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Liraglutid

Studienerfolg für Abnehmspritze bei Kindern

Starkes Übergewicht ist auch bei Kindern ein großes Problem. Reichen herkömmliche Maßnahmen zur Gewichtsreduktion bei ihnen nicht aus, könnten auch sie zukünftig mit Inkretinmimetika behandelt werden. Für Liraglutid liegen nun Phase-III-Studiendaten vor.
Daniela Hüttemann
11.09.2024  14:02 Uhr

Liraglutid war der erste GLP-1-Rezeptoragonist, der nach seinem Markteintritt für Menschen mit Diabetes auch bei Adipositas zugelassen wurde. Nun könnte er auch der erste Vertreter der sogenannten Abnehmspritzen für übergewichtige Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren werden (Liraglutid und Semaglutid sind in der EU bereits ab zwölf Jahren zugelassen).

Jetzt wurden die Daten der Phase-IIIa-Studie SCALE Kids mit 82 Kindern mit extremer Adipositas im »New England Journal of Medicine« veröffentlicht. 56 von diesen bekamen über 56 Wochen  einmal täglich eine subkutane Injektion mit 3,0 mg Liraglutid (oder der maximal verträglichen Dosis), die Vergleichsgruppe mit 26 Kindern eine tägliche Placebo-Injektion. Selbstverständlich erhielten alle Kinder auch die üblichen Lebensstil-Interventionen. 

Am Ende des Behandlungszeitraums hatte die Liraglutid-Gruppe ihren Body-Mass-Index (BMI) im Schnitt um 5,8 Prozentpunkte verbessert, während die Placebogruppe sogar eine Zunahme um 1,6 Prozent verzeichnete. Damit wurde der primäre Endpunkt der Studie erreicht. Eine mindestens 5-prozentige Reduktion des BMI erreichten 46 Prozent in der Liraglutid-Gruppe und 9 Prozent in der Vergleichsgruppe.

Das Körpergewicht nahm in beiden Gruppen zu, schließlich wuchsen die Probanden noch, sodass das Gewicht allein kein zuverlässiger Marker ist. In der Liraglutid-Gruppe nahm es im Schnitt jedoch nur um 1,6 Prozent zu gegenüber plus 10,0 Prozent unter Placebo.

Unerwünschte Wirkungen traten in beiden Gruppen sehr häufig und fast gleich häufig auf (89 versus 88 Prozent). In der Liraglutid-Gruppe traten erwartungsgemäß mehr gastrointestinale Nebenwirkungen auf (80 versus 54 Prozent). Die Rate schwerer Ereignisse lag bei 12 Prozent unter Liraglutid und 8 Prozent unter Placebo. Dabei handelte es sich um Erbrechen bei zwei Kindern und eine Darmentzündung. Jedes zehnte Kind unter Liraglutid brach die Studie frühzeitig aufgrund von Nebenwirkungen ab. Langzeitauswirkungen zum Beispiel auf das Wachstum und die Pubertät konnten aufgrund der Studiendauer von einem Jahr noch nicht bestimmt werden.

Nur für extrem adipöse Kinder mit Regulationsstörung

»Das Medikament führt bekannterweise zu einer Reduktion des Hungergefühls und hilft den Patienten, die empfohlenen Ernährungsänderungen im Alltag besser umzusetzen«, erklärt dazu Professor Dr. Martin Wabitsch gegenüber dem Science Media Center. Damit liege erstmals eine wirksame Therapie der Adipositas bei Kindern vor, die zu Ergebnissen führe, die deutlich über die herkömmlicher Therapien hinausgehen, so der Sektionsleiter Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie des Uniklinikums Ulm.

Der Effekt sei ausgeprägt und höher als erwartet. »Eine ähnliche Studie bei Jugendlichen zeigte weniger deutliche Effekte, obgleich auch diese klinisch sehr relevant waren. Es scheint so, als ob eine frühere Intervention mit Liraglutid zu einer besseren Wirkung führt«, vermutet der Experte.

Er sieht den möglichen Einsatz vor allem bei Kindern mit extremer Adipositas. »Dies ist eine kleine Gruppe an Patienten, die durch eine starke biologische Anlage für Adipositas charakterisiert ist. Diese manifestiert sich unter anderem durch einen Defekt der zentralen Regulation von Hunger und Sättigung. Genau hier setzt Liraglutid an.«

In Ulm laufe derzeit auch eine Studie mit Semaglutid (STEP Young Studie), das nur einmal wöchentlich injiziert werden muss, bei sechs- bis zwölfjährigen Kindern. Hier ist Wabitsch der Studienleiter. Die Ergebnisse sollen kommendes Jahr vorliegen.

Während man vermutet, dass für Erwachsene eine lebenslange Therapie erforderlich sein könnte, hofft Wabitsch, dass eine frühe Intervention bei Kindern eine lebenslange Behandlung verhindert, doch das bleibe abzuwarten.

Lebensstiländerungen: Leichter gesagt als umgesetzt

Auch Professor Dr. Daniel Weghuber, Vorstand der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde am Uniklinikum Salzburg, meint, dass möglichst früh interveniert werden muss. »Bisher sind die Methoden, die zur Verfügung stehen, ausschließlich eine Lebensstilveränderung im Rahmen einer Familienschulung. Das ist leicht gesagt, aber sehr schwierig umzusetzen«, so Weghuber. Bislang gebe es keine zugelassenen medikamentösen Optionen für Unter-Zwölfjährige. »GLP-1-basierte Medikamente wie Liraglutid wirken insbesondere durch eine Regulation des Appetits in den entsprechenden Hirnzentren und ermöglichen Veränderungen im Ernährungsverhalten, die ohne Medikation nicht oder nur für relativ kurze Zeit durchgehalten werden können.«

Die placebokontrollierte Effektstärke sei in der Studie groß gewesen. Die Gewichtsveränderung mit einem Unterschied von 7,4 Prozent des BMI zwischen den beiden Gruppen entspreche dem Zehnfachen, was man von einer Lebensstiländerung erwarten würde.

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