Tägliche Kapsel statt Abnehm-Spritze |
Daniela Hüttemann |
06.07.2023 18:00 Uhr |
In einer Studie wurde mit der Einnahme von Orforglipron ein Gewichtsverlust vergleichbar mit dem injizierbarer GLP-1-Agonisten erzielt. / Foto: Adobe Stock/ryanking999
Die GLP-1-Agonisten Semaglutid und Liraglutid haben bereits als Wegovy® und Saxenda® eine Zulassung als Medikamente zur Gewichtreduktion. Als Peptide müssen sie gespritzt werden: Semaglutid 2,4 mg einmal wöchentlich, Liraglutid 3 mg täglich. Als erster und bislang einziger GLP-1-Agonist steht Semaglutid unter dem Namen Rybelsus® von Novo Nordisk seit 2020 auch in Tablettenform zur Verfügung, allerdings nur zur Behandlung eines unzureichend kontrollierten Typ-2-Diabetes. Die Tablette enthält als Resorptions-Enhancer Salcaprozatnatrium.
Allerdings ist die zugelassen orale Dosierung von 14 mg Semaglutid weniger effektiv zum Abnehmen als die subkutane Injektion. Es muss einmal täglich 30 Minuten vor dem Frühstück mit maximal 30 ml Wasser eingenommen werden und darf nicht mit anderen Medikamenten eingenommen werden. Höher dosierte Formulierungen von oralem Semaglutid (25 und 50 mg) sind in der Entwicklung. Doch die Konkurrenz von Novo Nordisk schläft nicht.
Vor Kurzem hat Eli Lilly Phase-II-Daten veröffentlicht – zu einem nicht-peptidischen GLP-1-Agonisten namens Orforglipron, der auch ein etwas anderes pharmakodynamisches Profil als die peptidischen GLP-1-Analoga hat, wie die Studienautoren aktuell im »New England Journal of Medicine« berichten. Die Kapseln kommen ohne einen Resorptions-Enhancer aus und erlauben eine flexiblere Einnahme bezogen auf Getränke, Lebensmittel und andere Medikamente.
Orforglipron löse am GLP-1-Rezeptor eine cAMP-Signalkaskade aus, wie natürliches GLP-1 (Glucagon like Peptide 1), führe jedoch zu einer niedrigeren Aktivierung des β-Arrestin-Signalwegs, der die Rezeptor-Internalisierung reguliert. Damit soll Orforglipron ähnliche Eigenschaften haben wie der bereits zugelassene duale GLP-1- und GIP-Agonist Tirzepatid (Mounjaro®).
Die 272 Teilnehmer der Studie hatten Adipositas (BMI ab 30 kg/m2) oder Übergewicht plus einen weiteren Risikofaktor. Sie bekamen entweder einmal täglich Placebo oder eine Kapsel mit 12, 24, 36 oder 45 mg Orforglipron als Erhaltungsdosis über 36 Wochen. Zu Studienbeginn lag das Durchschnittsgewicht bei 108,7 Kilogramm, der BMI bei 37,9 kg/m2. Primärer Endpunkt war die Gewichtsabnahme nach 26 Wochen, sekundärer Endpunkt der Gewichtsverlust nach 36 Wochen.
Nach 26 Wochen war das Ursprungsgewicht je nach Orforglipron-Dosierung um 8,6 bis 12,6 Prozent gesunken gegenüber minus 2,0 Prozent unter Placebo. Nach 36 Wochen war insgesamt ein Minus von 9,4 bis 14,7 Prozent unter dem Wirkstoffkandidaten gegenüber minus 2,3 Prozent unter Placebo zu verzeichnen. Auch andere kardiometabolische Werte wie Blutdruck und Blutfettwerte besserten sich. Damit wurde ein Gewichtsverlust vergleichbar mit den injizierbaren GLP-1-Agonisten und besser als unter der bislang zugelassenen oralen Semaglutid-Dosierung erzielt.
Dabei war nach den 36 Wochen des Beobachtungszeitraums mit Orforglipron noch kein Plateau erzielt worden. Das deutet daraufhin, dass noch mehr Gewichtsverlust möglich ist, wenn der Arzneistoff länger eingenommen wird.
»Das Ausmaß der in dieser Studie beobachteten Gewichtsabnahme entspricht dem derzeit empfohlenen Zielwert für die Gewichtsreduktion, von dem erwartet wird, dass er zu einer Verbesserung vieler mit Fettleibigkeit verbundener Begleiterkrankungen führt«, schreiben die Autoren. Es seien jedoch weitere Studien erforderlich, um festzustellen, ob die mit injizierbaren GLP-1-Rezeptor-Agonisten beobachteten gesundheitlichen Vorteile auch für Orforglipron gelten.
Die meisten berichteten Nebenwirkungen waren milde bis moderate gastrointestinale Symptome wie Übelkeit und Erbrechen. Die Dosierung soll in folgenden Studien noch optimiert werden (niedrigere Startdosierung und langsamere Dosis-Eskalation).