Therapien in der Schwangerschaft |
Brustkrebs kann in jedem Alter und in jeder Lebenssituation auftreten, auch während einer Schwangerschaft: ein Schock für jede Frau. / © Getty Images/RealPeopleGroup
Im Zusammenhang mit etwa jeder 1000. Schwangerschaft wird ein Malignom diagnostiziert, dies entspricht 2500 bis 5000 Fällen jährlich in Europa (1, 2). In etwa 60 Prozent handelt es sich hierbei um gynäkologische Malignome, von denen der Großteil (etwa 39 Prozent) Mammakarzinome sind (3). Die steigende Inzidenz des schwangerschaftsassoziierten Mammakarzinoms wird maßgeblich dadurch begründet, dass Brustkrebs mit zunehmendem Lebensalter exponentiell häufiger auftritt und gleichzeitig das Durchschnittsalter bei der ersten Schwangerschaft steigt. Im Jahr 2022 lag dieses in Deutschland bei 30,2 Jahren (5).
Die Behandlung von schwangeren Frauen mit Brustkrebs stellt die betreuenden Teams vor große Herausforderungen. Neben der lebensbedrohlichen Erkrankung der Mutter muss gleichzeitig das ungeborene Kind in der Planung von Diagnostik, medikamentöser Therapie, eventuell einer Operation und der Entbindung berücksichtigt werden. Ein interdisziplinäres Team von Onkologen, Geburtshelfern, Operateuren und Pharmakologen an entsprechenden Zentren sollte alle Maßnahmen planen und umsetzen.
Nach der herkömmlichen Definition spricht man von schwangerschaftsassoziiertem Brustkrebs (PABC), wenn die Erstdiagnose während der Schwangerschaft oder innerhalb von zwölf Monaten nach der Entbindung gestellt wird (6). Dabei unterscheidet sich die Prognose von Patientinnen, deren Tumor in diesem Zeitraum nachgewiesen wurde, bei adäquater Therapie nicht von der einer nicht schwangeren Vergleichsgruppe.
In den letzten Jahren verdichteten sich jedoch Daten, dass prognostisch in eine Phase vor und nach der Entbindung zu trennen ist.
Eine belgische Arbeitsgruppe (7) wies in einer Untersuchung nach, dass ein Mammakarzinom, das in der Schwangerschaft erkannt wird, ein signifikant besseres Outcome aufweist als ein postpartal diagnostiziertes. Letzteres hat eine signifikant schlechtere Prognose als Brustkrebs, der während der Schwangerschaft oder ohne zeitlichen Zusammenhang mit einer Schwangerschaft entdeckt wird (Grafik, mod. nach Amant, F., et al., DOI: 10.1016/S1470-2045(21)00183-2).
Grafik: Prognose von Frauen mit Brustkrebs (PABC) in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Diagnose / © PZ/Stephan Spitzer
Diese Beobachtung wird unterstützt durch Ergebnisse einer Metaanalyse aus dem Jahr 2020 (8). Die Daten aus insgesamt 76 Studien zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Gesamtsterblichkeit und dem Abstand der Brustkrebs-Diagnose zum Zeitpunkt der letzten Geburt. Dabei ist das Metastasenrisiko bei Erstdiagnose in den ersten fünf bis zehn Jahren nach der Geburt eines Kindes im Vergleich zu einer Diagnosestellung während oder ohne Zusammenhang mit einer Schwangerschaft signifikant erhöht. Tritt das Mammakarzinom innerhalb von zwölf Monaten nach dem Abstillen auf, ist das Risiko zu metastasieren und zu versterben, um 60 Prozent höher als beim Auftreten während oder unabhängig von einer Schwangerschaft. Das erhöhte Mortalitätsrisiko fällt mit der Zeit ab, unterschreitet aber erst circa sechs Jahre nach Entbindung das Signifikanzniveau.
Bestätigt wurden diese Beobachtungen durch eine aktuellere Arbeit aus den USA (9). Die Autoren zeigten anhand der Daten von über 2900 Patientinnen aus Utah, dass die Prognose von Frauen mit der Diagnosestellung eines Mammakarzinoms in den ersten fünf Jahren nach Entbindung im Vergleich zu fünf bis zehn Jahren oder länger oder im Vergleich zu Nulliparae signifikant schlechter ist.
