»Spaltung nutzt nur unseren Gegnern« |
Lukas Brockfeld |
19.04.2024 15:30 Uhr |
In einer Videobotschaft wendet sich die ABDA-Präsidentin direkt an die Apothekerschaft. / Foto: PZ/Alois Mueller
Am Montag geht es los: Im Rahmen der »Wir sehen rot«-Protestwoche sollen die Apothekenteams eine Woche rote Kleidung tragen, um auf das Apothekensterben und die schwierige wirtschaftliche Lage der Offizinen aufmerksam zu machen. Die ABDA stellt dazu Infomaterialien, Plakate und Textilaufkleber zur Verfügung. Im Vorfeld stieß die Kampagne in den sozialen Medien auch auf Kritik. Viele Nutzerinnen und Nutzer wünschen sich schärfere Protestmaßnahmen. Am Freitag hat sich ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening in einer Videobotschaft zu Wort gemeldet.
»Die wichtigsten und wirksamsten Instrumente, die wir in der politischen Auseinandersetzung haben, sind unsere Geschlossenheit und unsere täglichen persönlichen Kontakte zu etwa vier Millionen Menschen in unseren Apotheken«, erklärte die ABDA-Präsidentin. Es sei strategisch entscheidend, die Protestkampagne zeitlich an das Gesetzgebungsverfahren zur geplanten Apothekenreform anzulehnen. Auch das in der kommenden Woche in Potsdam stattfindende DAV-Wirtschaftsforum werde daher in die Kommunikationsstrategie eingebettet.
»Ich bin ebenso wie Sie frustriert über eine Politik, die trotz konstruktiver Lösungsvorschläge unsererseits, trotz beispielloser Proteste und trotz aller Warnungen sämtlicher Heilberufe weiterhin sehenden Auges die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten gefährdet«, betonte Overwiening. Statt die großen Probleme zu lösen, würde das Gesundheitsministerium einen neuen E-Rezept-Einlöseweg für ausländische Großkonzerne einführen, das sei »skandalös«.
Overwiening betonte die wichtige Rolle der Apotheken in der Gesundheitsversorgung: »Wir treiben jedes Jahr für die GKV Milliarden Euro ein. Wir erklären den Menschen die bürokratischen Hürden der Sozialgesetzgebung. Wir vermitteln für die Patientinnen und Patienten zwischen allen Sektoren. Wir stabilisieren die soziale Infrastruktur. Wir sichern den sozialen Frieden vor Ort. Wir bieten 160.000 wohnortnahe Arbeitsplätze. Wir sichern die Arzneimitteltherapien von täglich vier Millionen Menschen. Wir übernehmen spontan alle Aufgaben, die in Krisensituationen schnell und sicher in die Fläche gebracht werden müssen. Wir erfüllen unseren Auftrag Tag ein Tag aus.« Es gäbe also nur Gründe dafür, die Apotheken zu stabilisieren.
Angesichts des anhaltenden Sparkurses der Bundesregierung empfänden alle Wut, doch Wut ersetze keine Strategie. »Nicht unsere Lautstärke, unser Gebrüll, unsere zur Schau gestellten Aggressionen werden uns in Politik und Öffentlichkeit Gehör verschaffen«, erklärte die ABDA-Präsidentin. Die Bauernproteste zu Jahresbeginn seien kein positives Beispiel.
Da es zur Apothekenreform aktuell noch nicht einmal einen Gesetzesentwurf gibt, sei noch nicht die Zeit für schärfste Maßnahmen. Im Gesetzgebungsverfahren wolle man jedoch vehement auf die Schieflage der Apotheken hinweisen. Sollte gar kein stabilisierendes Gesetz kommen, werde man mit »schärfsten Maßnahmen« protestieren.
Die Aktion »Wir sehen rot« soll die Patientinnen und Patienten auf die Situation der Offizinen aufmerksam machen. Overwiening forderte die Teams in den Apotheken auf: »Reden Sie über die Gefahren der Gesundheitspolitik von Karl Lauterbach. Im Herbst stehen Landtagswahlen und im kommenden Jahr die Bundestagswahl an. Gesundheitsversorgung ist trotz aller Krisen und Kriege eines der wichtigsten Themen für die Bevölkerung.«
Da die Versandhändler aktuell sehr aktiv um Kunden werben, sei jetzt der falsche Zeitpunkt für Apothekenschließungen. Man müsse zeigen, dass das E-Rezept in die Apotheke vor Ort gehöre. Nur dort sei eine sichere Versorgung möglich.
Auf dem DAV-Wirtschaftsforum wolle man zwei hochkarätige Gutachten vorstellen, die die Öffentlichkeit wissenschaftlich über die Situation der Apotheken aufklären sollen. Außerdem sei man in intensivem Kontakt mit den Vertretern anderer Heilberufe, um gemeinsam gegen geplante Leistungskürzungen zu arbeiten.
»Wir haben immer betont, dass wir unsere Protestmaßnahmen an zwei Dingen orientieren. An den Inhalten des anstehenden Gesetzgebungsverfahrens und an dessen Zeitplan«, erklärte die ABDA-Präsidentin am Ende der Videobotschaft. Sobald man den konkreten Entwurf kenne, wolle man konkrete Maßnahmen vorstellen. Doch schon jetzt müsse man die Bevölkerung über das Sterben der Apotheken informieren.
In Richtung der Apothekerschaft sagte Overwiening: »Dazu brauchen wir Sie! Wir werden nicht lockerlassen, damit unsere Aktionen Erfolg haben, braucht es unbedingte Geschlossenheit. Auch wenn nicht jede unserer Aktionen zu Ihrer Lieblingsaktion wird, machen Sie trotzdem mit. Spaltung nutzt nur unseren Gegnern.« Die berechtigte Wut des Berufsstandes müsse in Produktivität umgewandelt werden, nicht in gegenseitiges Zerfleischen.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.