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Netzhauterkrankungen

Therapie gezielt ins Auge

Erkrankungen des Augenhintergrundes erfordern regelmäßige Injektionen in das Auge, die die Patienten belasten. Apotheker können sie dazu motivieren, an der Therapie dranzubleiben, damit ihre Sehkraft erhalten bleibt. Neue Behandlungsformen könnten das Procedere in Zukunft deutlich vereinfachen.
Wiebke Gaaz
07.04.2024  08:00 Uhr

Der Mensch nimmt mehr als 80 Prozent der Sinneswahrnehmungen über das Sehen auf. Blindheit ist in Umfragen für mehr als zwei Drittel der Menschen mit Abstand der am meisten gefürchtete Sinnesverlust. Jeder Zehnte gibt an, eine Erblindung sei schlimmer als Krebs, Demenz oder Schlaganfall.

Der Sehsinn ist bei Patienten mit Netzhauterkrankungen wie der feuchten altersabhängigen Makuladegeneration (nAMD), der proliferativen diabetischen Retinopathie (PDR) und bei retinalen Venenverschlüssen (RVV) in großer Gefahr. Die drei haben bezüglich der Pathophysiologie etwas gemeinsam: Das retinale Pigmentepithel wird schleichend oder akut mit Sauerstoff unterversorgt, woraufhin es versucht, mit neuen Gefäßen gegenzusteuern (choroidale Neovaskularisation, CNV). Untersuchungen zeigten, dass die Konzentration des Vascular Endo-thelial Growth Factor (VEGF), einem zentralen Wachstumsfaktor der physiologischen Angiogenese, im Glaskörper des Auges erhöht ist.

Das Problem dabei ist, dass diese abnormen Gefäße, die aus der Aderhaut in die Netzhaut einwachsen, instabil sind. Sie verlieren Flüssigkeit (teilweise auch Blut), was massive Ödeme – eine weitere Gemeinsamkeit dieser Erkrankungen – hervorrufen kann. Wird die Netzhaut im Bereich der Makula, dem Ort des schärfsten Sehens, angehoben, sehen Patienten unscharf und stark verzerrt. Stirbt das retinale Pigmentepithel in diesem Bereich schließlich ab, ist zentrales Sehen nicht mehr möglich.

Von AMD bis Thrombose

Von der AMD sind in Deutschland mehr als sieben Millionen Menschen betroffen. Dabei lagern sich vermehrt Stoffwechselprodukte in Form von Drusen unter der Netzhaut ab, insbesondere im stoffwechselaktiven Bereich der Makula. Etwa 500.000 Menschen entwickeln eine der beiden Spätformen der AMD. Circa 15 Prozent von ihnen leiden unter der aggressiven neovaskulären (»feuchten«) Form der Erkrankung, die überwiegende Mehrzahl an der trockenen AMD.

Bei der diabetischen Retinopathie führt der hohe Blutzucker zu Schädigungen und Durchblutungsstörungen an den Gefäßen der gesamten Netzhaut. Patienten bemerken dies oft lange nicht, da das zentrale Sehen zunächst nicht beeinträchtigt ist. Etwa 1,3 Millionen Menschen sind von der proliferativen Form betroffen, das entspricht fast 22 Prozent der Menschen mit bekanntem Diabetes. Ein diabetisches Makulaödem (DMÖ) ist kein Stadium der PDR, sondern eine eigenständige Manifestation und Komplikation der diabetischen Mikroangiopathie und die Hauptursache für eine Sehminderung bei Diabetes.

Auch Thrombosen in Netzhautvenen oder der Zentralvene des Auges verursachen eine Hypoxie, die wiederum die Kompensationskaskade in Gang setzt. Ein langfristiges Problem kann ein Anstieg des Augeninnendrucks sein, der auch noch Monate und Jahre nach dem Verschluss auftreten kann. Daher sind regelmäßige augenärztliche Kontrollen notwendig. Eine Medikamenteneingabe erfolgt in der Regel nur bei Verschlüssen, die mit einem Makulaödem einhergehen.

