Spätfolgen vermeiden, Prognose verbessern |
Ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus kann die Nierenfunktion langfristig massiv schädigen; man spricht von der diabetischen Nephropathie. / © Shutterstock/AYO Production
Die diabetische Nephropathie ist nicht nur eine häufige, sondern auch eine besonders folgenschwere Spätkomplikation des Diabetes mellitus. Mit dem stetigen Anstieg der Diabetesprävalenz nimmt auch die Zahl derer zu, die langfristig eine Schädigung der Nieren entwickeln. Diese Entwicklung hat weitreichende Konsequenzen: für die Betroffenen, die im Alltag zunehmend durch Einschränkungen belastet werden, aber auch für das Gesundheitssystem, das mit hohen Kosten für Dialyseverfahren und Nierentransplantationen konfrontiert ist.
Während die moderne Diabetestherapie das Leben vieler Patienten verlängert, führt die gesteigerte Lebenserwartung paradoxerweise dazu, dass mehr Menschen ein Alter erreichen, in dem die Spätkomplikationen der Erkrankung sichtbar werden.
Die Relevanz der Nierenschwäche geht weit über die reine Nephrologie hinaus. Sie ist eng verknüpft mit kardiovaskulären Erkrankungen und wirkt wie ein Multiplikator für das Risiko von Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herzinsuffizienz. Damit ist sie nicht nur eine Folge des Diabetes, sondern auch ein Schlüsselfaktor für die erhöhte Mortalität dieser Patienten. Umso wichtiger ist es, die Erkrankung in ihrer gesamten Komplexität zu verstehen, ihre Mechanismen zu entschlüsseln und konsequent zu therapieren. Hierzu liegen aktuelle Leitlinien und Empfehlungen vor, zum Beispiel die Kidney Disease – Improving Global Outcomes (KDIGO) Clinical Practice Guideline zum Diabetesmanagement bei chronischer Nierenerkrankung (8).
Die diabetische Nephropathie ist eine Form der chronischen Nierenerkrankung, die spezifisch durch den Diabetes mellitus verursacht oder begünstigt wird. Sie entsteht in der Regel nicht plötzlich, sondern ist das Resultat eines langen, oft jahrzehntelangen Prozesses, der mit einer Mikroalbuminurie beginnt und über verschiedene Stadien hinweg schließlich in die terminale Niereninsuffizienz münden kann. Pathologisch liegt meist eine Kombination aus mehreren Risikofaktoren wie unkontrollierter Blutzucker, erhöhte Blutfettwerte, Hypertonie, Übergewicht und Rauchen vor.
Epidemiologisch ist die Erkrankung von enormer Bedeutung. Rund 30 bis 40 Prozent aller Menschen mit Diabetes mellitus entwickeln eine Nierenschädigung. Bei Typ-1-Diabetes tritt sie oft erst nach jahrzehntelanger Krankheitsdauer auf, während sie bei Typ-2-Diabetes schon zum Zeitpunkt der Diagnose manifest sein kann, wenn die Erkrankung lange unentdeckt blieb (1).
Global betrachtet sind nach aktuellen Schätzungen etwa 160 Millionen Menschen betroffen. Damit ist die diabetische Nephropathie die führende Ursache für terminale Niereninsuffizienz weltweit, die häufig eine Dialysepflicht zur Folge hat (2).
Die Zahl der Betroffenen steigt kontinuierlich an. Verantwortlich hierfür sind verschiedene Umstände: zum einen der demografische Wandel, der zu einer älteren Bevölkerung führt; zum anderen die steigende Inzidenz des Typ-2-Diabetes, der durch Adipositas, Bewegungsmangel und ungesunde Ernährungsgewohnheiten gefördert wird. In Ländern mit begrenztem Zugang zu Gesundheitssystemen sind die Prognosen noch schlechter, da eine frühzeitige Diagnose und langfristige adäquate Therapie häufig nicht gewährleistet sind. In Industrieländern wiederum treiben die hohen Kosten für Dialyseverfahren und Nierentransplantationen die Gesundheitsausgaben in die Höhe.
