Sonnenblumen haben ihren eigenen Kopf |
| Jennifer Evans |
| 09.04.2024 07:00 Uhr |
Komplexes Verhalten: Für die Rotation des Sonnenblumenkopfes scheint Phototropin weniger wichtig als bislang gedacht. / © Adobe Stock/Sergii Figurnyi
Jeden Morgen neigen Sonnenblumen ihr Gesicht nach Osten, um die aufgehende Sonne zu begrüßen. Danach folgen ihre Köpfe dem Zentralgestirn bei seiner Wanderung am Himmel nach Westen. Das gelingt, weil die Pflanzen tagsüber etwas stärker auf der Ostseite ihres Stängels wachsen, wodurch sich ihr Kopf nach Westen drückt. Nachts wachsen sie dann stärker auf der Westseite und die Köpfe kippen wieder nach Osten.
Lange ging die Wissenschaft davon aus, dass der Heliotropismus, die Fähigkeit der Sonne zu folgen, durch denselben molekularen Mechanismus geschieht wie der Phototropismus, die Fähigkeit, in Richtung der Lichtquelle zu wachsen. Doch eine Studie der Universität California hat gezeigt: Sonnenblumen haben offenbar einen eigenen Mechanismus, wie sie der Sonne folgen. Das Protein Phototropin, das auf blaues Licht reagiert und so die Ausrichtung nach dem Licht steuert, ist demnach doch nicht verantwortlich für die Bewegung der Köpfe im Gleichschritt mit der Sonne.
Die Untersuchung hatte nämlich ergeben: In Innenräumen wuchsen die Sonnenblumen direkt in Richtung Licht und aktivierten Gene, die in Verbindung mit Phototropin standen. Jene Sonnenblumen dagegen, die draußen auf dem Feld ihre Köpfe mit der Sonne schwenkten, zeigten ein völlig anderes Muster der Genexpression. Allerdings haben die Forschenden die Gene, die am Heliotropismus beteiligt sind, derzeit noch nicht identifiziert.
Sonnenblumen lernen schnell. So viel ist dem Forscherteam klar. Als die Labor-Pflanzen ins Freie kamen, seien die Blüten bereits am ersten Tag dem Weg der Sonne gefolgt, so die Pflanzenbiologin und Mitautorin Professor Dr. Stacey Harmer. Es deute viel darauf hin, dass bei ihnen eine Art Neuverdrahtung stattgefunden habe. Selbst als die Forschenden verschiedene Lichtarten blockierten, schwenkten die Pflanzen weiterhin ihr Gesicht zur Sonne.
Dieses Verhalten deute darauf hin, dass Sonnenblumen mehrere Möglichkeiten hätten, Sonnenlicht zu erkennen, heißt es. Das Autorenteam kommt zu dem Schluss, dass sich Sonnenblumen wahrscheinlich bei ihrer Rotation an verschiedenen Wellenlängen des Lichts orientieren und zugleich einer inneren Uhr folgen.
Für die Wissenschaft sind die Beobachtungen auch noch aus einem ganz anderen Grund von Bedeutung: »Dinge, die man in einer kontrollierten Umgebung wie einer Wachstumskammer definiert, funktionieren in der realen Welt möglicherweise nicht«, so Harmer.