Sollte die PKV abgeschafft werden? |
Lukas Brockfeld |
24.09.2025 17:22 Uhr |
Im Paul-Löbe-Haus des Bundestags wurde am Mittwoch über die Stabilisierung der Krankenkassen diskutiert. / © Imago/dts Nachrichtenagentur
Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist in einer prekären finanziellen Situation. Allein im vergangenen Jahr fehlten den Kassen mehr als 6 Milliarden Euro. Und trotz der zum Jahreswechsel deutlich angehobenen Zusatzbeiträge steuert die GKV für 2026 auf ein neues Milliardenloch zu. Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat daher einschneidende Reformen versprochen und eine Kommission eingesetzt, die bis zum Frühjahr konkrete Pläne erarbeiten soll.
Warken hat dabei Leistungskürzungen nicht ausgeschlossen. Die Partei »Die Linke« lehnt diese strikt ab und hat unter dem Motto »Leistungskürzungen und Beitragsexplosion in Gesundheit und Pflege verhindern – Jetzt gerechte Finanzierung einführen« eine Expertenanhörung des Gesundheitsausschusses einberufen. Die Partei hat mehrere kurz- und langfristige Vorschläge zur Stabilisierung der GKV-Finanzen erarbeitet.
»Die Linke« fordert außerdem, dass kurzfristig die private Pflegeversicherung (PPV) in den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung (SPV) integriert wird. Langfristig sollen die Privatversicherten vollständig in die GKV und die Soziale Pflegeversicherung (SPV) aufgenommen werden. Die private Krankenversicherung (PKV) würde damit als Vollversicherung abgeschafft werden. Stattdessen solle eine Pflegebürgervollversicherung für alle kommen.
In der Anhörung erklärte Heinz Rothgang, Professor für Gesundheitsökonomie an der Universität Bremen, dass das gegenwärtige System mit Privater und Gesetzlicher Krankenversicherung ungerecht sei, da die GKV für ihren durchschnittlichen Versicherten etwa doppelt so viel Geld ausgeben müsse wie die PKV. Gleichzeitig hätten Privatversicherte ein etwa 50 Prozent höheres Einkommen. »Von einer ausgeglichenen Lastenverteilung kann keine Rede sein. Deshalb halte ich einen Finanzausgleich oder die Zusammenlegung beider Zweige normativ und unter verfassungsrechtlichen Maßstäben für zwingend notwendig«, erläuterte der Ökonom.
Thomas Schlegel, Professor für Gesundheitsrecht, warnte dagegen, dass eine Abschaffung der PKV Krankenhäusern, Ärzten und anderen Heilberuflern ein Einnahmendefizit von etwa 25 Prozent bescheren dürfte. Das würde Gesundheitsberufe weniger attraktiv machen und Innovationen behindern. »Innovationen im Gesundheitswesen kommen immer zuerst in der PKV und der Selbstzahlerstruktur an. Sie erreichen erst mit einer erheblichen Verzögerung die GKV. Eine Abschaffung hätte erhebliche Auswirkungen auf die Innovationsfreudigkeit und die Investitionsfähigkeit im System und damit auch auf die Versorgung der Bevölkerung«, sagte Thomas Schlegel.
Richard Ochmann ist Projektleiter für Gesundheitspolitik beim IGES Institut und warnte bei der Anhörung vor der drohenden Kostenexpolosion im GKV-System. »In der Gesetzlichen Krankenversicherung ist davon auszugehen, dass der Beitragssatz bis zum Jahr 2035 bei mittlerer Lohnentwicklung auf 20 Prozent ansteigt. Gegenwärtig sind wir bei 17,5 Prozent. Für die soziale Pflegeversicherung kann davon ausgegangen werden, dass die Beiträge bis auf 5 Prozent steigen, gegenwärtig sind es 3,8 Prozent«, erläuterte Ochmann. Es brauche dringend Reformen um dieser Ausgabenentwicklung entgegenzuwirken.
Auch Antje Kapinsky vom Verband der Ersatzkassen (vdek) mahnte schnelle Reformen an: »Eine Expertenkommission kann natürlich immer noch neue Erkenntnisse finden. Aber eigentlich liegen genügend Ideen auf dem Tisch und man könnte sofort loslegen«. Es brauche vor allem nachhaltige Strukturreformen auf der Ausgabenseite. Kapinsky forderte unter anderem eine konsequente Krankenhaus- und Notfallreform sowie eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent. »Im Gastronomiebereich plant die Regierung das bereits. Wir fragen uns schon lange, warum Arzneimittel mit einem so hohen Steuersatz belegt werden«.