Die Pathophysiologie der diabetischen Nephropathie ist komplex und beruht auf dem Zusammenspiel mehrerer Mechanismen.
Bei einem unentdeckten oder schlecht eingestellten Diabetes mellitus liegt zu Beginn eine chronische Erhöhung des Glucosespiegels im Primärharn vor, was initial zur Hyperfiltration und somit zum Anstieg der glomerulären Filtrationsrate führt. Die Hyperfiltration entsteht, da vermehrt Glucose im proximalen Tubulus vorliegt und mit den dort vorhandenen Natrium- und Chloridionen verstärkt rückresorbiert wird. Folglich ist der Gehalt an Natrium- und Chloridionen im distalen Tubulus reduziert, was wiederum zu einer »Fehlinterpretation« durch die Macula densa führt.
Die Macula densa befindet sich am Ende des distalen Tubulus und misst den Natrium- und Chloridgehalt des Primärharns; sie hat somit eine regulatorische Funktion. Sind die Werte im Primärharn zu niedrig, wird die glomeruläre Filtration als kompensatorische Maßnahme erhöht. Hierzu wird die Vasodilatation des Vas afferens (zuführende Arteriolen) und die Vasokonstriktion des Vas efferens (abführende Arteriolen) veranlasst. Die zunächst kompensatorisch gesteigerte Filtrationsrate überlastet langfristig jedoch die Nephrone und beschleunigt deren Untergang. In dieser frühen Phase der Erkrankung wird die Nierenfunktion anhand der glomerulären Filtrationsrate fälschlicherweise überschätzt und der Beginn der pathophysiologischen Veränderungen häufig nicht erkannt (3, 4).
Nicht besonders groß, aber im gesunden Zustand zu Hochleistungen fähig / © Adobe Stock/horizont21
Über Jahre hinweg kommt es zu fibrotischen Veränderungen, die zur Verdickung der Basalmembran und Schädigung der Podozyten führen. Dies sind spezialisierte Zellen, die für die Filterbarriere der Glomeruli verantwortlich sind. Die fibrotischen Veränderungen am Nierengewebe sind in diesem Stadium noch reversibel, sofern adäquat therapiert und die antidiabetische Medikation optimiert wird. Andernfalls münden sie in irreversible Sklerosen.
Zeitgleich liegt eine Mikroalbuminurie vor, also eine vermehrte Albuminausscheidung von 30 bis 300 mg/g Kreatinin (Albumin-Kreatinin-Quotient) durch eine erhöhte Permeabilität des Glomerulus. Unbehandelt kommt es zur chronischen Nierenerkrankung, die durch eine starke Abnahme der glomerulären Filtrationsrate, ausgeprägte Hypertonie und Makroalbuminurie mit einer Albuminausscheidung von mehr als 300 mg/g gekennzeichnet ist. Im Zusammenhang mit einer diabetischen Vorerkrankung wird in diesem Stadium von der diabetischen Nephropathie gesprochen (5).
Eine diabetische Nephropathie verursacht lange Zeit keinerlei Beschwerden. In frühen Stadien bleibt die Erkrankung meist völlig unbemerkt und wird oft nur bei Routineuntersuchungen im Rahmen der Diabetes-Erkrankung entdeckt. Eine Mikroalbuminurie stellt häufig den ersten objektiven Hinweis dar, ohne dass die Betroffenen etwas davon bemerken (1).
Mit fortschreitender Schädigung treten nach und nach Symptome auf, die auf die zunehmende Einschränkung der Nierenfunktion zurückzuführen sind. Fast alle Patienten entwickeln einen arteriellen Hypertonus, der wiederum den Teufelskreis der Nierenschädigung verstärkt. Eine sichtbare Veränderung des Urins, etwa in Form von Schäumen, kann auf eine ausgeprägte Proteinurie hindeuten, was Patienten jedoch häufig gar nicht wahrnehmen oder fehlinterpretieren (6).
