Spätestens nach drei Monaten sollte Schluss sein |
Annette Rößler |
07.08.2024 14:30 Uhr |
Nicht immer lassen sich Beschwerden wie Juckreiz und Hauterscheinungen bei atopischer Dermatitis mit topischen Therapeutika ausreichend gut lindern. Orale Glucocorticoide helfen schnell, sollten aber nur kurzzeitig angewendet werden. / Foto: Getty Images/Kinga Krzeminska
Neurodermitis (atopische Dermatitis, AD) gilt gemeinhin als eine vornehmlich pädiatrische Erkrankung. Wie eine Gruppe um Dr. Yong Hyun Jang von der Kyungpook National University in Daegu, Südkorea, im »JAMA Network Open« betont, handelt es sich jedoch um eine chronisch-entzündliche Erkrankung, die lebenslang immer wieder aufflammen kann und kontinuierlicher Pflege bedarf. Bei Erwachsenen liege die Prävalenz in verschiedenen Ländern zwischen 2,1 und 4,9 Prozent und jeder zehnte betroffene Erwachsene brauche eine Medikation für moderate bis schwere AD, weil er unzureichend auf Topika anspricht. Dieser Anteil liege deutlich höher als bei Betroffenen im Kindesalter, von denen lediglich 1,5 Prozent moderat bis schwer erkrankt seien.
Orale Glucocorticoide sollen laut allen Leitlinien nur über einen kürzestmöglichen Zeitraum gegeben werden, um Nebenwirkungen zu vermeiden. So sieht auch die deutsche S3-Leitlinie »Atopische Dermatitis« einen Einsatz von systemischen Glucocorticoiden nur als Kurzintervention bei akuten Schüben bis maximal drei Wochen vor. Diese Wirkstoffe sind aber sehr gut antientzündlich wirksam, breit verfügbar und kostengünstig, sodass sie wohl auch häufig länger als die empfohlene Zeitspanne eingesetzt werden.
Dass dies schon bei relativ jungen erwachsenen AD-Patienten das Nebenwirkungsrisiko erhöht, belegt allerdings die aktuelle Studie. An ihr nahmen in den Jahren 2013 bis 2020 insgesamt 493.112 knapp 40-jährige AD-Patienten teil: 164.809 Fälle und 328.303 gematchte Kontrollen. Als Fälle galten Patienten, bei denen mindestens eine der folgenden potenziellen Corticosteroid-Nebenwirkungen aufgetreten war: Osteoporose, Fraktur, Typ-2-Diabetes, Hyperlipidämie, Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz, avaskuläre Nekrose, Katarakt oder Glaukom.
Hatten die Patienten innerhalb eines Jahres kumuliert 30 oder mehr Tage orale Glucocorticoide eingenommen, wirkte sich dies nicht auf das Risiko für eine der genannten Komplikationen aus. Dagegen war eine kumulierte Einnahmedauer von 90 oder mehr Tagen mit einem leicht erhöhten Risiko verbunden (adjustierte Odds Ratio 1,11). Jedes weitere Jahr mit Corticoid-Langzeitanwendung über 90 Tage fügte eine weitere Risikoerhöhung hinzu (aOR 1,06).
Das Risiko für Komplikationen einer systemischen Corticosteroidtherapie sei bei einer Anwendungsdauer über 90 Tage geringfügig erhöht, fassen die Forschenden zusammen. Jetzt gelte es, dieses Ergebnis in weiteren Studien zu bestätigen. Ärzte sollten eine gründliche Nutzen-Risiko-Abwägung treffen, bevor sie orale Corticosteroide über einen längeren Zeitraum verordnen, und die potenziellen Nebenwirkungen stets im Blick haben.