»Systemzerstörung ist keine bürokratische Erleichterung« |
Alexander Müller |
27.09.2024 14:54 Uhr |
Eckart Bauer, ABDA-Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales, präsentierte bei den LAV-Wirtschaftstagen in Merseburg beunruhigende Zahlen. / Foto: PZ
Bei den Wirtschaftstagen des Landesapothekerverbands Sachsen-Anhalte stellte Bauer zunächst die Kennzahlen der Apotheken des abgelaufenen Jahres vor: Betriebsergebnisse auf dem Niveau von 2019 bei steigenden Kosten führten dazu, dass jede zehnte Apotheke defizitär lief.
Im ersten Halbjahr 2024 habe sich der Trend fortgesetzt und beschleunigt: Die Zahl der Apothekenschließungen steige und das bei einem niedrigeren Ausgangswert. Was das laufende Jahr angeht, kann Bauer wenig Hoffnung machen: Es geben viele Indizien, dass das zweite Halbjahr wirtschaftlich »deutlich herausfordernder« werde als das erste.
Die Zahl der Apotheken geht weiter zurück, parallel steigt die Verunsicherung. Es gibt Bauer zufolge kaum noch Neugründungen, mittlerweile sinkt sogar die Zahl der Filialen. »Kein Bundesland weicht von diesem Trend ab«, stellt Bauer klar, und der Wirtschaftsexperte sieht kaum eine Chance für eine Trendumkehr in 2024.
Zu den neuen Belastungen zählt Bauer unter anderem die Folgen des Skonto-Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH). Die Konditionenanpassungen der Großhändler und Direktlieferanten würden in der zweiten Jahreshälfte voll in den Betrieben durchschlagen.
Und: Seit dem 1. Juli gilt der neue Gehaltstarifvertrag. Der bringe neben der Gehaltserhöhung für die Angestellten eine Arbeitszeitverkürzung mit sich, erinnerte Bauer. Ebenfalls auf die Personalkosten wirkten sich die steigenden Zusatzbeiträge vieler Krankenkassen im Jahresverlauf aus.
Anschließend ging Bauer noch auf das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) ein. Die darin vorgesehene »Apotheke ohne Apotheker« sei für den Berufstand ein »No-Go«. Bauer zufolge wird die »Besonderheit des niederschwelligen Zugangs zu einem Heilberufler« zerstört. Abgesehen davon bestehe ein innerer Widerspruch zum Ausbau von Leistungen, die an Apotheker ›geknüpft‹ sind wie Impfungen oder die Medikationsanalyse. Bauer brachte seine Kritik auf den Punkt: »Systemzerstörung ist keine bürokratische Erleichterung!«
Was die Honorarfrage angeht, müssten sich Apotheken bis Ende 2026 mit einer reinen Umverteilung begnügen und dann in Verhandlungen mit dem Spitzenverband der Krankenkassen treten. Doch selbst die Umverteilung bewirke eine weitere Abkopplung von der Kostenentwicklung, warnte Bauer.
Die geplante Absenkung des variablen Teils der Vergütung zugunsten einer Erhöhung des Fixums wird laut Bauer perspektivisch nachteilig. Immer mehr Apotheken hätten Probleme mit der Vorfinanzierung der Hochpreiser, und deren Anteil am Umsatz steigt bekanntlich. Dies treffe die Apotheken zu einer Zeit, in der die Niedrigzinsphase zu Ende sei. »Die massive wirtschaftliche Gefährdung vieler Apotheken und damit des Erhalts einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung wird negiert, die Dringlichkeit politischen Handelns geleugnet«, so Bauer.
Die vorgesehenen direkten Verhandlungen über das Honorar ab 2027 zwischen Deutschem Apothekerverband und GKV-Spitzenverband bezeichnet Bauer als »bemerkenswerte Konstruktion«. Dazu zählt Bauer, dass das BMG sich vorbehält, weitere Datengrundlagen für die Verhandlung oder ein etwaiges Schiedsverfahren festzulegen. »Das bleibt ein politisches Risiko – vielleicht auch eine politische Chance«, so Bauer.
Abschließend fasste der Abteilungsleiter Wirtschaft der ABDA die Forderungen der Apothekerschaft zusammen: eine deutliche Erhöhung und Dynamisierung des Fixums, eine angemessene Reaktion auf das Skonto-Urteil, eine finanzielle Soforthilfe, sinnvolle Flexibilisierungen und größere Handlungsfreiheiten bei der Bewältigung der Lieferengpässe.