Mit abnehmender Nierenfunktion kommt es zunehmend zu systemischen Komplikationen. Eine renale Anämie entsteht infolge der verminderten Erythropoetin-Synthese, die durch das geschädigte Nierenparenchym begünstigt wird. Erythropoetin ist ein blutbildendes Hormon, das zwingend notwendig ist zur Synthese der roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Eine Anämie äußert sich durch Müdigkeit, Blässe und eine deutlich reduzierte Leistungsfähigkeit (6).
Im Stadium der Urämie treten Symptome wie Kopfschmerzen, starker Juckreiz, Übelkeit und Erbrechen auf, die Ausdruck einer zunehmenden Vergiftung des Körpers durch harnpflichtige Substanzen sind. In diesem Stadium sind Organschäden, die unter anderem die Lunge oder das Herz betreffen können, unvermeidlich. Eine Dialyse ist häufig zwingend erforderlich, um schwere Organschäden abzuwenden (6).
Eine Mikroalbuminurie gibt häufig den ersten Hinweis auf eine bislang unbemerkte Nierenschädigung. / © Adobe Stock/Gerhard Seybert
Besonders belastend sind Ödeme, die sich infolge des Albuminmangels im Blut (Hypoalbuminämie) entwickeln. Sie treten zunächst an den Beinen auf, können sich aber auch im Gesicht oder im Bauchraum ausbilden und schränken die Lebensqualität erheblich ein (7).
Von herausragender pathologischer Bedeutung ist schließlich die enge Verknüpfung mit kardiovaskulären Erkrankungen. Patienten mit diabetischer Nephropathie haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzinsuffizienz. Damit wird die Nephropathie zu einem Schlüsselfaktor in der interdisziplinären Betreuung von Diabetespatienten.
Die Diagnostik der diabetischen Nephropathie folgt den klaren Empfehlungen der Kidney Disease – Improving Global Outcomes (KDIGO) Clinical Practice Guideline zum Diabetesmanagement bei chronischer Nierenerkrankung (8). Sie ist so wichtig, weil nur eine frühzeitige Entdeckung der Nierenschäden die Möglichkeit eröffnet, deren Fortschreiten zu stoppen oder zu verlangsamen.
Wesentlich ist die regelmäßige Bestimmung der Albuminausscheidung im Urin, da diese den frühesten Hinweis auf eine Nierenschädigung liefert. Schon eine Mikroalbuminurie weist auf eine beginnende diabetische Nephropathie hin.
Parallel dazu wird die Nierenfunktion über die glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) erfasst, die aus dem Serumkreatinin berechnet wird. Die Berechnung findet in der Regel über standardisierte Formeln wie CKD-EPI oder MDRD statt, die Serumkreatinin, Geschlecht, Alter und Hautfarbe berücksichtigen (10, 11). Jedoch sollte besonders bei kachektischen oder sarkopenen Patienten die Bestimmung des Cystatin-C-Werts bevorzugt werden, da dieser ein aussagekräftiger Marker für die glomeruläre Filtrationsrate unabhängig von der Muskelmasse ist und somit eine korrektere Einschätzung der tatsächlichen Nierenleistung ermöglicht (12).
Ergänzende Laborparameter wie Elektrolyte, Harnstoff oder Lipidprofile sowie der Blutdruck liefern zusätzliche Informationen über das Ausmaß der Schädigung und die begleitenden kardiovaskulären Risikofaktoren.
Bildgebende Verfahren spielen in der Routinediagnostik eine untergeordnete Rolle, können aber bei unklaren Befunden oder zum Ausschluss anderer Ursachen sinnvoll sein. Eine Nierenbiopsie erfolgt nur in speziellen Fällen, etwa wenn der klinische Verlauf nicht typisch ist oder eine zusätzliche glomeruläre Erkrankung vermutet wird.