Antikörperinjektion oder Steroidimplantate

Mit der Formulierung der VEGF-Antikörper als intravitreale Injektion wurde die Therapie dieser Erkrankungen wesentlich verbessert oder sogar erst möglich. Sie entwickelten sich deshalb schnell zum Therapiestandard. Die Erblindungshäufigkeit aufgrund einer nAMD ging in der Folge eindrucksvoll um etwa 70 Prozent zurück. Patienten profitieren allerdings nur, wenn sie bei der Therapie am Ball bleiben.

Mit IVOM (intravitreale operative Medikamenteneingabe) wird die Injektion eines Arzneistoffs in den Glaskörper des Auges oder das Einsetzen eines wirkstoffhaltigen Implantats in die Lederhaut (Sklera) des Auges bezeichnet (Grafik). Dieses Vorgehen ist notwendig, da die Blut-Retina-Schranke zwischen der Netzhaut und den für deren Blutversorgung zuständigen Gefäßen den Übertritt von Medikamenten in das Augeninnere verhindert. Bei systemischer Gabe eines Arzneistoffs wäre es nicht möglich, wirksame Konzentrationen an der Netzhaut zu erreichen, ohne starke Nebenwirkungen in anderen Organen hervorzurufen. Bei lokaler Applikation von Augentropfen erreicht der Wirkstoff ebenfalls nicht den Augenhintergrund in wirksamer Konzentration. Injektionen in den subretinalen (zwischen Netzhaut und Aderhaut) und suprachoroidalen (zwischen Aderhaut und Sklera) Zwischenraum erreichen die Netzhaut zwar noch gezielter (Grafik), erfordern jedoch eine chirurgische Prozedur und sind mit weiteren Risiken verbunden.

Die IVOM gehört mit geschätzt 1,5 Millionen Eingriffen pro Jahr zu den häufigsten medizinischen Prozeduren in Deutschland. Im Jahr 2022 waren 58 Prozent der Eingriffe am Auge eine IVOM und 32 Prozent eine Katarakt-OP, ergab eine Umfrage unter 753 Ophthalmochirurgen. 30 Prozent der Operateure gaben an, ausschließlich IVOM vorzunehmen und in knapp 90 Prozent der Eingriffe kam ein VEGF-Hemmer zum Einsatz (Wenzel et al., 2023).

Für die initiale Diagnosestellung und als Entscheidungshilfe für oder gegen eine IVOM muss der Arzt mit einer Fluoreszein-Angiografie die Netzhautgefäße des Augenhintergrunds darstellen. Nur so kann er die Diagnose korrekt stellen und beurteilen, ob aus den Gefäßen Flüssigkeit austritt.

An bestimmten Netzhauterkrankungen können zudem entzündliche Vorgänge beteiligt sein. Dazu gehören beispielsweise das diabetische Makulaödem, retinale Venenverschlüsse oder die Uveitis. Diese können alternativ zu VEGF-Hemmern mit Steroidimplantaten therapiert werden. Die Corticoide stabilisieren die endothelialen »tight junctions« und verringern so den erhöhten Flüssigkeitsaustritt aus den Netzhautgefäßen. Sie werden jedoch eher zurückhaltend eingesetzt, da sie am Auge ein Glaukom oder eine Linsentrübung hervorrufen können.

Das Dexamethason-Implantat Ozurdex® löst sich innerhalb von drei bis sechs Monaten vollständig auf. Iluvien® (Fluocinolonacetonid) ist ein Implantat, das sich nicht auflöst und den Wirkstoff über ein bis drei Jahre ins Auge freisetzt. Da der Augeninnendruck hier deutlich häufiger ansteigt, gilt dies als Therapie der zweiten Wahl.

Off-Label: eher die Regel als die Ausnahme

Die Zahl der zugelassenen VEGF-Inhibitoren zur Therapie bestimmter Netzhauterkrankungen ist überschaubar (Tabelle). Es sind die Antikörper Ranibizumab, Brolucizumab und Faricimab sowie das Fusionsprotein Aflibercept.

