Thüringer Apotheker warnen vor Versorgungslücken |
| Ev Tebroke |
| 27.06.2025 16:26 Uhr |
Nach Kündigung des Rahmenvertrags zur Hilfsmittelversorgung: Die IKK classic versucht nun, Apotheken zu Einzelverträgen für die Hilfsmittelversorgung zu bewegen – mit aus Sicht der Apothekerschaft »drastischen Preisabschlägen«. / © Imago/Horst Galuschka
Der Thüringer Apothekerverband schlägt Alarm: Er sieht die Hilfsmittelversorgung von Millionen IKK classic Versicherten in Gefahr. Hintergrund ist der von der Kasse zum 30. Juni 2025 gekündigte Rahmenvertrag. Die Verhandlungen mit dem Deutschen Apothekerverband (DAV) waren gescheitert, weil die IKK nach DAV-Angaben auf wirtschaftlich nicht tragfähige Konditionen beharrt hatte. Daher können die Apotheken ab 1. Juli die IKK Versicherten nicht mehr mit Hilfsmitteln versorgen.
Mit dem Wegfall des Rahmenvertrags ab 1. Juli 2025 ist eine flächendeckende Hilfsmittelversorgung in Thüringen nach Angaben des ThAV nicht mehr gewährleistet. Demnach müssten Versicherte in Orten wie Greiz oder Altenburg künftig über 25 Kilometer zur nächsten versorgenden Apotheke oder zu einem alternativen Anbieter zurücklegen, mahnt der Verband. Besonders ältere oder mobilitätseingeschränkte Menschen würden hiervon betroffen sein. In strukturschwachen Regionen mit geringer Anbieterdichte drohten dadurch faktisch sogar Versorgungslücken, warnt der ThAV.
Die IKK classic gilt hierzulande als eine der größten Krankenkassen im Bereich der handwerklichen Krankenversicherung. Nach IKK-Angaben sind von dem Ende des Rahmenvertrags zur Hilfsmittelversorgung rund 65.000 Versicherte betroffen.
Derweil versucht die IKK offenbar Einzelverträge mit den Apotheken zu schließen. Seitens der Kasse hieß es zuletzt auf Anfrage der PZ, die Zahl der betroffenen Versicherten reduziere sich laufend, »da mittlerweile viele Apotheken anderen Verträgen über die Versorgung mit apothekenüblichen Hilfsmitteln beigetreten sind«.
Der ThAV kritisiert, dass diese Verträge offenbar drastische Preisabschläge vorsehen, die für die Apotheken wirtschaftlich nicht tragbar seien. Der Verband warnt seine Mitglieder davor, solche Verträge abzuschließen.
»Was hier passiert, ist nach unserer Auffassung der Versuch einer einseitigen Interessendurchsetzung unter Ausnutzung der Marktmacht der IKK classic zulasten der Apotheken und damit letztlich der Patientinnen und Patienten«, erklärt Stefan Fink, Vorsitzender des ThAV. Die Apotheken könnten nur davor gewarnt werden, vertragliche Bindungen einzugehen, die zu wirtschaftlichen Schieflagen führen. Sie sollten in jedem Fall professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen und sich nicht von dem drohenden Szenario eines Ausscheidens aus der Versorgung unter Druck setzen lassen, heißt es.
Der Verband warnt vor den strukturellen und gesundheitspolitischen Folgen und Risiken, die mit einer Zergliederung der Versorgungslandschaft einhergehen können. Bereits heute gelte mehr als ein Drittel der Apotheken in Deutschland als wirtschaftlich gefährdet. Diese Lage drohe sich weiter zu verschärfen, wenn Apotheken unterhalb betriebswirtschaftlich sinnvoller Schwellen für ihre Leistungen vergütet werden, heißt es in einer Mitteilung.
Der ThAV hat nun nach eigenen Angaben das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) um eine aufsichtsrechtliche Prüfung ersucht – insbesondere hinsichtlich der Einhaltung wettbewerbsrechtlicher Regeln, der Transparenz in der Vertragsgestaltung sowie der Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit. »Wir sind und bleiben gesprächsbereit. Aber wir erwarten faire Bedingungen, die wirtschaftlich tragbar sind und die flächendeckende Versorgung sichern – im Sinne der Apotheken wie auch der Versicherten«, so Fink. »Verträge zu Lasten der Versorgungssicherheit können wir nicht gutheißen.«
Den Versicherten, die auf Hilfsmittel angewiesen sind, rät der Verband, sich aktiv an die IKK classic zu wenden. Die Apotheken ihrerseits sicherten zu, daran mitzuwirken, auch weiterhin nach Lösungen zu suchen, die von einer das Gemeinwesen tragenden Solidargemeinschaft geprägt werden, heißt es seitens des ThAV.
Das Thema hatte in den vergangenen Tagen hohe Wellen geschlagen. Auf Kritik war auch die, wie es auch der ThAV betont, »verzerrte Darstellung der IKK« gestoßen. Die Kasse habe in ihrem Schreiben an die Versicherten mit der Formulierung den Eindruck erweckt, Apotheken würden ohne Anlass die Versorgung einstellen. Auch der Sächsische Apothekerverband (SAV) habe in einem offenen Brief an den Vorstand der IKK classic seine sachverhaltsverzerrende Darstellung kritisiert und Bedenken im Hinblick auf die Einhaltung des Datenschutzes im Falle der gezielten Ansprache einzelner Versicherter geäußert, berichtet der ThAV.
Zuletzt hatte sich der DAV-Vorsitzende Hans-Peter Hubmann zum Scheitern der Vertragsverhandlungen geäußert. »Es gab überall Kostensteigerungen, also unser Personal ist teurer geworden. Wir haben mehr Aufwendungen. Und dass Preise nach oben angepasst werden, um das Inflationsniveau auszugleichen, ist völlig normal. Aber die IKK classic weigert sich hier beharrlich, weil sie sagen, dass sie niedrigere Preise wollen«, so Hubmann im RTL-Mittagsjournal am 24. Juni. Der DAV hatte in diesem Zusammenhang dazu geraten, die von der Kasse angebotenen Einzelverträge sowohl hinsichtlich der vertraglichen Rahmenbedingungen als auch im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit kritisch zu prüfen.