Menschen mit Typ-1-Diabetes wird ab dem fünftem Erkrankungsjahr ein jährliches Screening empfohlen, da eine diabetische Nephropathie frühestens nach fünf Jahren zu erwarten ist. Bei Personen mit Typ-2-Diabetes wird hingegen bereits ab der Erstdiagnose ein jährliches Screening empfohlen, da der Diabetes mellitus wie auch die Nephropathie bereits lange vor der Diagnosestellung bestanden haben können. Zudem haben diese Patienten oftmals zusätzliche Risikofaktoren wie eine Hypertonie, die die Progredienz der diabetischen Nephropathie begünstigt (1).
Die Therapie der diabetischen Nephropathie verfolgt mehrere Ziele:
Zentrales Element ist die strikte Kontrolle des Blutzuckers, da eine gute glykämische Einstellung das Risiko einer Nephropathie verringert und deren Fortschreiten verlangsamt. Ein HbA1c-Wert <6,5 bis 8 Prozent gilt als sinnvolles Ziel, wobei eine individuelle Anpassung je nach Alter, Begleiterkrankungen und Hypoglykämie-Risiko erfolgen muss (8).
Zunächst sollte man versuchen, den HbA1c-Zielwert durch Ernährungsumstellung, mehr Bewegung im Alltag, Gewichtsabnahme und Raucherentwöhnung zu erreichen (Tabelle). Sind diese Maßnahmen unzureichend, sollten orale Antidiabetika ergänzt werden (8).
| Therapiestufen | Maßnahmen und Medikation |
|---|---|
| Lebensstil und Selbstmanagement | Ernährung, Bewegung, Raucherentwöhnung, Gewichtskontrolle |
| Erstlinientherapie | Metformin, SGLT-2-Inhibitoren (jeweils bei Typ-2-Diabetes)RAS-Hemmung (ACE-Hemmer, Sartane)Statine |
| zusätzliche Medikation zur Herz- und Nierenprotektion | GLP-1-AnalogaThrombozytenaggregationshemmer nicht steroidaler Mineralocorticoid-Antagonist |
| Kontrolle aller Risikofaktoren | glykämische ÜberwachungKontrolle des BlutdrucksLipidmanagementNeubeurteilung aller Risikofaktoren alle 3 bis 6 Monate |
Die medikamentöse Therapie des Typ-2-Diabetes mellitus richtet sich nach dem Stadium der Nierenerkrankung. Metformin ist das Mittel der ersten Wahl zur Einstellung des Blutzuckers (8), darf jedoch nur bei ausreichender Nierenfunktion eingesetzt werden. Mit abnehmender glomerulärer Filtrationsrate muss die Dosis reduziert oder das Medikament ganz abgesetzt werden (bei GFR kleiner 30 ml/min) (9).
Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz sind orale Antidiabetika in der Regel kontraindiziert. Hier stellen lang- und kurzwirksame Insuline unter regelmäßigen Blutzuckerkontrollen eine sichere Option dar. Eine mehrmals tägliche Blutzuckermessung kann mittels subkutaner Sensoren beispielweise am Oberarm vermieden werden.
Die orale Gabe von Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitoren (Gliptine) kann vielfach ebenfalls eine sichere Option darstellen. Die Arzneimittel hemmen das Enzym Dipeptidylpeptidase, das den Abbau von Glucacon-like-Peptide 1 (GLP-1) begünstigt. Dieser Wirkmechanismus hat einen erhöhten GLP-1-Spiegel und somit eine verlängerte Insulinausschüttung zur Folge. Ein bekannter Vertreter dieser Gruppe ist zum Beispiel Sitagliptin, das zum Therapiestart mit einer niedrigen Wirkstärke eindosiert und langsam gesteigert werden sollte, um gastrointestinale Nebenwirkungen zu reduzieren (8, 13).
