| Alexandra Amanatidou |
| 03.12.2025 16:20 Uhr |
»Wir brauchen Ergebnisse, die die positiven Veränderungen im System relativ schnell zeigen«, sagte der Parlamentarische Staatssekretär des Gesundheitsministeriums, Tino Sorge (CDU), am Dienstag beim Eppendorfer Dialog in Berlin. / © PZ/ Alexandra Amanatidou
Normalerweise in Hamburg, fand der Eppendorfer Dialog am Dienstag erstmals in der Hauptstadt statt. Der Eppendorfer Dialog ist ein öffentliches Diskussionsforum zu aktuellen gesundheitspolitischen Themen, das 2006 ins Leben gerufen wurde. Zentrale Themen des Abends waren die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und die Bedeutung der Gesundheitsversorgung für die Demokratie.
Das Grußwort hielt der CDU-Politiker Tino Sorge. Er sprach von nötigen Strukturreformen im Gesundheitssystem. Schwerpunktfinanzierungen, wie etwa im Bereich Prävention, müssten künftig eine größere Rolle spielen. Die Gesundheitsversorgung werde sich ändern müssen. »Sie wird nicht unbedingt schlechter, aber anders«, so der CDU-Politiker. Wichtig werde seien, die Patientinnen und Patienten zu steuern und somit mehr Freiraum für das solidarische System zu schaffen. »Nicht direkt zum Arzt gehen, auch wenn man es kann.«
Die Diskussionen über eine Umfinanzierung und Umstrukturierung seien notwendig, aber nicht möglich, wenn die beteiligten Akteure direkt eine »rote Linie« ziehen würden. »Wir brauchen Ergebnisse, die die positiven Veränderungen im System relativ schnell zeigen.« Laut Sorge müssen wir die »bittere Medizin« hinnehmen, die schnelle Veränderungen zeigt, und uns nicht mit einer »bittersüßen Medizin« zufriedenstellen, die keine Resultate zeigt. »Die Ergebnisse müssen bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen, und das funktioniert nur, wenn alle mithelfen«, so Sorge.
Auch Achim Jockwig, der Vorstandsvorsitzende des Klinikums Nürnberg, hielt ein Grußwort. Er bezeichnete Gesundheit als Fundament der Demokratie und sagte, es sei Zeit für Reformen, um die solidarische Gesundheitsversorgung aufrechtzuerhalten.
(v.l.n.r.) Francesco De Meo (MED:ON MVZ), Michael Hennrich (Pharma Deutschland), Karin Maag (G-BA), Achim Jockwig (Klinikum Nürnberg), Tino Sorge (BMG), Oliver Blatt (GKV) und Boris Augurzky (Wirtschaftswissenschaftler). / © PZ/ Alexandra Amanatidou
Im Laufe des Abends fand eine Podiumsdiskussion statt. Sieben Gäste – sechs Männer und eine Frau – sprachen über eine mögliche Selbstbeteiligung und die Idee eines regionalen Budgets für das Gesundheitswesen.
»Wir sollten nicht mit dieser Debatte beginnen«, beklagte Oliver Blatt, der Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, und fügte hinzu: »Wir sollten mehr über die Ursachen der Ausgaben und über eine bessere Steuerung der Patientinnen und Patienten sprechen.« Auch über die Leistungserbringer müsse gesprochen werden, wenn es darum gehe, das System effizienter zu machen. »Apotheken sind ein hochemotionales Thema«, sagte er, erklärte seine Gedanken dazu aber nicht ausführlicher.
Tino Sorge beklagte, dass in der Politik sofort das Argument aufkomme, Menschen würden benachteiligt, sobald es um individuelle Krankenkassenleistungen geht. Über die Vorteile eines solchen Systems werde hingegen nicht gesprochen.
