| Cornelia Dölger |
| 11.12.2025 12:00 Uhr |
Medizinische Beratung per Bildschirm – die Bundesregierung will solche Angebote ausbauen. Dass ein Apotheker im Sauerland jetzt eine Telemedizin-Box in seinen Räumen aufstellen wollte, strapaziert die aktuelle Gesetzeslage. / © eggeeggjiew
Apotheker Jürgen Schäfer ist dabei, den Staffelstab an die nächste Generation weiterzugeben. Seine Nachfolgerin Jasmin Ennulath wird die Franziskus-Apotheke in Winterberg im Hochsauerlandkreis ab dem 1. Januar 2026 übernehmen. Einläuten soll die neue Ära neben erweiterten Leistungsangeboten ein grundlegender Umbau der Räumlichkeiten, ein neuer Kommissionierer, der 18.000 Präparate vorhält, neue, moderne Vortragsräume – und eine Telemedizin-Box. Diese hat Schäfer für ein hohes Investment bei der Firma Medivise bestellt. Eingebaut werden sollte sie Mitte Dezember.
Daraus wird vorerst nichts. Denn die geplante Telemedizin-Kabine verstoße gegen Rechtsvorschriften, hieß es von der Apothekenaufsicht. Die bestellte Box habe er daraufhin erst einmal »zurückgepfiffen«, so der Apotheker.
Assistierte Telemedizin ist Bestandteil der Digitalisierungsstrategie des Bundes. Über Angebote in Apotheken wird auch im Rahmen der aktuellen Reformpläne nachgedacht. Gut möglich, dass mit dem geplanten Apothekenversorgungs-Weiterentwicklungsgesetz (ApoVWG), das nach derzeitiger Planung am 17. Dezember ins Kabinett soll, konkretere Schritte festgezurrt werden. Bislang aber sieht die Überwachungsbehörde einen Regelverstoß darin, dass eine solche Box in einer Apotheke steht.
Denn damit würden die vorgeschriebene Trennung von Arzt und Apotheke und das Zuweisungsverbot umgangen, hatte der Amtsapotheker nach Schäfers Angaben argumentiert. Die Box müsse sich außerhalb der Betriebsräume befinden und einen separaten Zugang haben.
Solche Hürden kann Apotheker Schäfer nicht nachvollziehen – zumal sich die Apotheken angesichts der Vorstöße von Drogerien und Supermärkten in den Gesundheitsbereich doch im Zugzwang befänden. Vom Versandhandel könnten Apotheken sich vor allem durch Kundennähe und individuelle Beratung abheben. Die räumliche Trennung sei hingegen wenig patientennah, sondern »eine umständliche Notlösung«.
Gleichzeitig zeigt Schäfer Verständnis für die Behördenseite, die verpflichtet sei, die Einhaltung der Vorschriften zu prüfen und durchzusetzen. Der Amtsapotheker sei kein grundsätzlicher Gegner solcher Angebote, so Schäfer. Vielmehr habe dieser ihm plausibel dargelegt, wie unsicher die diesbezügliche Rechtslage derzeit noch sei. Weitere Gespräche und Treffen seien geplant. »Es geht uns darum, einen gemeinsamen Weg zu suchen«, meint Schäfer.
Dass dieser erst noch geebnet werden muss, zeigen andere Fälle aus Nordrhein-Westfalen, in denen eine solche Telemedizin-Box in Apotheken – anders als in Winterberg – offenbar genehmigt wurde. Davon berichtet Tobias Leipold, Geschäftsführer der Herstellerfirma Medivise. »Wir können darauf hinweisen, dass die Zusammenarbeit mit Aufsichtsbehörden an anderen Standorten bereits konstruktiv verläuft und dort keine grundsätzlichen Bedenken gegen den Einsatz der Medivise Telemedizin Box in Apotheken bestehen«, so Leipold zur PZ.
Nach seinem Kenntnisstand handele es sich bei der Rückmeldung der Behörde um eine erste mündliche Einschätzung, so Leipold weiter. »Neue Versorgungsmodelle müssen im Alltag erklärt und gemeinsam mit allen Beteiligten eingeordnet werden. Die dafür notwendigen Gespräche führen wir nun gemeinsam mit der Franziskus-Apotheke.« Er gehe davon aus, dass sich offene Punkte zeitnah klären lassen und Bedenken ausgeräumt werden könnten.
Wie unklar die Lage für die Apotheken ist, erläutert das NRW-Landesamt für Gesundheit und Arbeitsschutz auf PZ-Anfrage. In letzter Zeit hätten die Gesundheitsämter mehrere Apothekenanfragen nach der Zulässigkeit von solchen Telemedizin-Kabinen bekommen, so eine Sprecherin. Die Fragen ergäben sich aus den Entwicklungen des Digitalisierungsgesetzes sowie dem politischen Plan, telemedizinische Angebote auch unter Apothekenbeteiligung auszubauen. »Es gilt daher, zeitnah die apothekenrechtlich relevanten Fragen zu klären«, appelliert die Sprecherin. Zu klären wären demnach etwa die generellen Möglichkeiten und Grenzen in den eigenen Betriebsräumen, die Sicherstellung der unbeeinflussten Apothekenwahl sowie der Ausschluss von Patientenzuweisungen – also am Ende die Bedenken, die der Amtsapotheker in Winterberg hatte.
Es gebe dazu bis dato keine konkreten Vorgaben im Apothekengesetz, so die Sprecherin weiter. Hinzu komme, dass jeder Fall individuell sei. Die Behörden träfen ihre Entscheidungen also im Einzelfall und unter Berücksichtigung der örtlichen Begebenheiten. Um das Handeln der Verwaltung zu vereinheitlichen, stehe das Landesamt für Gesundheit und Arbeitsschutz NRW als zuständige Fachaufsicht mit den zuständigen Behörden sowie dem Gesundheitsministerium im Austausch.
Schäfer sieht seine Idee nicht als Konkurrenz zu Ärzten; der Arzt-Apotheker-Kontakt bleibe das Optimale. Wenn Ärzte aber nicht greifbar seien, könne eine solche Box schnelle und kundennah Abhilfe schaffen. Oder sei es etwa besser, Patienten, die ihr Rezept vergessen haben, in solchen Fällen bis zur nächsten Notdienstpraxis oder in die Notfallambulanz zu schicken? Gerade in ländlichen Gebieten lege dies einer patientennahen Versorgung Steine in den Weg.
In Winterberg wird nun weiter dafür gekämpft, die Box aufstellen zu dürfen. Der Amtsapotheker habe in Aussicht gestellt, dass sich die derzeitige Rechtslage bald ändern könnte. Schäfer will seine junge Nachfolgerin nicht schon mit Rechtsproblemen in die Selbstständigkeit schicken. Gleichzeitig weiß er, wie wichtig neue, digitale Angebote für eine moderne Versorgung sind. Für alle Fälle hat er schon einmal mit seinem Architekten besprochen, ob ein separater Zugang zur Telemedizin-Box baulich möglich wäre.