SGLT-2-Hemmer (Gliflozine) werden in der Leitlinie als Erstlinientherapie für das Diabetesmanagement bei chronischer Nierenerkrankung genannt (Tabelle). Die Wirkstoffe hemmen den Glucosetransporter SGLT-2 im proximalen Tubulus der Niere. Dieser natriumabhängige Transporter ist für die Glucoserückresorption verantwortlich. Infolge der Hemmung wird vermehrt Glucose renal ausgeschieden. Darüber hinaus wirken die SGLT-2-Inhibitoren auch kardio- und nephroprotektiv, weshalb beispielsweise Dapagliflozin und Empagliflozin bevorzugt bei Patienten mit Herzinsuffizienz und chronischer Niereninsuffizienz eingesetzt werden. Eine wesentliche Nebenwirkung dieser Substanzklasse sind Harnwegs- und Genitalinfekte, da der erhöhte Glucosegehalt im Urin einen idealen Nährboden für Mikroorganismen bietet (14).
Auch Statine werden in der Leitlinie für das Diabetesmanagement bei chronischer Nierenerkrankung genannt, weil sie als organprotektiv gelten. Statine können das Risiko für Mikro- und Makroangiopathien reduzieren, um letztlich Endorganschäden wie eine Nephropathie zu vermeiden (8).
Auch GLP-1-Rezeptoragonisten, Thrombozytenaggregationshemmer und die neuen selektiven, nicht steroidalen Mineralocorticoidrezeptor-Antagonisten (MRA) dienen zur Kardio- und Nephroprotektion (8). Finerenon ist ein nicht steroidaler MRA, der explizit bei der diabetischen Nephropathie zugelassen ist. Finerenon hemmt – anders als die bisher bekannten MRA wie Spironolacton oder Eplerenon – den Mineralocorticoidrezeptor nicht unselektiv, sondern selektiv. Durch die Rezeptorselektivität wird die Aldosteron-Bindung verhindert; daraus resultierende inflammatorische und fibrotische Prozesse am Herzen, in der Niere und den Gefäßen werden unterbunden (15).
Das ist kein guter Blutdruck! Die Zielwerte bei jüngeren Menschen liegen in der Regel unter 140/80 mmHg. / © Adobe Stock/RRF
In den beiden randomisierten, doppelblinden, multizentrischen Phase-III-Studien FIDELIO-DKD und FIGARO-DKD verminderte der Wirkstoff die Progression der diabetischen Nephropathie und reduzierte das kardiovaskuläre Risiko der Teilnehmenden. Die randomisierte doppelblinde Phase-III-Studie FINEARTS-HF zeigte eine deutliche Reduktion der Herzinsuffizienz-Hospitalisierungen um 22 Prozent durch Finerenon.
Aufgrund dieser Ergebnisse enthält die ESC-Leitlinie zur Diagnose und Behandlung der Herzinsuffizienz eine Klasse-IA-Empfehlung für Finerenon zur Prävention der Herzinsuffizienz bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und chronischer Niereninsuffizienz (16).
Mindestens ebenso wichtig wie die Blutzuckereinstellung ist die Kontrolle des Blutdrucks. Hypertonie und diabetische Nephropathie bedingen sich gegenseitig und bilden einen fatalen Kreislauf. Die Zielwerte liegen in der Regel unter 140/80 mmHg.
ACE-Hemmer und AT1-Rezeptorantagonisten (Sartane) sind die Medikamente der Wahl, da sie neben der Blutdrucksenkung eine direkte protektive Wirkung auf die Nieren haben. Sie senken den intraglomerulären Druck und reduzieren damit die Proteinurie. Dieser Mechanismus führt zu einer Nephroprotektion und verlangsamt die Progression der Erkrankung (7).
Begleitende Komplikationen müssen individuell behandelt werden. Bei renaler Anämie kann eine Substitution von Erythropoetin die Blutwerte stabilisieren und Symptome wie Müdigkeit oder Leistungsabfall dämpfen. Bei ausgeprägter Proteinurie wird manchen Patienten eine moderate Eiweißrestriktion empfohlen, da dies die Filtrationsbelastung verringern kann. Eine Kochsalzrestriktion unterstützt zusätzlich die Blutdruckkontrolle und vermindert die Ödembildung (4, 7).