Eine Sonderstellung nimmt der Wirkstoff Bevacizumab ein, der bislang nicht für intravitreale Injektionen zugelassen, aber gemäß der Umfrage das am häufigsten angewendete Arzneimittel bei diesem Eingriff ist (Wenzel et al., 2023). Im März 2024 erhielt jedoch das Bevacizumab-haltige Präparat Lytenava™ (Outlook Therapeutics) eine Zulassungsempfehlung des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur EMA in der Indikation feuchte altersabhängige Makuladegeneration.

Das im Oktober 2022 zugelassene Faricimab spielte in dieser Umfrage noch keine Rolle. Der bispezifische Antikörper hemmt neben VEGF-A auch Angiopoietin-2 (Ang-2). Das verbessert zusätzlich die Gefäßstabilität und dämmt dadurch den Flüssigkeitsverlust ein.

In der EU sind derzeit drei Biosimilars mit dem Wirkstoff Ranibizumab zugelassen: Byooviz™ (Biogen), Ranivisio® (Ratiopharm) und Ximluci® (Stadapharm). Weitere Biosimilars könnten dazukommen, wenn der Patentschutz von Eylea® 2025 endet. Die Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars berichtet in der Publikation »Versorgungsfokus Augenheilkunde 2023« über 14 Präparate mit dem Fusionsprotein Aflibercept, die sich in Phase III des Zulassungsverfahrens befinden (Stand März 2023).

Wirkstoff/Einzeldosis Handelsname, Hersteller, Jahr der Zulassung Indikationen Darreichungsform
Bevacizumab 1,25 mg Avastin®, Roche Pharma, 2005 off Label DFL
Ranibizumab 0,5 mg Lucentis®, Novartis, 2007 nAMD, DMÖ, PDR, RVV, CNV, ROP DFL, FSP
Aflibercept 2 mg Eylea®, Bayer, 2012 nAMD, DMÖ, RVV, mCNV DFL, FSP
Aflibercept 8 mg Eylea® 114,3 mg/ml,
Bayer, 2024
nAMD, DMÖ DFL
Brolucizumab 6 mg Beovu®, Novartis, 2020 nAMD, DMÖ FSP
Faricimab 6 mg Vabysmo®, Roche Pharma, 2022 nAMD, DMÖ, (RVV nur in den USA) DFL
Dexamethason 700 µg Ozurdex®, AbbVie, 2010 DMÖ, RVV, nicht infektiöse posteriore Uveitis intravitreales Implantat, selbst auflösend
Fluocinolonacetonid 190 µg Iluvien®, Alimera Sciences, 2012 chronisches DMÖ, Rückfallprophylaxe bei rezidivierender nicht infektiöser posteriorer Uveitis intravitreales Implantat, nicht auflösend
Tabelle: Wirkstoffe zur intravitrealen operativen Medikamenteneingabe mit Indikationen und Darreichungsformen

Wie läuft die IVOM ab?

Eine Vor- und Nachbehandlung mit antibiotischen Augentropfen ist im Regelfall nicht nötig, es sei denn, es soll ein Implantat eingesetzt werden. Für den Termin sollte der Patient mindestens eine Stunde einplanen, sagt Professor Dr. Focke Ziemssen, Leiter der Universitätsaugenklinik Leipzig, im Gespräch mit der PZ. »Zum Betäuben des Auges sollte mindestens viermal getropft und die Einwirkzeit abgewartet werden.«

Das Gesicht wird mit einem Tuch abgedeckt und die Lider, die Bindehaut und die umgebende Haut mit einer Povidon-Jod-Lösung desinfiziert (Vorsicht bei Hyperthyreose). Reste davon können nach dem Eingriff ein Brennen oder ein Fremdkörpergefühl verursachen, das sich mit viskosen Tränenersatzmitteln lindern lässt. Der Patient sollte dafür eine frisch geöffnete Tropfflasche oder Einzeldosis-Ophthiolen benutzen.

