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Lymphome

Tattoos als mögliches Krebsrisiko

Als Fremdsubstanz, die eine Immunreaktion auslöst, könnte Tattoo-Tinte das Risiko für maligne Lymphome erhöhen. Eine schwedische Beobachtungsstudie zeigt diesen Zusammenhang, müsste aber vor einer entsprechenden Warnung erst noch repliziert werden.
AutorKontaktAnnette Rößler
Datum 09.07.2024  16:00 Uhr

Ein kleiner Schmetterling hier, der Name der Lieblingsband dort: Tattoos erfreuen sich gerade besonders bei jungen Leuten einer großen Beliebtheit. Laut einer Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts YouGov waren im Jahr 2021 bereits 26 Prozent der 25- bis 34-Jährigen in Deutschland tätowiert und weitere 14 Prozent wünschten sich ein Tattoo. Doch die Langzeitfolgen für das Immunsystem seien noch unzureichend erforscht, warnt eine Gruppe um Professor Dr. Christel Nielsen von der Universität Lund in Schweden.

Dass Nielsen und die meisten Forschenden ihres Teams selbst tätowiert sind, sollte man nicht meinen, wenn man ihre aktuelle Publikation im Fachjournal »eClinicalMedicine« liest. Detailliert werden darin mögliche gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe der Tattoo-Tinte aufgelistet: primäre aromatische Amine (PAA) in bunten Tinten, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH) in schwarzer Tinte und (Schwer)metalle wie Arsen, Chrom, Cobalt, Blei und Nickel in beiden. Eine »signifikante und besorgniserregende Anzahl« an Chemikalien in Tattoo-Tinte seien als Karzinogene einzustufen, so Nielsen und Kollegen.

Lokale und systemische Reaktionen

Um die Tinte in die Dermis einzubringen, werde beim Stechen eines Tattoos die Hautbarriere durchstoßen. Dies löse eine lokale Immunreaktion aus. Zudem werde die Tinte teilweise in den nächstgelegenen Lymphknoten transportiert, was auch eine systemische Immunreaktion nach sich ziehe. Störungen des Immunsystems und in der Folge maligne Lymphome würden immer häufiger auch mit der Exposition gegenüber Umweltgiften wie Lösungsmitteln, Pestiziden oder Bleichmitteln in Verbindung gebracht. Vor diesem Hintergrund untersuchten die Forschenden mit einer Fall-Kontroll-Studie, ob auch Tätowierungen mit einem erhöhten Lymphomrisiko in Verbindung stehen.

Anhand von Registerdaten identifizierten sie zunächst alle 20- bis 60-Jährigen, die in Schweden zwischen 2007 und 2017 neu an einem malignen Lymphom erkrankt waren. Diese wurden befragt, ob sie tätowiert sind oder waren. Im Fall einer positiven Antwort wurden weitere Details zu dem Tattoo abgefragt, etwa Größe und Farbe sowie das Jahr, in dem die (erste) Tätowierung vorgenommen wurde. Dieselben Fragen bekamen drei zu jedem einzelnen Patienten gematchte Kontrollpersonen ohne Lymphomerkrankung aus der Allgemeinbevölkerung gestellt.

Insgesamt beteiligten sich 1398 Patienten (54 Prozent Rückläuferquote) und 4193 Kontrollen (47 Prozent Rückläuferquote) an der Studie. Von den Lymphompatienten waren 21 Prozent tätowiert und von den Kontrollen 18 Prozent. Das bedeutete ein um 21 Prozent erhöhtes Lymphomrisiko bei Trägern eines Tattoos im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (Incidence Rate Ratio 1,21). Das relative Erkrankungsrisiko war in den ersten beiden Jahren nach dem Stechen eines Tattoos am höchsten (IRR 1,81) und sank dann, nahm aber im Laufe der Zeit wieder zu auf ein IRR von 1,19 nach mindestens elf Jahren. Am stärksten war der Risikoanstieg bei diffus-großzelligem B-Zell-Lymphom (IRR 1,31) und follikulärem Lymphom (1,29).

Ob es ein großes oder kleines Tattoo war, war für das Lymphomrisiko unerheblich. Gleiches galt für die Farbe(n) der Tinte. Um zu ermitteln, ob diese Faktoren tatsächlich eine Rolle spielen, sei die Studie aber nicht groß genug gewesen, so die Autoren.

Risiko kurz- und langfristig erhöht

Die Zweiphasigkeit der Risikoerhöhung (nach 0 bis 2 Jahren und dann wieder nach ≥11 Jahren) deutet aus Sicht der Forschenden darauf hin, dass verschiedene Mechanismen relevant sind. Während für das kurzfristig erhöhte Lymphomrisiko feste Pigmentpartikel verantwortlich sein könnten, gingen die langfristigen Wirkungen wohl eher von löslichen Verbindungen aus. Insgesamt sei die Toxikokinetik von Tätowiertinten aber noch sehr wenig erforscht.

Bemerkenswerterweise war das relative Lmyphomrisiko bei Personen, die sich ein Tattoo hatten weglasern lassen, noch deutlich stärker erhöht als bei solchen, die die Körperbemalung weiter trugen (IRR 2,63). Das würde zu den Überlegungen zur Toxikokinetik insofern passen, als bei einer Laserbehandlung die Tinte ja nicht aus dem Körper entfernt, sondern lediglich in kleine Partikel zertrümmert wird, die dann über das lymphatische System abtransportiert werden. Allerdings war die Fallzahl von gelaserten Ex-Tattoo-Trägern zu gering, um solche Aussagen treffen zu können.

Obwohl es sich um eine vergleichsweise große Studie handelt, kann aus dem Ergebnis nicht gefolgert werden, dass Tattoos tatsächlich das Lymphomrisiko erhöhen. Dies ist wegen des Studiendesigns ausgeschlossen. Weitere Untersuchungen sind daher aus Sicht der Autoren notwendig, um den Zusammenhang zu erhärten oder zu entkräften.

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