Im Stadium der terminalen Niereninsuffizienz ist oft eine Nierenersatztherapie nötig, zum Beispiel eine Hämo- oder Peritonealdialyse oder eine Nierentransplantation. / © Imago/UIG
In fortgeschrittenen Stadien kann ein nephrotisches Syndrom auftreten. Dies ist ein komplexes Krankheitsbild, bestehend aus einer Proteinurie über 3,5 g pro Tag, Hypoalbuminämie, Ödembildung sowie gegebenenfalls Dyslipidämie und erhöhter Gerinnungsneigung. Dann ist eine Kombinationstherapie erforderlich. Neben Diuretika zur Entwässerung spielen Statine zur Senkung der Blutfettwerte und Antikoagulanzien zur Vorbeugung thromboembolischer Komplikationen eine wichtige Rolle. ACE-Hemmer und Sartane verringern die Proteinurie. Die Behandlung muss stets engmaschig überwacht werden, da die Gefahr von Elektrolytverschiebungen und Nebenwirkungen besteht (7).
Trotz aller Bemühungen kommt ein erheblicher Teil der Patienten schließlich in das Stadium der terminalen Niereninsuffizienz, sodass eine Nierenersatztherapie oft unvermeidlich ist. Hämodialyse, Peritonealdialyse oder Nierentransplantation stehen zur Verfügung, wobei jede Methode Vor- und Nachteile hat. Die Transplantation bietet langfristig die beste Lebensqualität, ist jedoch aufgrund des Mangels an Spenderorganen nicht flächendeckend verfügbar.
Apotheker können zur Früherkennung der diabetischen Nephropathie beitragen und zudem potenzielle arzneimittelbezogene Risiken frühzeitig erkennen. Damit tragen sie – in enger Zusammenarbeit mit Ärzten – zur Optimierung der medikamentösen Therapie bei.
Mit fortschreitender Nephropathie nimmt die glomeruläre Filtrationsrate ab, was direkte Auswirkungen auf die Pharmakokinetik vieler Arzneistoffe hat. Apotheker können anhand aktueller Laborwerte notwendige Dosisanpassungen, die den Empfehlungen der Fachinformationen entsprechen, erkennen und dem verordnenden Arzt empfehlen. Das betrifft insbesondere Medikamente mit engem therapeutischem Fenster oder überwiegend renaler Elimination, zum Beispiel Metformin, weitere orale Antidiabetika und Antihypertensiva sowie Antibiotika wie Aminoglykoside, Penicilline und Carbapeneme.
Ein weiteres zentrales Aufgabenfeld besteht in der Identifikation und Vermeidung potenziell nephrotoxischer Substanzen. Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) können die Nierenfunktion zusätzlich belasten. Apotheker können Alternativen aufzeigen, etwa die Substitution von NSAR durch Paracetamol oder COX-2-selektive Wirkstoffe bei entsprechender Indikation, und damit zur nephroprotektiven Arzneimittelwahl beitragen.
Die diabetische Nephropathie bleibt eine zentrale Herausforderung für Menschen mit Diabetes mellitus. Jedoch sind die Komplikationen des Diabetes heute gut beeinflussbar. Fortschritte in der Diagnostik und neue therapeutische Optionen, etwa durch SGLT-2-Hemmer oder nicht steroidale Mineralocorticoidrezeptor-Antagonisten, verzögern die Progression effektiver (2).
Mit frühzeitiger Intervention, engmaschiger Überwachung und interdisziplinärer Zusammenarbeit kann es gelingen, die Nierenfunktion zu erhalten und das kardiovaskuläre Risiko des Patienten signifikant zu senken.
Peggy Boje studierte Pharmazie an der Universität Hamburg und arbeitete zunächst in einer öffentlichen Apotheke und in einem Pharmaunternehmen. Seit Mitte 2020 ist sie als Stationsapothekerin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf tätig. Sie ist verantwortlich für die Fachrichtungen Nephrologie, Neurochirurgie, Neurologie und Gastroenterologie, berät Ärzte zur korrekten Dosierung und Anwendung von Arzneimitteln und begleitet Visiten. Boje ist Fachapothekerin für klinische Pharmazie und befindet sich in der Weiterbildung Medikationsmanagement im Krankenhaus.