Das Auge wird mit einem Lidsperrer offengehalten. Der Arzt führt die hauchdünne Nadel mit circa vier Millimeter Abstand zum Rand der Hornhaut sechs Millimeter tief in den Augapfel ein und injiziert das Medikament. Patienten mit noch guter Sehschärfe sehen den Wirkstoff als Schlieren, wenn er aus der Spritze kommt und sich im Glaskörper verteilt. »Der Patient spürt in der Regel keinen Schmerz, allenfalls einen leichten Druck«, erklärt Ziemssen. »Für die eigentliche Eingabe sind zwei Minuten realistisch. Sie sollte nicht zu schnell erfolgen. Wegen der geringen Elastizität droht sonst ein starker Druckanstieg. Für den Patienten fühlt es sich natürlich länger an.«

Unmittelbar danach prüft der Arzt, ob der Patient einen Lichtschein und Finger wahrnehmen kann (zum Ausschluss einer gefährlichen Drucksteigerung). Weil die Sicht noch verschwommen sein kann, sollte der Patient sich nach Hause begleiten lassen. Den sterilen Verband kann er nach etwa drei Stunden entfernen; er sollte aber nicht am Auge reiben und auch einige Tage auf Sauna- oder Schwimmbadbesuche verzichten. In der Woche nach der Injektion erfolgt eine Nachkontrolle durch den behandelnden oder einen externen Augenarzt.

»Die meisten Augen halten auch viele Injektionen gut aus«, erklärt Ziemssen. Es gebe durchaus Menschen, deren Augen schon 150 oder mehr Injektionen hinter sich haben. An einzelnen Augen könne man aber an der Sklera Folgen der zahlreichen Vorbehandlungen erkennen.

Wenn kleine Blasen oder Kugeln nach der Injektion bemerkt werden, handelt es sich in der Regel um harmlose Luftblasen aus den aufgezogenen Spritzen (weniger bei Fertigspritzen). Zu den möglichen, aber seltenen Komplikationen des Eingriffs zählen Einblutungen in den Glaskörper, Abhebung der Netzhaut oder die Verletzung der Augenlinse.

Sollten »fliegende Mücken« (mouches volantes) zunehmen oder von Schatten oder Blitzen begleitet werden oder Anzeichen einer Endophthalmitis (Entzündung des Augeninneren) auftreten, muss der Arzt kontaktiert werden (siehe Interview am Schluss des Artikels).

Absolute Kontraindikationen für eine IVOM sind unter anderem aktive Augeninfektionen, eine symptomatische koronare Herzkrankheit, hypertensive Krisen und ein stark erhöhter Augeninnendruck über 30 mmHg. Injizierte Volumina von über 0,05 ml gehen mit dem erhöhten Risiko einer Druckerhöhung mit meist vorübergehendem Verlust der Lichtwahrnehmung einher.

Zwei Therapieschemata

Insbesondere die neovaskuläre AMD ist eine chronisch progrediente Erkrankung mit langjährigem Therapie- und Kontrollbedarf. Generell sind die Ergebnisse umso besser, je jünger die Patienten sind, je früher mit der Therapie begonnen wird, je besser der Ausgangsvisus und je höher die Therapieadhärenz ist. Als Grundsatz gilt: »so viel wie nötig, so wenig wie möglich«.

Das Ziel der Therapie ist laut Leitlinie »Altersabhängige Makuladegeneration AMD« die Vermeidung von Sehverschlechterung und Erblindung. Nicht selten wird insbesondere am Anfang eine Verbesserung des Visus unter der Therapie mit VEGF-Hemmern beobachtet. Für den langfristigen Behandlungserfolg sind jedoch weniger der Wirkstoff und das Therapieschema bedeutend, sondern das konsequente Einhalten der notwendigen Termine. Im ersten Jahr sind durchschnittlich sieben bis acht Injektionen, im zweiten Jahr drei bis vier und danach circa drei Behandlungen pro Jahr erforderlich. Die Behandlung wird abgebrochen, wenn die Visusprognose unter einen Visus von 0,05 sinkt.