Karin Maag, unparteiisches Mitglied im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), stand der Idee einer Selbstbeteiligung offen gegenüber. Diese müsse allerdings gerecht sein und den Bürgerinnen und Bürgern klar erklärt werden. »Wenn die Menschen sehen, dass wir das System verbessern, werden sie eine Zuzahlung bei einem Krankenhausaufenthalt akzeptieren.« Insgesamt müsse sich die Politik aber wieder praxisnäher orientieren.
Michael Hennrich von Pharma Deutschland plädierte dafür, bei den Versicherten ein Bewusstsein für die Ausgaben im Gesundheitswesen zu schaffen und transparent zu zeigen, was die Leistungen kosten. Sorge zeigte sich hingegen skeptisch: »Die Summe wird viele nicht interessieren. Den Menschen geht es um Lösungen und Leistungen.«
Sowohl Boris Augurzky als auch Francesco De Meo begrüßten die Idee eines regionalen Budgets. Bei diesem Modell würden Leistungserbringer eine pauschale Vergütung pro Kopf erhalten, unabhängig von auftretenden Krankheitsfällen. Augurzky zufolge sollen Regionen, in denen eine Unterversorgung droht, ein Budget für die lokalen Akteure des Gesundheitswesens erhalten. Diese Lösung würde zu mehr Entscheidungshoheit vor Ort und zu weniger Bürokratie führen. Die Vorteile wären: Deregulierung, Demokratieförderung und die Erweiterung der eigenen Verantwortung.
Laut Sorge löst diese Idee die aktuellen Probleme nicht und sei nicht so schnell umsetzbar. »Es gibt kurzfristige Maßnahmen, die wir brauchen, um Luft im System zu verschaffen. Danach kommen die mittelfristigen, die auch strukturell sind.« Der CDU-Politiker erinnerte außerdem daran, dass Deutschland ein föderales System hat. Auch wenn das Ministerium eine Idee habe oder eine Entscheidung treffe, hieße das nicht, dass die Länder diese umsetzen würden. In der Politik brauche man immer Mehrheiten und Kompromisse.
Auch Oliver Blatt ist der Meinung, dass regionale Budgets momentan nicht viel leisten würden. »Wir haben große Baustellen, die wir erst einmal angehen müssten, um für Stabilität zu sorgen.« Michael Hennrich sagte, er sei ein großer Fan von Regionalisierung und Flexibilisierung, würde aber lieber mehr Wettbewerbselemente in den Regionen fördern.
Vor der Podiumsdiskussion hielten der Wirtschaftswissenschaftler Boris Augurzky und Francesco De Meo, CEO von MED:ON MVZ, einem Anbieter für ambulante Medizin, zwei Impulsvorträge.
»Mehr bezahlen und weniger bekommen ist nicht förderlich für die Demokratie«, sagte Augurzky mit Blick auf die steigenden Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). In seinem Vortrag präsentierte er die Entwicklung der GKV-Finanzen der letzten Jahre. So hätten Versicherte im Jahr 2020 nur ein Prozent für ihre GKV-Zusatzbeiträge bezahlt, während es bald drei Prozent sein werden. »Eine rasante Entwicklung«, so der Wirtschaftsexperte.
Laut Daten des Statistischen Bundesamtes und des Instituts für Health Care Business (hcb), dessen Geschäftsführer Augurzky ist, gehören Krankenhäuser, Arztpraxen und Apotheken zu den größten Kostenblöcken der GKV. Auch die Ausgaben für Arzneimittel hätten sich im Laufe der Jahre verändert. Laut Daten der Barmer haben im Jahr 2010 4,6 Prozent der Versicherten, 50 Prozent der Ausgaben für Arzneimittel bezahlt; 2021 waren es nur noch 1,7 Prozent. Laut Augurzky führt eine starke Wirtschaftspolitik zu einer starken Gesundheitspolitik, da dadurch auch die Einnahmen steigen.
De Meo sprach hingegen von der Notwendigkeit einer kulturellen Zäsur in der Politik. Es müssten mehr ungeschönte Realitäten und Wahrheiten ausgesprochen werden. »Demokratie ist weder Versicherung noch Dienstleistung, sie ist eine gemeinsame Verantwortung.«