem Bereich hat sich jedoch viel getan.

Zum Beispiel hat sich herausgestellt, dass ein guter Zugang zu den Emotionen über die Herzfrequenz der Lebewesen gelingt. Genauer gesagt, wie sich der Herzschlag der Tiere in bestimmten Situationen verändert, gemessen in Schlägen pro Minute. Und dabei traten ein paar interessante Beobachtungen zutage.

Begegnen etwa Graugänse einem dominanten Gegner, sind sie emotional angespannter als bei einem gleichstarken Gegenüber. Denn sie fürchten, im Kampf gegen ihn verlieren zu könnten, berichtet die Verhaltensökologin Dr. Claudia Wascher von der Anglia Ruskin Universität, die sich mit Zoologie und Umweltbiologie beschäftigt. Dass es sich dabei um eine emotionale und keine physische Reaktion handelt, begründet sie damit, dass bei den Graugänsen allein die Beobachtung eines Kampfes ausreicht, um das Herz der Gänse schneller schlagen zu lassen. Noch bewegter zeigen sich Entenvögel, wenn eines ihrer Familienmitglieder in die aggressive Auseinandersetzung involviert ist. In der Psychologie heißt das Gefühlsansteckung.

Synchrone Gefühle

In derselben Art und Weise können Schimpansen sogar auf bloße Fotos ihrer Artgenossen reagieren, wenn sie darauf Gestiken oder Mimiken sehen. Die Affen erkennen demnach den emotionalen Ausdruck einer Gemütslage und können ihn auch einordnen.

Hunde reagieren darüber hinaus auf die Emotionen ihres Herrchens oder Frauchens. Ihr Herzschlag steigt dann parallel zur emotionalen Erregung ihres Halters. Und je länger Mensch und Tier sich kennen, desto stärker ist dieser Effekt. Das spreche dafür, dass sich Gefühlszustände synchronisieren können – auch über die Grenzen einer Spezies hinweg, so Wascher.

Aber nicht nur bedrohliche Situationen können bei Tieren einen beschleunigten Herzschlag hervorrufen. Bei Ziegen, Pferden und Staren hat sich beispielsweise gezeigt, dass ihr Puls in die Höhe schnellt, sobald sie etwas lernen. Eine Beschäftigung regt sie also emotional an. Umgekehrt sind auch Einflüsse auf den Ruhepuls möglich. Hunde zum Beispiel lassen sich mit Musik und Lavendelduft beruhigen.

Tiere verstecken ihre Gefühle

Das Lesen der tierischen Gefühle kann jedoch im Alltag schwerfallen. Denn häufig verstecken Tiere die Tatsache, dass sie beunruhigt sind. Verraten tut sie dann nur die Veränderung ihres Herzschlags. Amerikanische Schwarzbären lassen sich Wascher zufolge augenscheinlich nicht durch Drohnen in ihrer Nähe beeindrucken. Kreisten die Flugobjekte allerdings direkt über den Bären, schlug ihr sofort Herz schneller.

Die Herzfrequenz hat sich folglich als ein ziemlich zuverlässiger Indikator für das Stresslevel eines Tieres herauskristallisiert. Diese Information allein kann zwar schon das Zusammenleben von Mensch und Tier verbessern. Allerdings lässt sie immer noch keine Rückschlüsse darüber zu, ob die Tiere einen beschleunigten Herzschlag als positiv oder negativ empfinden. Die Annahme, dass ein Kampf als negativ beziehungsweise das Balzen als positiv wahrgenommen werde, bleibe nur eine menschliche Interpretation, warnt Wascher. Weitere Forschungen in diesem Bereich sind ihrer Auffassung nach noch nötig.

Begreifen Menschen nicht nur mehr über tierische Emotionen, sondern steigen auch hinter deren Kommunikation, ließen sich womöglich die Malaria-Ansteckungsraten senken. Das meinte vor Kurzem jedenfalls ein Team von Biophysikern vom University College London. Eine erfolgreiche Verpaarung der männlichen Malaria-Mücke hängt nämlich stark davon ab, ob sie das Weibchen im Flug hören kann. Ermittele man die genaue Frequenz und störe diese Töne dann, lasse sich die Fortpflanzung einbremsen, schreiben die Forscher auf der Wissenschaftsplattform »The Conversation«. Ihrer Ansicht nach ist es nötig, die weltweite Stechmücken-Population zu senken, weil inzwischen immer mehr Infektionen auf die Insekten zurückzuführen sind.

Lassen sich Tiere austricksen?

