Steckbrief Emtricitabin |
Sven Siebenand |
25.06.2025 07:00 Uhr |
Emtricitabin wird zusammen mit Tenofovir auch zur HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) eingesetzt. Die Krankenkassen übernehmen seit einigen Jahren die Kosten der PrEP. / © Adobe Stock/Viacheslav Yakobchuk
Wie wirkt Emtricitabin?
Emtricitabin gehört zur Klasse der Nukleosid-analogen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI). Das synthetische Nukleosidanalogon von Cytidin wird intrazellulär enzymatisch zu Emtricitabin-5´-Triphosphat phosphoryliert, welches die Reverse Transkriptase von HIV-1 kompetitiv hemmt. Das hat zweierlei Wirkung: Einerseits wird die Funktionsfähigkeit des Enzyms herabgesetzt, andererseits kommt es zum Kettenabbruch, das heißt zur Bildung nicht kompletter DNA-Stränge. Emtricitabin zeigt laut Fachinformation auch Aktivität gegen HIV-2 und das Hepatitis-B-Virus (HBV).
In welchen Indikationen wird Emtricitabin eingesetzt?
Emtricitabin wird primär in der antiretroviralen Kombinationstherapie (ART) zur Behandlung einer HIV-1-Infektion bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern eingesetzt. Es gibt Monopräparate, aber auch zahlreiche Fixkombinationen mit dem Wirkstoff. Die Kombination aus Emtricitabin und Tenofovir wird darüber hinaus zur Präexpositionsprophylaxe (PrEP) gegen HIV verwendet. Auch ist der Wirkstoff immer ein Bestandteil der Medikamentenkombination, die für die HIV-Postexpositionsprophylaxe (PEP) empfohlen wird.
Welche Dosierung von Emtricitabin kommt zum Einsatz?
Die Standarddosis für Erwachsene beträgt 200 mg Emtricitabin einmal täglich, unabhängig von der Indikation. In Kombinationspräparaten ist diese Dosierung entsprechend enthalten. Bei Kindern erfolgt die Dosierung gewichtsadaptiert. Eine Emtricitabin-haltige Lösung ist auf dem Markt, um dies zu realisieren.
Ist die Dosis bei Leber- und/oder Niereninsuffizienz anzupassen?
Bei Leberinsuffizienz wird das nicht empfohlen, bei Niereninsuffizienz dagegen schon. Denn Emtricitabin wird renal eliminiert und die Exposition gegenüber dem Wirkstoff ist bei Niereninsuffizienz signifikant erhöht. Bei allen Patienten mit einer Kreatinin-Clearance < 30 ml/min muss die Dosis beziehungsweise das Dosisintervall angepasst werden. Das ist auch bei den Fixkombinationen mit Emtricitabin zu bedenken, die im Fall einer schweren Niereninsuffizienz nicht zu empfehlen sind.
Welche Nebenwirkungen sind möglich?
Emtricitabin gilt insgesamt als gut verträglich. Sehr häufig kommt es zum Beispiel zu Durchfall, Kopfschmerz oder Übelkeit. Eine Verfärbung der Haut, die sich hauptsächlich als Hyperpigmentierung der Handflächen und/oder Fußsohlen manifestierte, war laut Fachinformation im Allgemeinen schwach ausgeprägt, asymptomatisch und von geringer klinischer Bedeutung. Der Mechanismus dahinter ist nicht bekannt.
Welche Wechselwirkungen gilt es zu beachten?
Das Potenzial für CYP450-vermittelte Wechselwirkungen zwischen Emtricitabin und anderen Arzneimitteln ist gering. Emtricitabin wird primär durch glomeruläre Filtration und aktive tubuläre Sekretion ausgeschieden. Eine gleichzeitige Anwendung von Emtricitabin und anderen renal ausgeschiedenen Arzneimitteln oder Arzneimitteln mit negativen Auswirkungen auf die Nierenfunktion wurde mit Ausnahme von Famciclovir und Tenofovirdisoproxilfumarat nicht untersucht. Bei der gleichzeitigen Anwendung von Emtricitabin und Arzneimitteln, die durch aktive tubuläre Sekretion ausgeschieden werden, kann sich wegen der Konkurrenz um diesen Eliminationsweg die Serumkonzentration von Emtricitabin oder dem Interaktionspartner erhöhen.
Es liegen noch keine klinischen Erfahrungswerte über die gleichzeitige Anwendung mit Cytidin-Analoga vor. Aus diesem Grund kann die Kombination von Emtricitabin mit Lamivudin im Rahmen der Therapie einer HIV-Infektion nicht empfohlen werden.
Was ist mit Emtricitabin in Schwangerschaft und Stillzeit?
Emtricitabin kann in der Schwangerschaft angewendet werden, wenn der potenzielle Nutzen das Risiko überwiegt. Der Wirkstoff tritt in die Muttermilch über. Da HIV-positiven Müttern in Industrieländern vom Stillen abgeraten wird, stellt sich die Frage nach der Sicherheit in der Stillzeit meist nicht.
Was ist chemisch betrachtet der Unterschied zwischen Emtricitabin und Lamivudin?
Emtricitabin hat ein kovalent gebundenes Fluoratom an Position 5 des Pyrimidin-Ringes, während Lamivudin dieses Atom nicht hat. Damit ist der Unterschied im Molekül bereits genannt. Emtricitabin ist also ein fluoriertes Thiacytidin und wird deshalb in der Literatur und in Leitlinien oft mit FTC abgekürzt.
Strukturformel Emtricitabin / © Wurglics