Starke Blutdrucksenkung, starke Vorteile |
Daniela Hüttemann |
01.09.2025 16:20 Uhr |
Man sollte sich bei der Blutdrucksenkung möglichst niedrige Werte als Ziel setzen; idealerweise sollte der systolische Wert unter 120 mmHg liegen. / © Getty Images/Thomas Faull
Die neue Studie, die parallel zum Europäischen Kardiologie-Kongress am vergangenen Wochenende in »The Lancet« veröffentlicht wurde, sei die bislang umfassendste Analyse zum Nutzen-Risiko-Profil einer intensiven Blutdruckkontrolle und liefere solide Belege für eine patientenzentrierte Behandlung von Bluthochdruck weltweit, teilte das Fachjournal mit.
Früher galt als Zielwert in der Regel, den systolischen Blutdruck auf unter 140 mmHg zu senken. Der Entschluss der US-Fachgesellschaften im Jahr 2017, das Ziel auf 130 mmHg zu ändern, sorgte damals für viel Aufmerksamkeit und teils Kritik, da durch die Definitionsänderung schlagartig Millionen US-Amerikaner zu Bluthochdruck-Patienten wurden.
Seit September 2024 empfiehlt die Hypertonie-Leitlinie der European Society of Cardiology sogar einen allgemeinen Zielwert von 120 zu 70 mmHg. Das erscheint manchen radikal und mitunter unrealistisch – die neue Evidenz stützt diese Empfehlung jedoch anhand harter Outcomes.
Für die neue Analyse wurden die Daten von mehr als 80.000 Teilnehmenden von sechs großen klinischen Studien zusammengefasst (ACCORD BP, SPRINT, ESPRIT, BPROAD, STEP, and CRHCP). Die Kardiologen und Statistiker mehrerer chinesischer Universitäten wollten die Vor- und Nachteile einer sogenannten intensivierten Blutdruckkontrolle mit den strengeren Zielwerten besser beurteilen zu können. Verglichen wurden Patienten mit einem Zielwert von unter 120 oder unter 130 mmHg mit der (früheren) Standardtherapie, einer Senkung unter 140 mmHg oder unter 150 mmHg bei älteren Menschen.
Der primäre Nutzenendpunkt war eine Kombination aus Myokardinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und kardiovaskulärem Tod. Die primären Schadensendpunkte waren unerwünschte Ereignisse von Interesse wie Hypotonie und Synkopen sowie renale Ereignisse.
Das mediane Alter lag bei 64,0 Jahren; 48,7 Prozent der Teilnehmenden waren weiblich; 82,6 Prozent hatten asiatische Wurzeln. Die durchschnittliche Beobachtungszeit betrug 3,2 Jahre. Innerhalb dieser Zeit kam es bei 5,3 Prozent der Teilnehmenden unter intensivierter Blutdrucksenkung zu einem schweren kardiovaskulären Ereignis. In der Gruppe mit den höheren Zielwerten waren es dagegen 7,1 Prozent. Das entspricht einer relativen Risikoreduktion von 24 Prozent zugunsten der intensiven Blutdruckkontrolle. Die absolute Risikoreduktion entsprach 1,73 Prozent und die Number needed to treat lag bei 58.
Allerdings traten auch mehr Nebenwirkungen wie Schwindel, Ohnmacht, Herz-Rhythmus-Störungen und Nierenprobleme auf: Hier lag die absolute Risikoerhöhung bei 1,82 Prozent. Trotzdem zeigte die intensive Blutdruckkontrolle ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil mit einem Nettonutzen von 1,14 unter Verwendung einer bewerteten Gewichtung. Der Nettonutzen blieb auch unter Berücksichtigung nierenbezogener unerwünschter Ereignisse positiv (1,13).
Die Studie deute darauf hin, dass beide Blutdruckziele – unter 120 mmHg und unter 130 mmHg – einen Nettonutzen haben, wobei es je nach Alter, Vorerkrankungen und Ausgangsblutdruck der Patienten gewisse Unterschiede gab. Die Autoren sagen, dass diese Ergebnisse eine Verlagerung in der klinischen Praxis hin zu einem differenzierteren, patientenzentrierten Ansatz bei der Blutdruckbehandlung unterstützen. Arzt und Patient sollten den Zielwert also individuell und so niedrig wie möglich wie vernunftgemäß erreichbar vereinbaren.