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Mücke sich mit diesem Täuschungsmanöver aufs Glatteis führen lässt, erscheint ihnen hoch. Doch wie reagiert eigentlich ein Tier auf Taschenspielertricks, die nicht direkt in sein natürliches Verhalten eingreifen? Der Wissenschaftler Elias Garcia-Pelegrin, der an der Universität Cambridge im Bereich Evolutionspsychologie forscht, hat das ausprobiert. Und zwar an sechs Eichelhähern.

Dabei hat sich gezeigt: In einigen Fällen lassen sie sich veräppeln, in anderen nicht. Kein Wunder, die Rabenvögel greifen ebenfalls gern in die Trickkiste. Wenn sie Futter vor anderen Tieren verstecken wollen, nutzen sie komplexe und sehr ausgeklügelte Taktiken. Selbst einem guten Beobachter falle es meist schwer, das tatsächliche Versteck zu identifizieren, so Garcia-Pelegrin.

Nicht zum Narren halten ließen sich die Eichelhäher – im Gegensatz zur menschlichen Gruppe des Experiments – allerdings, wenn ein Magier ihnen vorgibt, Objekte zwischen seinen Händen zu verschieben, die Hände aber dann leer sind. Garcia-Pelegrin begründet diese Beobachtung damit, dass die Handbewegung noch keine Erwartung bei den Vögeln weckt. Zielt ein Trick hingegen auf ihr visuelles System ab, schwächeln auch die Vögel. Gemeint sind Kniffe, mit denen sich Zauberkünstler auch bei Menschen blinde Flecken in Aufmerksamkeit und Wahrnehmung zunutze machen. Der Wissenschaftler vermutet, dass bei den Vögeln ähnliche Mechanismen ablaufen.

Enge Bindung zwischen Mensch und Vogel

Die Liebe zur Arbeit mit fedrigen Gefährten teilt Garcia-Pelegrin unter anderem mit Andrew Gosler, Professor für Ethno-Ornithologie an der Universität Oxford. Letzterer geht sogar so weit den engen Bezug zwischen Mensch und Vogel als Teil der Menschheitsgeschichte zu bezeichnen. Belege dafür sieht er in Vogelnamen wie »Sally Wren« für eine Sperlingsart, »Polly Dishwasher« für eine Bachstelze oder »Tom-in-the-wall« für einen Zaunkönig begründet. So ist Sally etymologisch nicht nur ein Mädchenname, sondern enthält auch einen Hinweis auf den Aufenthaltsort und das Verhalten des Tieres. Der lateinische Begriff für Weidenbaum ist Salix und »sallying for« bedeutet so viel wie Insekten fangen. Der Begriff Dishwasher (Tellerwäscher) verweist auf die Nähe zum Wasser und »in-the-wall« (in der Mauer) gibt Aufschluss über den Nistplatz des Vogels.

Solche Geschichten, die auch Informationen zum kulturellen Kontext ihrer Prägung liefern, existieren natürlich nicht nur in seiner Heimat Großbritannien. Daher hat Gosler mit seinen Kollegen einen Weltatlas für Ethno-Ornithologie ins Leben gerufen, damit das Wissen um solche emotionalen Bindungen nicht verloren geht.

Menschliches Verhalten hat Auswirkungen

Während rund um die Gefühle von Wirbeltieren und deren Wechselwirkungen mit Menschen recht viele Untersuchungen existieren, stehen die Emotionen Wirbelloser erst seit einiger Zeit stärker im Fokus der Wissenschaft. Neben Schmerz empfinden Kraken nämlich zum Beispiel auch Neugier, Zuneigung oder Aufregung, wie die beiden kanadischen Forscher Professor Kristin Andrews, Philosophin an der Universität York, und Professor Frans de Waal, Verhaltensforscher an der Emory Universität, kürzlich herausgefunden haben.

Auch das Verhalten von Bienen ist durch negative oder positive Vorerfahrungen geprägt und spiegelt sich dann in ihrem Nervensystem wider. Bei Stress gehen sie im Falle einer vormals schlechten Erfahrung mit einer deutlich pessimistischeren Grundeinstellung an neue Aufgaben heran, hatten sie hingegen zuvor nur Gutes erlebt, waren sie erkundungsfreudiger.

Ob aber tatsächlich jede menschliche Emotion ihre Entsprechung im Tierreich findet, darüber streiten sich die Geister noch. Fest steht zumindest, dass sich im Laufe der Evolution die Erinnerung an einige Gefühle wie Schmerz, Reiz und Enttäuschung für Tiere als (Überlebens-)Vorteil herausstellt hat.

Für Andrews und de Waal steht außer Frage, dass wir künftig die Auswirkungen unserer Handlungen auf andere Arten bedenken müssen. Sie plädieren daher für eine Richtschnur, die einen angemessen Umgang mit der tierischen Empfindungsfähigkeit vorgibt. Und dafür sollten sich in ihren Augen Ethiker und Biologen zusammensetzen.

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