Grundsätzlich startet die Behandlung mit einer Aufsättigung, meist einer Serie von drei IVOM im Abstand von vier Wochen. Danach entscheidet der Arzt, welches von zwei Schemata weiter angewendet werden soll. Das »Pro Re Nata«-(bei Bedarf-)Schema (PRN) sieht vor, dass bei den folgenden monatlichen Kontrollen nur dann eine IVOM erfolgt, wenn der Arzt Krankheitsaktivität feststellt. Hier sind aber weiterhin regelmäßige Verlaufskontrollen notwendig, um neue Flüssigkeit zu erkennen.

Im Unterschied dazu erfolgt beim »Treat and Extend«-Schema (T&E) bei jedem Kontrolltermin auch eine IVOM. Die Intervalle werden jedoch bei gutem Befund (Makula ist trocken) jedes Mal um eine bis vier Wochen verlängert oder bei erneuter Krankheitsaktivität schrittweise wieder verkürzt.

Der Behandlungsverlauf wird im Allgemeinen mithilfe der optischen Kohärenztomografie (OCT) kontrolliert. Das ist ein berührungsloses Verfahren, mit dem innerhalb weniger Sekunden die Strukturen der Netzhaut dargestellt und beurteilt werden können. Damit lassen sich Veränderungen wesentlich früher und zuverlässiger erkennen als mithilfe eines Amsler-Gitters. Hier decken die Patienten ein Auge ab und fixieren mit dem anderen den Punkt in der Mitte. Ist dieser nicht zu sehen oder erscheinen verzerrte Linien und dunkle Stellen, sollten sie schon vor einem geplanten Kontrolltermin den Augenarzt aufsuchen.

Therapie wird individueller

Seit der Markteinführung der länger wirkenden VEGF-Hemmer ergeben sich auch substanzspezifische Abweichungen vom Schema. So soll bei Brolucizumab das Intervall nach der Aufdosierung acht Wochen nicht unterschreiten. Faricimab wird mit vier Injektionen im monatlichen Abstand aufdosiert, die Intervalle in der Erhaltungsphase sind oft länger.

Zudem spielt die Indikation eine Rolle: Bei nAMD wird mit drei Injektionen aufdosiert, beim diabetischen Makulaödem mit sechs und danach alle zwei Monate injiziert.

Makulaödeme nach retinalen Venenverschlüssen oder nach einem Verschluss der Zentralvene sollen zeitnah mit VEGF-Hemmern behandelt werden. Head-to-Head-Studien belegten in dieser Indikation die Gleichwertigkeit der Wirkstoffe Ranibizumab, Bevacizumab und Aflibercept.

Adhärenz als Schlüssel zum Erfolg

Eine gute Therapieadhärenz ist für den Behandlungserfolg essenziell. Adhärenz in der IVOM-Therapie bedeutet, dass ein Patient nicht mehr als einen Behandlungs- oder Kontrolltermin innerhalb eines Jahres versäumt. Auch der Therapiebeginn darf nicht um mehr als zwei Wochen hinausgezögert werden. Aus Erhebungen geht hervor, dass die Non-Adhärenz bei Menschen mit Diabetes bis zu 44 Prozent und bei AMD bis zu 32 Prozent betragen kann.

Das Hamburger Register für intravitreale Injektionstherapien (QIVOM) soll eine indikationsübergreifende Datenbasis schaffen, um die Behandlungswirklichkeit bei intravitrealen Injektionstherapien abzubilden.