Nicht zuletzt scheint es prognostisch ungünstig, wenn ein Mammakarzinom nach dem Abstillen oder ohne Stillphase diagnostiziert wird. Dies gilt nicht, wenn die Diagnose während des Stillens auftritt. Dies unterstreichen die Ergebnisse einer multizentrischen Studie an mehr als 1000 Patientinnen (10).
Hier scheinen Prozesse an der Milchdrüse nach dem Abstillen eine Rolle zu spielen. So kommt es während der Schwangerschaft zu einem Umbau der Brustdrüse und insbesondere des Milchapparats, um diesen auf die Stillphase vorzubereiten. Nach der Entbindung und dem Abstillen bildet sich der Drüsenkörper wieder in den präkonzeptionellen Zustand zurück. In dieser sogenannten Involutionsphase entsteht in einem als »tissue remodelling« bezeichneten Prozess ein inflammatorisches und immunsuppressives Milieu. Dieses begünstigt die Einwanderung von in dieser Phase neu entstandenen Tumorzellen in die Umgebung und somit eine Metastasierung.
Das Stillen scheint den Prozess des »tissue remodellings« zu entschleunigen, sodass Tumorzellen, die während des Stillens entstehen, eine für eine Metastasierung weniger geeignete Umgebung vorfinden. Dies bedeutet, dass das direkte Abstillen nach der Entbindung oder die Phase nach dem Abstillen besondere vulnerable Phasen darstellen, die die Prognose eines hier neu entstandenen Mammakarzinoms deutlich verschlechtern.
▶ Zusammenfassend könnte diese Information in der klinischen Praxis dazu führen, dass Ärzte Patientinnen, bei denen ein Mammakarzinom innerhalb von fünf Jahren nach der Schwangerschaft außerhalb der Stillzeit nachgewiesen wird, im Zweifelsfall eine Chemotherapie und/oder eine intensivierte endokrine Therapie, zum Beispiel unter Hinzunahme eines GnRH-Analogons und/oder eines CDK-4/6-Inhibitors, empfehlen, auch wenn die Tumorbiologie günstig erscheint.
Tumoren, die in der Schwangerschaft auftreten, werden in der Regel in höheren Tumorstadien im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen in einem gleichaltrigen Vergleichskollektiv nachgewiesen. Die Tumorbiologie unterscheidet sich aber nicht wesentlich. Überwiegend handelt es sich um invasiv duktale Karzinome (NST), die etwa zur Hälfte Hormonrezeptor-negativ sind und in 75 Prozent schlecht differenziert (G3) (11). Es sind also überwiegend aggressive Tumoren, die entsprechend intensiv behandelt werden müssen.
Die verspätete Diagnose wird dadurch erklärt, dass sowohl Frauen als auch Therapeuten eine Veränderung der Brustdrüse in der Schwangerschaft oft als physiologisch einstufen. Somit wird ein Tastbefund möglicherweise fälschlich als eine Art Milcheinschuss interpretiert. Dadurch wird eine Diagnose oft verschleppt.
Ferner nimmt die Brustdrüse an Festigkeit und Volumen zu, was die Diagnose zusätzlich erschwert. Als Konsequenz weisen 80 Prozent der Patientinnen in der Schwangerschaft zum Zeitpunkt der Diagnose einen positiven Nodalstatus auf.
▶ Daraus folgt, dass ein ungewöhnlicher Tastbefund während der Schwangerschaft umgehend (innerhalb von zwei bis vier Wochen) stanzbioptisch gesichert werden sollte. Nach derzeitiger Studienlage erhöht eine Diagnoseverzögerung um vier Wochen die Wahrscheinlichkeit von Lymphknotenmetastasen um 1 Prozent (12–14).
Eine gängige Diagnosemethode in der Schwangerschaft ist die klinische Untersuchung mit Palpation in Kombination mit der Mammasonografie. Eine Mammografie ist aufgrund der erhöhten Brustdichte weniger aussagekräftig, aber problemlos einsetzbar. Die Strahlenbelastung für den Fetus liegt bei etwa 0,03 µGy und kann durch Abschirmen des Bauches mit einer Bleischürze weiter reduziert werden (15).
