Sorge: Rechtsruck auch wegen Versäumnissen bei Gesundheit |
Cornelia Dölger |
02.09.2024 14:00 Uhr |
»Gesundheit und Pflege hatten bei der Ampel nie die Priorität, die sie hätten haben müssen«, so Sorge. / Foto: Steven Vangermain
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Tino Sorge (CDU), hat für den Erfolg der rechtextremistischen AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen auch die Politik der Ampelkoalition in Berlin mitverantwortlich gemacht. Längst sei die medizinische Versorgung zu einem wahlentscheidenden Thema geworden, so Sorge zur PZ. Die Ampel habe aber versäumt, dem Thema ausreichend Raum zu geben.
»Gesundheit und Pflege hatten bei der Ampel nie die Priorität, die sie hätten haben müssen«, kritisierte Sorge. Das hätten auch die Wählerinnen und Wähler in Thüringen und Sachsen registriert. »Die Menschen haben ein sehr genaues Gespür dafür, wie sich die Versorgung vor Ort verändert«, warnte Sorge.
Hinzu komme noch der »konfrontative Stil« von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei der »festgefahrenen Apothekenreform«, bei der Krankenhausreform sowie bei der Diskussion um die Pflegekosten. Beim Thema Gesundheit und Pflege habe es die Ampel immer wieder verpasst, den Menschen in Ostdeutschland Zuversicht zu geben. Gerade dort seien diese Themen aber ausschlaggebend. »Die Demografie und der Versorgungsbedarf in ländlichen Räumen sind dort anders als im Westen.«
Auch die Industrie reagiert mit Sorge auf die Ergebnisse aus Sachsen und Thüringen und sieht den Wirtschaftsstandort Deutschland in Gefahr. Eine ablehnende Haltung gegenüber Internationalität und Vielfalt strapaziere nicht nur das gesellschaftliche Klima, sondern stelle auch die wirtschaftliche Zukunft ganzer Regionen infrage, warnte etwa der Branchenverband der Pharmaindustrie Pharma Deutschland.
Wichtig sei nun ein »klares Signal aller demokratischen Kräfte gegen Extremismus und internationale Abschottung«, heißt es in einer Mitteilung. »Investoren und Fachkräfte werden sich zweimal überlegen, ob sie in ein Umfeld investieren, das von internationaler Ausgrenzung und Abschottung geprägt ist«, so Hauptgeschäftsführerin Dorothee Brakmann.
Von den Regierungen beider Länder benötige es ein deutliches Signal für den Standort. »Die Pharmabranche lebt von globaler Vernetzung, kultureller Vielfalt und einem offenen, freien Markt. Der zunehmende Einfluss rechtsgerichteter Kräfte in Thüringen und Sachsen stellt diese Grundpfeiler unseres wirtschaftlichen Erfolgs in Frage«, so Brakmann weiter.
Die Erfolge von AfD und BSW schreckten Investoren aus dem Ausland ab und würden langfristig zur Verschärfung des Fachkräftemangels führen, schreibt das Nachrichtenmagazin »Spiegel« und zitiert die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer.
Mit Blick auf AfD-Positionen warnte Schnitzer demnach: »Die Ablehnung von qualifizierter Zuwanderung ist an der Stelle das falsche Signal, denn sie wird Fachkräfte davon abhalten, diese Bundesländer als Option in Erwägung zu ziehen.«
Auch vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kam eine Warnung. Wie DIW-Präsident Marcel Fratzscher dem »Spiegel« sagte, müsse nach den großen Erfolgen der beiden Parteien mit einer Abwanderung von Unternehmen und Fachkräften gerechnet werden. Vor allem die AfD stehe für Protektionismus und eine Abschottung von Europa, so Fratzscher.
Auch für Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), birgt der Wahlausgang Risiken. »Für die Wirtschaft kann das nichts Gutes verheißen, denn es braucht politische Berechenbarkeit, institutionelle Stabilität und verlässliche Rahmenbedingungen«, sagte er dem »Spiegel«. Auch die Bundespolitik habe Einfluss auf die Wahlergebnisse gehabt, deshalb müssten auch dort die Herausforderungen entschlossen angegangen werden.