Speicheltest bestimmt Risiko für Prostatakrebs |
Theo Dingermann |
15.04.2025 10:30 Uhr |
Viele dürften wohl einen Speicheltest einer Blutabnahme vorziehen. / © Getty Images/Catherine Falls Commercial
In einer aktuellen Studie, deren Ergebnisse jetzt im »New England Journal of Medicine« veröffentlicht wurden, evaluierte ein internationales Team um Dr. Jana K. McHugh vom Institute of Cancer Research in London einen Speicheltest zur Bestimmung des genetischen Risikos für Prostatakrebs, der auf der Analyse von 130 genetischen Varianten basiert. Der in diesem Test abgeleitete polygenetische Risikoscore (Polygenic Risk Score, PRS) zeigte eine überlegene Vorhersagekraft für aggressiven Prostatakrebs im Vergleich zum derzeit genutzten PSA-Bluttest, der das prostataspezifische Antigen misst.
Der PSA-Test gilt aufgrund seiner geringen Spezifität als problematisch, da er in bis zu 75 Prozent der Fälle falsch-positive Ergebnisse liefert und häufig indolente Tumoren entdeckt, was zu unnötigen MRT-Untersuchungen, Biopsien und belastenden Therapien führen kann.
Im Rahmen der prospektiv angelegten Barcode-1-Studie wurden 6393 Männer europäischer Abstammung im Alter zwischen 55 und 69 Jahren aus Hausarztpraxen rekrutiert und genetisch typisiert. Die Männer mit den höchsten 10 Prozent der PRS-Werte wurden zu weiteren Untersuchungen eingeladen, darunter MRT-Untersuchungen und Prostatabiopsien.
Dabei zeigte sich, dass 40 Prozent dieser Männer tatsächlich an Prostatakrebs litten – eine deutlich höhere Rate als bei der PSA-Testung, bei der nur etwa 25 Prozent der Männer mit erhöhtem Wert tatsächlich erkrankt sind. Noch bedeutender ist, dass mit dem PRS-Test ein größerer Anteil an aggressiven Karzinomen erkannt wurde (55,1 Prozent gegenüber 35,5 Prozent bei PSA-basierten Diagnosen).
Ein entscheidender Vorteil des genetischen Tests liegt darin, dass Männer mit einem hohen genetischen Risiko frühzeitig identifiziert werden können und so die Entscheidung für eine weiterführende Diagnostik zielgerichteter getroffen werden kann. Gleichzeitig könnten Männer mit geringem Risiko von unnötigen Eingriffen verschont bleiben.
Die Studie legt nahe, dass der PRS-Test besonders in Kombination mit bestehenden diagnostischen Verfahren eingesetzt werden sollte, um das Gleichgewicht zwischen Nutzen und Risiko einer Krebsfrüherkennung zu optimieren. Während sich der aktuelle Test auf Männer europäischer Herkunft konzentriert, wird bereits an Versionen für Männer afrikanischer und asiatischer Abstammung gearbeitet.
Die dem Test zugrundeliegenden genetischen Variationen (Single Nucleotide Polymorphism, SNP) sind für sich allein genommen zwar mit geringen Prostatakarzinom-Risiken assoziiert, deren kumulative Effekte werden allerdings klinisch signifikant. Zwar sind die funktionellen Auswirkungen vieler SNP noch unklar, doch vermuten die Autoren, dass bestimmte Kombinationen dieser Varianten mit erhöhtem Tumorwachstum oder gesteigerter Proliferationsneigung assoziiert sein könnten. Somit ergibt sich aus dem PRS ein stabiler, lebenslang konstanter Risikofaktor, der daher theoretisch frühzeitig, auch bereits im jüngeren Alter, einmalig bestimmt werden kann.
Diese Arbeit unterstreicht das Potenzial genetischer Tests als kostengünstige, leicht durchführbare und präzisere Werkzeuge in der Krebsfrüherkennung. Zukünftige Studien sind erforderlich, um Langzeitergebnisse zu analysieren und den klinischen Nutzen einer breiten Implementierung zu bewerten.