Eine Stanzbiopsie ist zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft problemlos möglich. Nur in den seltenen Fällen kommt es hierbei zu einer relevanten Verletzung des Milchapparats, zum Beispiel Milchgangsfisteln.
Die gängige Diagnosemethode in der Schwangerschaft ist die klinische Untersuchung mit Abtasten in Kombination mit der Mammasonografie. / © Getty Images/Anchiy
Vorteil der Kernspintomografie außerhalb der Schwangerschaft ist die hohe Sensitivität für die Erkennung von Brusttumoren; diese ist während der Schwangerschaft jedoch stark eingeschränkt. Auch wird eine notwendige Kontrastmittelapplikation von Gadolinium mangels ausreichender Daten nicht empfohlen. Ein natives MRT ist in dieser hormonaktiven Phase des Drüsenkörpers nicht zielführend, aber möglich (16).
Staging-Untersuchungen können eingeschränkt vorgenommen werden. Hierfür stehen insbesondere eine Röntgen-Thorax-Untersuchung mit geringer Strahlenbelastung und die Oberbauchsonografie für die Abklärung des Abdomens zur Verfügung. Bei Schmerzen im Bereich des Skeletts kann eine Kernspintomografie auch ohne Kontrastmittel sinnvoll sein.
Kontraindiziert sind dagegen Computertomografien mit Kontrastmittel, eine Positronenemissionstomografie (PET) sowie eine Skelettszintigrafie (17). Die adäquaten Staging-Standarduntersuchungen (Kontrastmittel-Computertomografie von Hals, Thorax, Abdomen und Becken sowie Skelettszintigrafie) sollten nach Abschluss der Schwangerschaft komplettiert werden.
Generell ist die Therapie des Mammakarzinoms in der Schwangerschaft dem Schwangerschaftsalter, dem Erkrankungsstadium und dem Wunsch der Patientin anzupassen. Dies setzt eine individuelle Planung voraus, die durch ein interdisziplinäres Team in enger Rücksprache mit der Patientin erfolgt.
▶ Grundsätzlich erfolgt eine lokale und/oder systemische Therapie in der Schwangerschaft entsprechend den Therapieempfehlungen für gleichaltrige, nicht schwangere Frauen mit vergleichbarer Tumorbiologie und Tumorstadium. Der Therapiebeginn sollte nicht hinausgezögert werden.
Eine Tumortherapie muss immer eng mit der Patientin abgestimmt werden. / © Adobe Stock/drubig-photo
Prinzipiell sind sowohl brusterhaltende als auch ablative Operationen während der gesamten Schwangerschaft möglich, wobei auf eine adäquate Operationszeit geachtet werden muss. So wird man eventuell notwendige rekonstruktive Operationen, die über die einfache Einlage einer epipektoralen Prothese nach Mastektomie hinausgehen, eher postpartal ansetzen. Eine Sentinel-Lymphonodektomie (Entfernung des »Wächter«-Lymphknotens) mit einem Technetium-Tracer ist ab dem zweiten Trimenon sicher möglich (18). Auf eine Farbstoffmarkierung sollte dagegen wegen möglicher anaphylaktischer Reaktionen verzichtet werden.
Allerdings sind Operationen während der Schwangerschaft eher selten notwendig. In der Regel kann eine Systemtherapie im Sinne eines neoadjuvanten Konzepts erfolgen und notwendige Operationen können auf einen Zeitpunkt nach der Entbindung verlegt werden.
Ein Verschieben der Systemtherapie um mehrere Wochen bis nach der Entbindung ist mit einer potenziellen Verschlechterung der Prognose vergesellschaftet (19, 20) und sollte vermieden werden.
Die Tabelle 1 zeigt mögliche Behandlungsmethoden in und nach der Schwangerschaft (Tabelle modifiziert nach: Poggio, F., Update on the Management of Breast Cancer during Pregnancy, 2020. DOI: 10.3390/cancers12123616).
