Spannende Weiterentwicklung der CAR-T-Zellen |
Theo Dingermann |
10.01.2022 16:00 Uhr |
Ein chimärer Antigenrezeptor (CAR) hat einen extrazellulären Teil (oben), mit dem er den Zielrezeptor erkennt, und einen intrazellulären Teil, mit dem er die Effektorfunktionen der T-Zelle aktiviert. / Foto: Getty Images/Juan Gärtner/Science Photo Library
In der Krebstherapie haben sich CAR-T-Zellen zwischenzeitlich gut etabliert: T-Zellen, die dem Patienten entnommen wurden, werden in vitro so modifiziert, dass sie einen chimären Antigenrezeptor (CAR) exprimieren, mit dessen Hilfe die Zellen nach Reinfusion an bestimmte Tumorzellen binden und diese zerstören. Der Ansatz wird heute nahezu ausnahmslos in der Krebstherapie und nur bei ganz bestimmten Tumoren eingesetzt. Grund ist die Furcht vor sogenannten Off-Target-Effekten, also einer fehlerhaften Attacke auf andere als die gewünschten Zellen.
Off-Target-Effekte gilt es bei CAR-T-Zellen unter anderem deshalb unbedingt zu vermeiden, weil sie dauerhaft aktiv sind. Ein weiterer Hinderungsgrund für eine Ausweitung des Einsatzes der CAR-T-Zell-Technologie ist die extrem aufwendige Herstellung der CAR-T-Zellen. Beide Probleme könnten durch nur vorübergehend aktive CAR-T-Zellen, die in vivo entstehen, gelöst werden.
Genau solche Zellen beschreibt jetzt ein Team um Joel G. Rurik von der University of Pennsylvania im Fachjournal »Science«. Die Forscher schleusten in Lipid-Nanopartikeln (LNP) verpackte mRNA für einen CAR in T-Zellen ein und stellten so transient aktive CAR-T-Zellen her. Den Ansatz testeten sie erfolgreich an Mäusen, die an Herzfibrose litten. Diese ist das Resultat einer unkontrollierten Vermehrung von Bindegewebszellen (Fibroblasten) im Herzmuskel beispielsweise als Folge eines Herzinfarkts oder eines Bluthochdrucks. Dies führt zu einer zunehmenden Versteifung des Herzens, wodurch sich eine Herzinsuffizienz immer weiter verschlimmert.
Die Wissenschaftler konstruierten einen chimären Antigenrezeptor, der das Fibroblasten-Aktivierungsprotein (FAP), einen Marker für aktivierte Fibroblasten, erkennt und bindet. Die mRNA für diesen CAR verpackten sie in LNP, auf deren Oberflächen Antikörper gegen ein CD5-Protein gebunden waren. Diese Antikörper erkennen die CD5-Marker auf T-Zellen (CD5/LNP-FAPCAR). Als Versuchstiere verwendeten die Forscher Mäuse, bei denen pharmakologisch ein Bluthochdruck induziert worden war. Zur Behandlung der dadurch einsetzenden Fibrose injizierte das Team nach einer Woche den Mäusen CD5/LNP-FAPCAR-Partikel.
Als die Mäuse zwei Wochen später untersucht wurden, hatte sich ihre Herzfunktion im Vergleich zu der von Kontrollmäusen, bei denen zwar eine Herzfibrose ausgelöst wurde, die aber nicht mit den CAR-T-Zellen behandelt wurden, deutlich verbessert. Bei der echokardiografischen Untersuchung des Herzgewebes der Mäuse stellten die Forscher fest, dass das Narbengewebe in den Herzkammern reduziert wurde – bei einigen behandelten Mäusen sogar so weit, dass sie von gesunden Kontrolltieren nicht mehr zu unterscheiden waren. Nur Narbengewebe um die Blutgefäße blieb bestehen, da diese Fibrose von Fibroblasten verursacht wird, die das Fibroblasten-Aktivierungsprotein (FAP) nicht exprimieren.
Die Arbeit findet in Fachkreisen sehr hohe Beachtung. Die Fähigkeit, CAR-T-Zellen in vivo zu erzeugen, »macht nun jedes Zentrum in den Vereinigten Staaten, das mit einer Spritze umgehen kann, zu einem potenziellen Behandlungsort«, erklärt Dr. Jeffery Molkentin, Molekularbiologe am Cincinnati Children’s Hospital, der nicht an der Studie beteiligt war, gegenüber dem wissenschaftlichen Nachrichtenmagazin »The Scientist«. Man brauche keine GMP-Anlage für die Zellherstellung mehr, um die neue Methode für Krebstherapeutika oder andere Krankheitstypen zu verwenden, sagt er mit Blick auf die regulatorischen Anforderungen, die mit der Herstellung von CAR-T-Zellen außerhalb des Körpers verbunden sind.
Durch die transiente Aktivität der in vivo erzeugten CAR-T-Zellen wird ein kritisches Problem der CAR-T-Zelltherapie gelöst. Denn klassisch ex vivo hergestellte CAT-T-Zellen sind sehr langlebig. Dies würde die Behandlung einer Herzfibrose unmöglich machen. »Wenn CAR-T-Zellen, die gegen Fibroblasten gerichtet sind, persistieren, könnte dies bei künftigen Verletzungen ein Risiko darstellen«, sagt Professor Dr. Hamideh Parhiz, Mitautorin der vorliegenden Studie und Molekularbiologin an der Universität von Pennsylvania.
Parhiz und ihre Mitautoren haben ein Unternehmen gegründet, um eine Plattform für die Umprogrammierung von Immunzellen zu entwickeln, mit dem Ziel, Standardtherapeutika zu entwickeln, die – anders als die derzeitigen CAR-T-Zell-Therapien – nicht auf einzelne Patienten zugeschnitten werden müssen.
Langfristig, so Parhiz, könnte die mRNA auch zur Umprogrammierung anderer Zelltypen für ein breiteres Spektrum von Anwendungen genutzt werden. So könnte mRNA beispielsweise gezielt zur Umprogrammierung von Endothelzellen eingesetzt werden, die zur Behandlung von Verletzungen wie dem akuten Atemnotsyndrom, einer lebensbedrohlichen Lungenerkrankung, verwendet werden, sagt sie gegenüber »The Scientist«.