In einer ersten Publikation heißt es, dass 45 Prozent der ersten 162 Patienten eine subjektive Visusverbesserung unter der IVOM-Therapie feststellten, jedoch etwa 70 Prozent dies vor Therapiebeginn erwartet hatten (Wolfram, Schargus, 2022). Bei etwa 17 Prozent verschlechterte sich die Sehfähigkeit. Therapieabbrüche seien oft mit Unzufriedenheit, einer zu intensiven Therapie und mit zu hohen und unrealistischen Therapieerwartungen begründet worden. Für die langfristige Kontinuität der Therapie sei es von Bedeutung, ob Patienten den Verlauf als Erfolg oder Misserfolg wahrnehmen, heißt es in der Publikation.

Ziemssen bestätigt im Gespräch, dass die Adhärenz eine der größten Herausforderungen ist. »Gerade bei der AMD ist es das A und O, dass man am Ball bleibt. Wir erreichen im klinischen Alltag bei Weitem nicht die Frequenz wie in klinischen Studien. Ungefähr ein Drittel der Patienten bricht die Therapie bereits im ersten Halbjahr ab.« Die gleichzeitige Behandlung beider Augen werde regelmäßig genutzt, um die Belastung der Betroffenen und ihrer Angehörigen zu reduzieren.

Eine Spritzenphobie hätten nur etwa 2 Prozent der Patienten, berichtet der Augenarzt. Relevante Hürden seien die Gesamtbelastung, die Perspektive und die regelmäßigen Termine. Auch die Augenreizung durch die Desinfektion mit Povidon-Jod spiele eine Rolle. »Während die Betäubung 30 Minuten anhält, trocknet das Auge leicht aus. Da empfiehlt es sich, dass Patienten die Oberfläche unterstützend gut pflegen und sich am Tag der Injektion konsequent schonen.«

Eine Expertengruppe identifizierte unter anderem Faktoren wie Komorbiditäten, eingeschränkte Mobilität und den hohen zeitlichen Aufwand, die einen Verlust der Motivation nach sich zögen (Lommatzsch, 2021). Außerdem könnten Nebenwirkungen oder Schmerzen die Gefahr eines Therapieabbruchs signifikant erhöhen.

Die Expertengruppe warnt außerdem vor Informationen aus dem Internet, die zum Teil fehlerhafte und verkürzte Angaben enthalten. Sie hätten oft keinen Bezug zum eigenen Krankheitsgeschehen. Das Wissen um die notwendige Dauertherapie ist begrenzt. Das Patienten-Engagement könne durch positive Aussagen und die klare Formulierung des Behandlungsziels verstärkt werden. Die Interaktion mit Patienten bleibe das Schlüsselelement, um die Adhärenz zu verbessern, so das Fazit der Autoren.

Wie können Apotheker unterstützen?

Ziemssen unterstreicht dabei die Rolle der Apotheker. »Sie können das Grundverständnis über die Erkrankung verbessern. Die Patienten sind vor allem zu Beginn der Behandlung überfordert, sich alle Informationen zu merken. Sie sollten verstehen, dass es sich nicht nur um eine einmalige Episode handelt, sondern in den meisten Fällen eine Dauerbehandlung erforderlich ist.« Nur etwa 15 bis 20 Prozent der Patienten mit einer neovaskulären AMD hätten eine realistische Aussicht auf eine Behandlungspause von mehreren Monaten oder länger.

Apotheker könnten außerdem beim Erwartungsmanagement helfen. »Gerade bei der AMD ist es ja so, dass die Patienten zu Beginn während der Trockenlegung der Makula eine Verbesserung spüren. Das weitere Behandlungsziel ist aber der Erhalt der Sehschärfe. Das führt zu Unzufriedenheit, weil die Therapie gefühlt nicht mehr anspricht, sondern das Sehen trotz Wirksamkeit schlechter werden kann.« Dies werde ärztlicherseits oft nicht klar genug kommuniziert.