Therapie | 1. Trimenon | 2. Trimenon | 3. Trimenon | Nach der Geburt |
---|---|---|---|---|
Operation | erlaubt | erlaubt | erlaubt | erlaubt |
Radiotherapie | nur in Einzelfällen | kontraindiziert | kontraindiziert | erlaubt |
Chemotherapie | kontraindiziert | erlaubt | erlaubt | erlaubt |
endokrine Therapie | kontraindiziert | kontraindiziert | kontraindiziert | erlaubt |
zielgerichtete Therapie | kontraindiziert | kontraindiziert | kontraindiziert | erlaubt |
Zur Planung der Systemtherapie erfolgt die Einteilung in drei Trimester und die postpartale Phase. Eine Chemotherapie darf wegen möglicher teratogener Nebenwirkungen zum Schutz des Embryos erst ab dem zweiten Trimester begonnen werden (Tabelle 1) (21). Zu diesem Zeitpunkt sind die grundlegenden Strukturen und Organe angelegt. Während die Fehlbildungsrate im ersten Trimenon unter Chemotherapien bei 14 Prozent liegt, unterscheidet sie sich ab dem zweiten Trimenon mit etwa 3 Prozent nicht vom Vergleichskollektiv in der Normalbevölkerung.
Die Wirkstoffe entsprechen den Empfehlungen außerhalb der Schwangerschaft. Hauptsächlich wird ein Anthrazyklin- und Taxan-haltiges Therapieregime gewählt, zum Beispiel vier Zyklen mit Epirubicin/Cyclophosphamid intravenös alle drei Wochen (q3w) gefolgt von 12-mal Paclitaxel intravenös wöchentlich (22). Diese Wirkstoffe haben eine sehr geringe transplazentare Transferrate. Eine dosisdichte Applikation der Anthrazykline (Epirubicin/Cyclophosphamid alle zwei Wochen, q2w) ist prinzipiell möglich. Jedoch verzichten viele Therapeuten aufgrund hämatotoxischer Nebenwirkungen und des erhöhten Risikos einer febrilen Neutropenie darauf. Eine dosisintensivierte, dosisdichte Therapie ist aus diesen Gründen nicht indiziert.
Auch in der Schwangerschaft ist eine Chemotherapie möglich und sollte nicht hinausgezögert werden. / © Getty Images/ljubaphoto
Insbesondere beim triple-negativen Mammakarzinom verbessert der Einsatz von Platinderivaten außerhalb der Schwangerschaft signifikant das Outcome der Frauen und wird daher in der Schwangerschaft in Einzelfällen erwogen. Allerdings kann es unter Carboplatin wegen der stärkeren hämatologischen Toxizität häufiger zu Verzögerungen bei der Applikation und Dosisreduktionen kommen, wobei schwerwiegende Nebenwirkungen wie Neuropathie, febrile Neutropenie oder behandlungsbedingter Tod nach derzeitiger Datenlage nicht zu erwarten sind. Da tierexperimentelle Studien auf eine starke Plazentagängigkeit von Carboplatin hinweisen (23), verzichten viele Therapeuten auf diesen Wirkstoff. Dementsprechend vergibt die aktuelle Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) eine +/–-Empfehlung (»kann in Einzelfällen durchgeführt werden«).
Beim Her2-neu-positiven Mammakarzinom sind die anti-Her2-gerichteten Antikörper Trastuzumab und Pertuzumab außerhalb der Schwangerschaft Standard. Aufgrund des Risikos für Komplikationen in Bezug auf die Schwangerschaft, den Fetus und das Neugeborene sowie insbesondere wegen der potenziellen Entwicklung eines Oligo- oder Anhydramnions (zu wenig oder fehlendes Fruchtwasser in der Fruchtblase) gilt der Einsatz in den meisten Leitlinien als kontraindiziert (24).
Ein kurzer versehentlicher Einsatz von Trastuzumab während des ersten Trimenons muss aber nicht zwingend zum Abbruch der Schwangerschaft führen, da retrospektive Untersuchungen mit kleinen Fallzahlen keinen Hinweis für einen teratogenen Effekt ergaben (25). Eine adäquate anti-Her2-gerichtete Antikörpertherapie kann nach der Entbindung beginnen.
Neben Trastuzumab und Pertuzumab sind auch sämtliche anti-Her2-gerichteten Therapien (Trastuzumab-Emtansin und -Deruxtecan, Sacituzumab Govitecan, Lapatinib und andere) kontraindiziert.
