Subkutane Dauertherapie für PNH-Patienten |
Brigitte M. Gensthaler |
08.10.2024 10:30 Uhr |
Wenn das Komplementsystem die roten Blutkörperchen zerstört, ist das lebensbedrohlich. Monoklonale Antikörper, die sich gegen einzelne Faktoren in der Komplementkaskade richten, sollen die Hämolyse stoppen. / © Adobe Stock/Yuliia
Der monoklonale Anti-C5-Antikörper Crovalimab (Piasky® 340 mg Injektions-/Infusionslösung, Roche) ist als Monotherapie für Patienten ab zwölf Jahren und mindestens 40 kg Körpergewicht mit PNH zugelassen. Indiziert ist er für Patienten mit Hämolyse und klinischen Symptomen, die auf eine hohe Krankheitsaktivität hinweisen, und für Personen, die nach mindestens sechsmonatiger Behandlung mit einem Inhibitor der Komplementkomponente 5 (C5) klinisch stabil sind.
Bei der PNH kommt es bedingt durch eine erworbene Mutation zur Zerstörung von Erythrozyten durch das Komplementsystem, das Teil des angeborenen Immunsystems ist. Die Hämolyse findet hauptsächlich intravasal, aber auch extravasal statt. Da sie typischerweise nachts auftritt, kommt es morgens zur charakteristischen Hämoglobinurie. Die Patienten leiden an Anämie, Fatigue und Thromboseneigung. Eine PNH kann zur Nierenerkrankung führen. Unbehandelt ist die Lebenserwartung stark verkürzt.
Das empfohlene Therapieschema umfasst eine Initialdosis, die an Tag 1 als intravenöse Infusion verabreicht wird, gefolgt von vier wöchentlichen Initialdosen, die an den Tagen 2, 8, 15 und 22 als subkutane Injektionen verabreicht werden. Die Erhaltungsdosis wird erstmals an Tag 29 und dann alle vier Wochen subkutan gespritzt, bevorzugt in den Bauch.
Die Dosis richtet sich nach dem Körpergewicht des Patienten. Menschen zwischen 40 und 100 kg erhalten initial 1000 mg intravenös (über 60 Minuten), gefolgt von vier Dosen à 340 mg subkutan. Die Erhaltungsdosis beträgt 680 mg subkutan. Menschen über 100 kg starten mit 1500 mg intravenös (über 90 Minuten), wiederum gefolgt von viermal 340 mg. In der Erhaltungsphase spritzen diese Patienten alle vier Wochen 1020 mg subkutan.
Hat der Patient eine Applikation versäumt, soll er die fehlende Dosis so bald wie möglich injizieren. Die nächste Dosis ist dann am regulär geplanten Spritztag fällig. Keinesfalls dürfen zwei Dosen am selben Tag gespritzt werden.
Crovalimab ist ein rekombinanter humanisierter monoklonaler IgG1-Antikörper, der mit hoher Affinität spezifisch an das Komplementprotein C5 bindet. Dadurch hemmt er dessen Spaltung in C5a und C5b und verhindert so die Bildung des Membranangriffskomplexes. In der Folge wird die terminale Signalkaskade unterbunden, die zur Zerstörung der Erythrozyten durch das Komplementsystem führt. Bei Patienten mit PNH hemmt Crovalimab die terminale komplementvermittelte intravaskuläre Hämolyse und hilft damit, Transfusionen zu vermeiden.
Wirksamkeit und Sicherheit belegen die COMMODORE-Studien. An COMMODORE-1 nahmen 89 PNH-Erkrankte teil, die ihre bisherige Therapie mit dem C5-Inhibitor Eculizumab fortsetzten oder auf Crovalimab umgestellt wurden. Die Krankheitskontrolle blieb nach dem Switch stabil. In den ersten 24 Wochen traten Nebenwirkungen bei 77 Prozent der Patienten unter Crovalimab und 67 Prozent unter Eculizumab auf; keine Nebenwirkung führte zum Behandlungsabbruch oder zum Tod und es gab keine Meningokokken-Infektion. 85 Prozent der Patienten bevorzugten Crovalimab gegenüber Eculizumab.
