Syphilis erreicht neue Höchstwerte |
Laura Rudolph |
19.02.2024 15:00 Uhr |
Syphilis ist eine sexuell übertragbare Infektion mit dem Bakterium Treponema pallidum. Bleibt die Erkrankung unbehandelt, drohen Spätschäden im zentralen Nervensystem und an Blutgefäßen. / Foto: Getty Images/Christoph Burgstedt/Science Photo Library
Syphilis ist eine bakterielle Infektion mit der Spirochätenart Treponema pallidum. Der Erreger kann sexuell, durch Blut oder intrauterin von der Mutter auf das Kind übertragen werden. Zu den ersten Symptomen einer Infektion zählen geschwollene Lymphknoten und ein meist schmerzloses Geschwür an der Eintrittsstelle, das in der Regel zwei bis drei Wochen nach der Ansteckung auftritt und sich später ausbreiten kann. Syphilis ist mit Antibiotika gut therapierbar. Unbehandelt drohen jedoch Spätfolgen wie Nervenschäden am Gehirn und Schädigungen der Blutgefäße.
Mit Ausnahme der Jahre 2020 und 2021 stieg die Anzahl der Syphilis-Infektionen in Deutschland seit 2010 kontinuierlich an. 2022 erreichte die meldepflichtige Geschlechtskrankheit mit 8305 Fällen einen neuen Höchststand, wie aus dem aktuellen »Epidemiologischen Bulletin« Nummer 7/2024 des RKI hervorgeht. Auch in den USA ist Syphilis eine zunehmende Gesundheitsbedrohung. Zuletzt kam eine hohe Anzahl Neugeborener, die sich bei der Mutter infiziert hatte, mit Syphilis zur Welt.
Mit bundesweit 10,0 Fällen pro 100.000 Einwohner lag die Inzidenz 2022 in Deutschland über dem Median der fünf Vorjahre (8,9). Es gab 1560 Infektionen mehr als im Vorjahr. Dies entspricht einer Zunahme um 23,1 Prozent, so das RKI. Insbesondere in Ballungsräumen infizierten sich die Betroffenen. Die mit Abstand höchsten Inzidenzen wurden demnach in den Stadtstaaten Berlin (41,3) und Hamburg (23,1) registriert. Mit Blick auf die einzelnen Städte gab es außerdem in Köln (42,9), München (38,9), Nürnberg (29,2), Frankfurt am Main (27,8) und Düsseldorf (25,5) vergleichsweise hohe Inzidenzen. Aber auch ländlichere Gebiete seien betroffen, betont das RKI.
Nur 5,6 Prozent der Infektionen traten bei Frauen auf. Damit unterschied sich die Syphilis-Inzidenz erheblich zwischen den Geschlechtern und lag bei Männern mit 18,9 Fällen pro 100.000 Einwohner um das 17-fache höher als bei Frauen mit 1,1 Fällen pro 100.000. Infizierte waren im Median 40 Jahre alt mit einer großen Spannweite von 0 bis 86 Jahren.
Weitaus größere Ausmaße nimmt die Syphilis-Epidemie aktuell in den USA an. Die Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) berichtete kürzlich, dass die Infektionszahlen auf ein Rekordhoch gestiegen seien mit einem Plus von rund 80 Prozent innerhalb der vergangenen fünf Jahre.
Insbesondere konnatale Syphilisfälle, bei denen sich Kinder entweder im Mutterleib oder bei der Geburt bei der Mutter infizieren, seien mit mehr als 3700 Fällen im Jahr 2022 alarmierend hoch. Darunter wurden 231 Fehlgeburten und weitere 51 Todesfälle bei lebend geborenen Kindern berichtet. Laut der CDC haben konnatale Infektionen damit innerhalb der letzten zehn Jahre um 937 Prozent zugenommen. Gleichzeitig wurde in den USA auch über einen starken Anstieg von Syphilis bei Frauen zwischen 15 und 44 Jahren sowie Schwangeren berichtet.
Die Organisation National Coalition of STD Directors (NCSD), die sich auf die Bekämpfung und Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten (STI) konzentriert, kommentiert: »Die neuesten STI-Daten der CDC zeigen, dass unsere Nation mit einer sich rapide verschlechternden Krise der öffentlichen Gesundheit konfrontiert ist, bei der Leben auf dem Spiel stehen. STI – insbesondere Syphilis – werden weiterhin außer Kontrolle geraten, solange die Regierung und der Kongress den Gemeinden nicht die Mittel zur Verfügung stellen, die sie benötigen, um die grundlegendsten Screening-, Behandlungs- und Präventionsmaßnahmen anzubieten.«
Zum Vergleich: Laut dem RKI lag die Zahl der Neugeborenen-Syphilis in Deutschland in den Jahren 2001 bis 2019 bei ein bis sieben Fällen pro Jahr. 2020 wurden sechs Fälle gemeldet, 2021 zwei Fälle und 2022 drei Fälle.
Eine solch dramatische Entwicklung wie derzeit in den USA sei in Deutschland nicht festzustellen und auch nicht zu erwarten, betont das RKI. Durch das Syphilis-Screening, das hierzulande im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge niedrigschwellig angeboten wird, könnten Infektionen rechtzeitig erkannt, therapiert und so in den meisten Fällen eine Übertragung auf das Baby verhindert werden.
Nichtsdestotrotz setzt sich in Deutschland der Aufwärtstrend der Syphilis fort. »Die Meldedaten zeigen, dass die ansteigende Dynamik der Syphilis in Deutschland nach einem wahrscheinlich pandemiebedingten Rückgang der Fälle ungebrochen ist«, schreibt das RKI.
Ineinandergreifende Public-Health-Maßnahmen seien notwendig, um die weitere Ausbreitung zu vermeiden. Dazu zählten eine möglichst rasche Diagnose und Behandlung, um Folgeerkrankungen zu vermeiden und Infektionsketten zu unterbrechen. Konkret nennt das RKI verbesserte Screening-Angebote für Personen mit erhöhtem Risiko und Angebote zur Partnerbenachrichtigung. Zudem seien Präventions-, Informations- und Schulungsangebote für Zielgruppen mit erhöhtem Risiko und für Gesundheitspersonal wichtig.
Eine antibiotische Prä- oder Post-Expositionsprophylaxe mit Doxycyclin wird aktuell diskutiert. Diese ist allerdings weniger gut untersucht als beispielsweise die antivirale Prophylaxe bei HIV und geht zudem mit einem erhöhten Risiko für Resistenzentwicklung und Schäden am Darmmikrobiom einher. Eine solche prophylaktische Antibiose solle daher nur in Einzelfällen und nur nach einer gründlichen Risiko-Nutzen-Abschätzung eingesetzt werden, betonte das RKI abschließend.