Dies gilt auch für Checkpoint-Inhibitoren und alle endokrinen Therapien (26–28).
Aufgrund von potenziellen teratogenen Effekten sind Bisphosphonate auch bei Knochenmetastasen in der Schwangerschaft kontraindiziert (29). Zum Antikörper gegen den Rank-Liganden Denosumab liegen aus Tierversuchen Hinweise auf Fetotoxizität vor, weshalb der Einsatz ebenfalls nicht zulässig ist (30).
Außerhalb der Schwangerschaft wird zur Antiemese unter einer (dosisdichten) Anthrazyklin- und Taxan-haltigen Chemotherapie eine Dreifachkombination aus einem 5-HT₃-Rezeptor-Antagonist (Setron), Dexamethason und einem Neurokinin-1-(NK1-)Inhibitor empfohlen.
Nach Studienlage kann bei schwangeren Patientinnen der 5-HT₃-Rezeptor-Antagonist Ondansetron komplikationslos verwendet werden (31). Dagegen sind NK1-Inhibitoren mangels ausreichender Daten kontraindiziert (24, 32).
Sind Corticosteroide zur Anaphylaxie-Prophylaxe oder zur Antiemese indiziert, werden Prednisolon und Methylprednisolon in der Schwangerschaft bevorzugt, da sie die Plazenta nur begrenzt passieren. Aufgrund der Wirkung der plazentaren 11β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase werden diese Glucocorticoide in weniger aktive Formen umgewandelt, bevor sie den Fetus erreichen. Dadurch wird der Fetus nur etwa 10 Prozent der mütterlichen Dosis ausgesetzt, was potenzielle negative Auswirkungen auf die fetale Entwicklung verringert.
Im Vergleich dazu passieren Glucocorticoide wie Dexamethason und Betamethason die Plazenta leichter und werden daher bevorzugt bei fetalen Indikationen eingesetzt. Während Dexamethason in Tiermodellen teratogene Effekte aufwies und sich in Patientenstudien ein negativer Einfluss auf die kognitive Entwicklung des Fetus zumindest nicht ausschließen ließ, gilt der Einsatz von Methylprednisolon als sicher. Es sollte daher zur Anaphylaxie-Prophylaxe und Antiemese bevorzugt werden (33, 34).
Die Gabe von Granulozyten-Kolonie-stimulierendem Faktor (G-CSF) kann bei Hochrisiko-Patientinnen im Rahmen einer dosisintensiven Chemotherapie oder zur Behandlung oder Vorbeugung einer febrilen Neutropenie angezeigt sein, da diese das Überleben von Mutter und Kind erheblich bedrohen kann. Die Datenlage ist zwar limitiert, aber in retrospektiven Studien zum Einsatz von G-CSF bei schwangeren Frauen mit schweren Neutropenien zeigte sich kein nachteiliger Effekt auf den Fetus (35). Der prophylaktische Einsatz von G-CSF in der Schwangerschaft sollte weiterhin zurückhaltend erfolgen.
In einer retrospektiven Fallserie berichtet das International Network on Cancer, Infertility and Pregnancy (INCIP) über 42 Schwangere, die während der onkologischen Behandlung G-CSF erhielten (36). Die mütterlichen und neonatalen Komplikationen erschienen akzeptabel. Dennoch ist aus Sicht der Autoren eine kontinuierliche Bewertung der klinischen Praxis erforderlich, da die begrenzte Anzahl an Daten und die Nachbeobachtung keine belastbaren Schlussfolgerungen zulassen.
Ein wichtiger Aspekt bei der Planung der Therapie ist die Vermeidung der Frühgeburtlichkeit. Eine zu frühe Geburt gilt als signifikant schlechter für die zerebrale Entwicklung des Fetus als eine Chemotherapie (37).
Die Applikation von Anthrazyklinen und Taxanen während der Schwangerschaft beeinträchtigt die kurz- bis mittelfristige Entwicklung des Säuglings und Kindes nicht; dies wurde in mehreren Studien nachgewiesen. Bisher zeigte sich keine negative Auswirkung, zum Beispiel auf die kognitive oder kardiale Entwicklung von Neugeborenen und jungen Teenagern (38–40).