Neue Therapieoption bei trockener AMD

Für Patienten mit einer späten Form der trockenen AMD (geographische Atrophie, GA) stehen seit Kurzem – nur in den USA – erstmals zwei medikamentöse Therapieoptionen zur Verfügung. Nehmen die Drusen in Zahl und Größe zu, stören sie zunehmend die Funktion des retinalen Pigmentepithels und der Fotorezeptoren. Dabei scheint eine übermäßige Aktivierung des Komplementsystems – ein Teil des angeborenen Immunsystems – eine Rolle zu spielen.

Im Februar 2023 hat die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA den C3-Hemmer Pegcetacoplan (Syfovre™, Apellis Pharmaceuticals), der bereits zur Behandlung der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) zum Einsatz kommt, zugelassen. Ein halbes Jahr später folgte Avacincaptad Pegol (Izervay™, Astellas Pharma), das den Komplementfaktor C5 hemmt. Beide sollen das Fortschreiten der Atrophie-Fläche verlangsamen und werden alle vier beziehungsweise acht Wochen intravitreal appliziert. Der bremsende Effekt zeigt sich nach einigen Monaten, die Behandlung kann aber das Risiko für Neovaskularisationen erhöhen.

Gentherapeutische Ansätze

Die Forschung zur Therapie von Netzhauterkrankungen konzentriert sich vor allem darauf, die Anzahl der benötigten Injektionen zu senken. Vielversprechend sind gentherapeutische Ansätze zur Behandlung der nAMD. Retinale Zellen sollen mittels modifizierter AAV-Vektoren (Adeno-assoziierte Viren) ihren anti-neovaskulären Wirkstoff selbst produzieren. Auf diese Weise soll nach einmaliger Injektion eine dauerhafte VEGF-Inhibition erreicht werden.

Ixoberogen Soroparvovec (Ixo-vec, Adverum Biotechnologies) produziert Aflibercept nach einmaliger intravitrealer Injektion über einen Zeitraum von etwa drei Jahren und befindet sich in Phase II der klinischen Entwicklung.

Einen Schritt weiter sind Forschende in der Entwicklung eines Gentherapeutikums, das nach einmaliger subretinaler Verabreichung ein Anti-VEGF-Antikörperfragment produziert. RGX-314 (Abbvie) wird gegenwärtig in einer Phase-III-Studie mit 465 Patienten geprüft. Dabei wird die Wirkung von zwei verschiedenen Dosen RGX-314 mit der von Aflibercept verglichen (NCT05407636).

Wirkstoffvorrat direkt im Auge

In den USA bereits zugelassen ist ein Port Delivery System (PDS). Bei Susvimo™ (Roche/Genentech) handelt es sich um ein permanentes, nachfüllbares Implantat in der Größe eines Reiskorns (8,4 mm × 2,6 mm), das in die Sklera eingesetzt wird. Es gibt kontinuierlich Ranibizumab in das Auge ab und kann bei Bedarf nachgefüllt werden. Passive Diffusion aus dem Reservoir gewährleistet eine konstante Wirksamkeit über eine Dauer von sechs Monaten (Hattenbach, Wolf, 2021).

In der Archway-Phase-III-Studie wurden die Sicherheit und Wirksamkeit des PDS im Vergleich zur monatlichen Ranibizumab-Injektion untersucht (DOI: 10.1016/j.ophtha.2021.09.016). Der primäre Endpunkt – die nicht-unterlegene Wirksamkeit des PDS – wurde erreicht, wobei mehr als 98 Prozent der mit PDS behandelten Patienten innerhalb der ersten 24 Wochen keine zusätzlichen Injektionen benötigten. Die Zahl der Eingriffe am Auge nahm deutlich ab: In den ersten 72 Wochen der Studie erhielten die Patienten im monatlichen IVOM-Arm im Mittel 19 Injektionen, die Patienten des PDS-Arms knapp vier Behandlungen (Implantation und Refills). Nach einer Neuzulassung des überarbeiteten Implantats, an dem sich zuvor im Rahmen einzelner Befüllungen ein Teil gelöst hatte, wird auch für Europa mit einer Zulassung gerechnet.