In COMMODORE-2 wurden 204 C5-Inhibitor-naive Patienten aufgenommen. Primäre Endpunkte waren die Kontrolle der Hämolyse und das Vermeiden von Transfusionen nach 24 Wochen. 79,3 Prozent der Patienten erreichten unter Crovalimab eine Kontrolle der Hämolyse; unter Eculizumab waren es 79,0 Prozent. Transfusionen wurden bei 65,7 versus 68,1 Prozent der Patienten vermieden. Der Fatigue-Score verbesserte sich jeweils deutlich. Das Sicherheitsprofil war in beiden Studienarmen vergleichbar; es gab keine Meningokokken-Infektionen. Die meisten Patienten, die nach der ersten Studienphase von Eculizumab zu Crovalimab wechselten, bevorzugten das neue Medikament.
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Immunkomplex-vermittelte Reaktionen von Typ III, Infektionen der oberen Atemwege, Fieber, Kopfschmerzen und infusionsbedingte Reaktionen. Die häufigsten schwerwiegenden Nebenwirkungen waren Typ-III-Reaktionen und Pneumonie.
In der Langzeitanwendung traten keine zusätzlichen Risiken auf. Dies zeigen Daten von 44 Patienten aus der COMPOSER-Studie, die im Median 4,7 Jahre behandelt wurden.
Aufgrund des Wirkmechanismus von Crovalimab sind die Patienten anfälliger für Meningokokken-Infektionen, die schwer und tödlich verlaufen können. Daher müssen alle Patienten mindestens zwei Wochen vor der ersten Antikörperdosis mit einem tetravalenten Meningokokken-Impfstoff geimpft werden. Ist ein sofortiger Behandlungsstart erforderlich, sollte der Patient so schnell wie möglich geimpft werden und zusätzlich zwei Wochen lang Antibiotika einnehmen. Trotz Impfung sind alle Patienten auf frühe Anzeichen einer Meningokokken-Infektion zu überwachen und bei Bedarf antibiotisch zu behandeln.
Crovalimab ist kontraindiziert bei Patienten mit einer laufenden Neisseria-meningitidis-Infektion.
Nach Angaben von Roche ist das Medikament nur über ein Programm für kontrollierten Zugang (CAP) erhältlich. Hier müssen Ärzte bestätigen, dass Patienten die entsprechende Impfung oder Antibiotikaprophylaxe erhalten.
Mit Iptacopan und Danicopan kamen dieses Jahr bereits zwei neue Wirkstoffe für die PNH-Therapie auf den Markt. Nun folgte mit Crovalimab der dritte Neuling bei PNH. Anders als die erstgenannten ist Crovalimab jedoch nicht bei den Sprunginnovationen einzuordnen, sondern bei den Schrittinnovationen.
Wie Eculizumab und Ravulizumab, die beide schon lange im Handel sind (und auch bei anderen Erkrankungen zugelassen sind), ist Crovalimab gegen den Komplementfaktor C5 gerichtet. Das Wirkprinzip ist damit nicht innovativ. Auch im Anwendungsgebiet PNH bringt der Neuling derzeit keinen weiteren Vorteil. Während Eculizumab und Ravulizumab schon bei kleinen Kindern zum Einsatz kommen dürfen, ist dies bei Crovalimab erst ab zwölf Jahren der Fall.
Beim Applikationsintervall kann Crovalimab, das in der Erhaltungsphase vierwöchentlich gegeben wird, einen Vorteil gegenüber dem häufiger zu verabreichenden Eculizumab verbuchen. Gegenüber Ravulizumab, dessen Erhaltungsdosen alle acht Wochen gegeben werden, ist dieser Vorteil allerdings nicht gegeben.
Grundlage für die Einstufung als Schrittinnovation sind zunächst einmal die Studien, die eine vergleichbare Wirksamkeit und Sicherheit von Crovalimab im Vergleich zu Eculizumab zeigen. Der große Vorteil von Crovalimab ist jedoch, dass es anders als die beiden anderen Antikörper nicht infundiert werden muss, sondern subkutan appliziert wird. Das können die Patienten selbst zu Hause machen. Zeitaufwendige Praxis- oder Klinikaufenthalte für die Infusionen entfallen und die Applikationszeit ist kürzer. Das dürfte sich positiv auf die Lebensqualität der Betroffenen auswirken.
Sven Siebenand, Chefredakteur