Gut betreut während der Entbindung / © Adobe Stock/Kzenon
Die peripartale Überwachung unter Chemotherapie beinhaltet die regelmäßige sonografische Kontrolle des fetalen Wachstums und der Fruchtwassermenge etwa alle drei Wochen sowie vor jedem neuen Therapiezyklus. Eine Entbindung sollte so nahe wie möglich am Termin erfolgen. Der Entbindungsmodus soll unabhängig von der Therapie auf die geburtshilflichen Notwendigkeiten und die Wünsche der Patientin abgestimmt werden.
Nach Abschluss der 35. bis 37. Schwangerschaftswoche sollte eine Chemotherapie pausiert werden, um die peripartale Infektionsgefahr von Mutter und Kind aufgrund einer möglichen Leukopenie und somit potenziellen Immunsuppression zu vermeiden.
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Je nach Geburtsmodus wird eine Antitumortherapie etwa zwei bis drei Wochen nach der Geburt fortgesetzt, wobei die Patientin in den meisten Fällen abstillen sollte (Tabelle 2, modifiziert nach: Johnson, H. M., ABM Clinical Protocol 34 Breast Cancer and Breastfeeding, 2020. DOI: 10.1089/bfm.2020.29157.hmj). Mitunter ist eine Chemotherapie kurz nach der Entbindung abgeschlossen und eine endokrine Therapie, zum Beispiel bei triple-negativen Tumoren, nicht indiziert. Dann wäre aufgrund der entsprechenden Halbwertszeiten der unterschiedlichen Arzneistoffe ein Stillen etwa vier Wochen nach Abschluss der Krebsbehandlung möglich; dies hängt wiederum ab von der Art der Geburt und der körperlichen Erholung der Patientin (41–43).
Eine Strahlentherapie oder Operation kann im Einzelfall postpartal erfolgen. Wenn die Frau mit der nicht betroffenen Brust weiterhin stillen möchte, ist eine strikte Überwachung notwendig, um mögliche Risiken zu minimieren (43).
Arzneistoff | Halbwertszeit | Minimale Wartezeit zwischen Therapie und Stillen |
---|---|---|
Doxorubicin | 24 bis 36 h | 7 bis 10 d |
Cyclophosphamid | 7,5 h | 72 h |
Paclitaxel | 13 bis 52 h | 6 bis 10 d |
Docetaxel | 11 h | 4 bis 5 d |
Carboplatin | länger als 5 d | Stillpause oder Monitoring der Platinspiegel in der Muttermilch |
Fluorouracil (5-FU) | 16 min | 24 h |
Capecitabin | 38 bis 45 min | 24 h |
Die Auswirkungen von Tamoxifen, das möglicherweise in die Muttermilch übergeht, auf den Säugling sind nicht ausreichend untersucht (44). Aromatasehemmer sind eindeutig kontraindiziert, da sie den Estrogenstoffwechsel des Kindes beeinträchtigen können (10, 43).
Die Datenlage zu biologischen Therapien wie Trastuzumab oder Pertuzumab ist ebenfalls begrenzt. Da diese Substanzen in der Regel mit Chemotherapeutika kombiniert werden, wird das Stillen ebenfalls nicht empfohlen (45).
Zusätzlich sollten Säuglinge, die in utero Chemotherapeutika ausgesetzt waren, nach der Entbindung engmaschig und umfassend überwacht werden, um mögliche kurz- und langfristige toxische Effekte zu identifizieren. Die Kinder sollten über die gesamte Kindheit hinweg regelmäßig untersucht werden (46).
Michael Braun studierte Humanmedizin an der Universität Regensburg und der Technischen Universität München und erhielt 1999 die Approbation. Er absolvierte die Facharztausbildung an den Universitätsfrauenkliniken der Technischen Universität München und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, wo er von 2004 bis 2010 das Brustzentrum leitete. 2010 erhielt Dr. Braun die Venia Legendi für das Lehrgebiet Gynäkologie und Geburtshilfe. Er war als Konsiliararzt am Rotkreuzklinikum München tätig und leitet seit 2012 das dortige interdisziplinäre Brustzentrum. Professor Braun ist Chefarzt Gynäkologie mit Schwerpunkt Gynäkologische Onkologie und spezielle operative Gynäkologie.