Statin-Therapie wird zu selten intensiviert |
Theo Dingermann |
23.06.2021 12:00 Uhr |
LDL wird manchmal laienhaft als »böses« Cholesterin bezeichnet, dabei erfüllt es wichtige Funktionen in unserem Körper. Allerdings sollte der LDL-Spiegel im Blut nicht zu hoch sein. Der Zielwert hängt auch von den Vorerkrankungen ab. / Foto: Getty Images/GIPhotoStock
Leitlinien für Patienten mit atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankungen (ASCVD) empfehlen neben einer lipidarmen Diät auch eine intensivierte Statin-Therapie, wenn der Low-Density-Lipoprotein-Cholesterinsspiegel (LDL-C) trotz bestehender Medikation über 70 mg/dL bleibt. Denn es ist unstrittig, dass eine Senkung der Serum-Cholesterinspiegel zu den effektivsten Optionen gehört, die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität positiv zu beeinflussen. Dennoch erhalten viel zu wenige Patienten diese intensivierte Behandlung. Dies bestätigt eine Real-World-Studie, in der Patienten mit ASCVD über zwei Jahre beobachtet wurden. Die Ergebnisse erschienen vor Kurzem im Fachjournal »JAMA Cardiology«.
Zwischen Dezember 2016 und Juli 2018 wurden 5006 ASCVD-Patienten in die Registerstudie GOULD aufgenommen, die an 119 Zentren in den USA durchgeführt wurde. Sie bekamen alle bereits zu Studienbeginn irgendeine Form einer lipidsenkenden Therapie. Nach zwei Jahren wurde bewertet, ob die Zielwerte erreicht wurden und ob die medikamentöse Behandlung intensiviert wurde.
Während die meisten der Patienten irgendeine Art von Statin-Therapie (normal dosiert, hochdosiert oder in Kombination mit Ezetimib) erhielten, wurden 554 dieser Patienten mit einem PCSK9-Inhibitor therapiert. Nach der Beobachtungszeit von zwei Jahren war das Ergebnis der Studie enttäuschend: Nur 618 (14,7 Prozent) aller eingeschlossenen Patienten erreichten einen LDL-C-Wert von weniger als 55 mg/dL nach zwei Jahren. Zwei Drittel der Teilnehmer hatte weiterhin Werte über 70 mg/dL. Jeder Vierte hatte sogar zwei Jahre nach Beginn der Studie immer noch sehr hohe LDL-C-Werte von mehr als 100 mg/dL.
Im Schnitt fielen die LDL-C-Werte von einem Median von 120 mg/dL auf 95 mg/dL in der Kohorte mit LDL-C-Ausgangswerten von 100 mg/dL oder mehr (P < 0,001) und von 82 mg/dL auf 77 mg/dL in der Kohorte mit LDL-C-Ausgangswerten von 70 bis 99 mg/dL (P < 0,001).
Wie sich zeigte, hatten nur 855 von 5006 Patienten (17,1 Prozent) innerhalb der zwei Jahre Beobachtungszeit irgendeine Art von intensivierter lipidsenkender Therapie erhalten, obwohl sie ihren LDL-Zielwert nicht erreicht hatten. Falls bei bestehender Statin-Einnahme intensiviert wurde, geschah dies bei 283 Patienten durch eine Änderung der Statin-Therapie. 241 Teilnehmer bekamen zusätzlich Ezetimib verordnet und 172 einen PCSK9-Inhibitor.
Diese Studie zeigt, dass Risikopatienten mit zu hohen LDL-Spiegeln häufig nicht ausreichend behandelt werden. In dieser Studie wurden Verordnungsdaten mit den Blutfettwerten korreliert, also ob die Ärzte leitliniengerecht verschrieben. Nicht untersucht wurde dagegen, ob die Patienten ihre Medikamente auch wie vereinbart einnahmen, also therapieadhärent waren.
Aus einer anderen, 2017 im selben Fachmagazin veröffentlichten Studie mit Herzinfarktpatienten mit angeordneter hoch-intensiver Statin-Therapie weiß man zum Beispiel, dass bereits sechs Monate nach der Krankenhausentlassung nur noch 58,9 Prozent ihre Rezepte einlösen und nur noch 41,6 Prozent nach zwei Jahren. Es bedarf daher neuer Anstrengungen und Ideen, wie eine intensivierte lipidsenkende Therapie bei Risikopatienten erfolgreicher umgesetzt werden kann – sowohl auf Ärzte- als auch Patientenseite.