Es tut sich also viel in der Forschung, um die Therapie mit VEGF-Hemmern zu vereinfachen und die Behandlungslast für Patienten mit chronischen Erkrankungen der Netzhaut zu senken.

Interview: »Der Patient muss sofort reagieren«

Die Endophthalmitis ist eine seltene, aber gefährliche Komplikation nach einer intravitrealen Medikamenteneingabe. Professor Dr. Focke Ziemssen, Leiter der Universitätsaugenklinik Leipzig, erklärt im Gespräch mit der PZ, worauf Patienten achten müssen und welche Rolle die Nachsorgetermine spielen.

PZ: Wie sicher ist die intravitreale operative Medikamenteneingabe (IVOM)?

Ziemssen: Das Risiko von Nebenwirkungen ist sehr gering und die Mortalität nicht erhöht, was wichtig ist bei hochaltrigen Patienten. Selten reagieren Patienten systemisch auf die Injektion. Es gibt Hinweise darauf, dass die Dosierung eine Rolle spielt. Bei beidseitiger Behandlung ist das Risiko für unerwünschte Ereignisse, beispielsweise Thromboembolien, etwas erhöht.

PZ: Wie hoch schätzen Sie das Risiko für eine Endophthalmitis?

Ziemssen: Das Risiko liegt zwischen 1:2500 und 1:5000. Obwohl die Wahrscheinlichkeit einer Infektion pro Injektion nicht konstant ist, nimmt die Gefahr mit der Anzahl an Spritzen kumulativ zu. Die Verursacher sind meist Hautkeime wie Streptokokken und Staphylokokken, nur selten gramnegative Erreger. Der wichtigste Schutz ist die Desinfektion mit Jod zur Vermeidung einer Endophthalmitis. Das Risiko ist mit anderen Desinfektionsmitteln höher. Daher wird selbst bei vermeint­lichen Unverträglichkeiten teils Jod verwendet. Eine Reizung des Auges wird nicht selten gesehen. Meist sind es andere Inhaltsstoffe, die eine allergische Reaktion auslösen.

PZ: Was sind die Symptome einer Endophthalmitis?

Ziemssen: Schmerzen und Rötung des Auges, vor allem aber eine schnelle Sehverschlechterung. Der Patient muss diese Symptome kennen und sofort reagieren. Er darf nicht lange warten, sondern muss sich beim kleinsten Verdacht und zu jeder Uhrzeit sofort beim Augenarzt oder im augenärztlichen Notdienst vorstellen.

PZ: Wie wird behandelt?

Ziemssen: Es ist wichtig, das Auge mit einer schnellen Vitrektomie zu spülen und Antibiotika ins Auge zu geben. Es gibt aktuell noch keinen klar gesicherten Nutzen für die intravenöse Antibiose im Anschluss. Sie wird aber trotzdem meist gegeben.

PZ: Wie wichtig sind die Nachkontrollen in den Tagen nach der Injektion?

Ziemssen: Wegen des schnellen Auftretens einer Infektion kann auch die Nachsorge keine Sicherheit garantieren. Man kann nichts wegkontrollieren. Eine Endophthalmitis nach einer IVOM entwickelt sich meist schneller als nach einer Katarakt-Operation. Bakterien im Glaskörperraum haben einen direkten Zugang zu den Proteinen der Netzhaut und vermehren sich schnell. Das kann auch kurz nach einem Kontrolltermin akut werden.

Die Nachsorge nach einer IVOM ist aber insbesondere bei Wirkstoffen mit erhöhtem Risiko steriler Entzündungen, zum Beispiel Brolucizumab, sinnvoll. Ein erster Hinweis auf eine Entzündungsreaktion durch Anti-Brolucizumab-Antikörper können Zellen in der Vorderkammer sein. Daher kann eine Untersuchung für die frühe Identifikation helfen. Gefährdet sind vor allem Patienten mit Umstellung des Präparats nach intensiver Vorbehandlung, Menschen mit entzündlichen Vorerkrankungen und Frauen.

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