»Teuerster Gesundheitsminister aller Zeiten« |
Lukas Brockfeld |
03.09.2024 16:18 Uhr |
Gesundheitsminister Karl Lauterbach rechnet im kommenden Jahr mit steigenden Krankenkassenbeiträgen. / Foto: IMAGO/Sven Simon
Angesichts knapper Kassen sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in der vergangenen Woche im Magazin »Stern«, dass er für das kommende Jahr mit steigenden Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung rechne. Der Sozialdemokrat begründete dies mit dem Ausbleiben von wichtigen Reformen in der Vergangenheit. Jetzt müsse Geld investiert werden, um Strukturen zu reformieren und langfristig die Kostenentwicklung zu dämpfen. Eine konkrete Zahl nannte der Minister nicht.
Lauterbachs Äußerungen stießen auf deutliche Kritik. So sagte Hans-Jürgen Müller, Vorstandsvorsitzender der gemeinsamen Vertretung der Innungskrankenkassen (IKK), es sei »skandalös«, dass der Gesundheitsminister steigende Beiträge einfach hinnehme.
»Erst kommt die Regierung ihren Versprechungen aus dem Koalitionsvertrag nicht nach. Dann unterläuft der Bundesgesundheitsminister den gesetzlichen Auftrag des Bundestags, eine Finanzreform zu erarbeiten, indem er Maßnahmen auf wirtschaftlich bessere Zeiten verschiebt! Stattdessen belastet er die GKV und damit die Beitragszahlenden, also die Versicherten und Arbeitgeber, weiterhin mit verfassungsrechtlich fragwürdigen Ausgaben«, so Müller.
Kritik kam auch vom Dachverband der Betriebskrankenkassen (BKK). »Ja, es muss Geld in die Hand genommen werden für bisher unterlassene Strukturreformen und die notwendige Verbesserung der Versorgung. Aber das muss refinanziert werden durch den Abbau von Bürokratie, Redundanzen, Überflüssigem und Ineffizientem«, erklärte Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverbandes.
Doch entsprechende Pläne habe Lauterbach nicht vorgelegt. »Und nein, der Umbau der Krankenhäuser und die Finanzierung eines Transformationsfonds ist nicht Aufgabe der Beitragszahler, sondern von Bund und Ländern. Und nein, Versorgungsverbesserungen erreicht man nicht mit dem Prinzip Hoffnung durch mehr Geld in der ambulanten hausärztlichen Versorgung. Und nein, die Herzgesundheit der Bevölkerung verbessert sich nicht durch Massenscreenings bei gleichzeitiger Aushöhlung der Prävention. Und bei der Pflege? Hier liegen noch gar keine Ideen zur Verbesserung der Versorgung von Pflegebedürftigen oder zur Verbesserung der Situation von Angehörigen auf dem Tisch«, so Klemm.
Die Versicherten müssten nach Ansicht des BKK Dachverbandes einen doppelten Preis zahlen und mit steigenden Beiträgen sowie einer »Verschlimmbesserung« in der Gesundheitsversorgung leben. »Wir fordern Karl Lauterbauch auf, zur politischen Realität zurückzukehren. Das Geld wächst nicht immer nur auf den Bäumen der Beitragszahler. Die Position der Betriebskrankenkassen ist klar: Jetzt keine weiteren Belastungen für die Beitragszahler. Die Reform des Gesundheitssystems muss sich darauf konzentrieren, Effizienzreserven zu heben, statt die Versicherten zusätzlich zu belasten und die finanzielle Stabilität der Krankenkassen zu gefährden«, sagte Klemm.
Auch die AOK hält nichts von Beitragserhöhungen. »Schon zur Jahreshälfte überspringt das GKV-Defizit die Zwei-Milliarden-Euro-Marke. Kassendefizite und Ausgabendynamik sind mittlerweile besorgniserregend, der Anstieg der Zusatzbeiträge innerhalb dieser Legislatur ist einmalig. Bereits ohne die drohenden Mehrausgaben durch die aktuellen Gesetzesvorhaben rechnen wir allein im Jahr 2025 mit einem zusätzlichen Finanzbedarf von bis zu 0,6 Beitragssatzpunkten in der Gesetzlichen Krankenversicherung und 0,25 Prozentpunkten in der Sozialen Pflegeversicherung«, so die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann.
Lauterbach entwickele sich zum »teuersten Gesundheitsminister aller Zeiten« und müsse dringend auf die »Ausgabenbremse« treten. »Inzwischen räumt er offen ein, dass alleine die anstehende Krankenhausreform zu höheren Beitragssätzen für die GKV-Versicherten führen wird. Aber die hälftige Finanzierung des Krankenhaus-Transformationsfonds, die der GKV trotz Nicht-Zuständigkeit aufgedrückt werden soll, ist ja nicht die einzige Maßnahme der Ampel, die den Druck auf die Beitragssätze erhöhen wird«, so die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes.
Auch die Aufhebung des Budgetdeckels für die Hausärzte, das Aufweichen der AMNOG-Leitplanken und die geheimen Erstattungsbeträge für Arzneimittel werden laut AOK zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe verursachen, ohne einen echten Mehrwert für die Versicherten zu bringen. Zur Entlastung der GKV schlägt Carola Reimann unter anderem die Auszahlung von Pauschalen für Bürgergeld-Beziehende an die GKV und die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Arzneimittel auf 7 Prozent vor.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) weist Lauterbachs Aussage, dass Beitragserhöhungen auch aufgrund der Krankenhausreform notwendig seien, zurück. »Es wäre schön, wenn die Erklärung des Bundesgesundheitsministers für die bevorstehenden Beitragssatzerhöhungen im kommenden Jahr korrekt wären und tatsächlich zur wirtschaftlichen Stärkung der Krankenhäuser eingesetzt würden. Dies ist jedoch nach allen bisher bekannten Reformentwürfen von Karl Lauterbach nicht der Fall«, erklärte der DKG Vorstandsvorsitzende Gerald Gaẞ.
Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz enthält nach Einschätzung der DKG keine beitragssatzrelevante, finanzielle Unterstützungen für die Krankenhäuser. »Der Minister verspricht in seinem Gesetzentwurf sogar Minderausgaben der Gesetzlichen Krankenkassen von 330 Millionen Euro im Jahr 2025 und in den Folgejahren sogar Minderausgaben von jeweils 1 Milliarde Euro. Wie diese Prognosen in seinem vorliegenden Gesetzentwurf und seine jetzt wohl klingende öffentliche Erklärung zusammenhängen, weiß offensichtlich der Minister nur selbst«, klagte Gaß.