So war der Protest in Erfurt |
Cornelia Dölger |
28.08.2024 18:46 Uhr |
Gegen die Reformpläne des Bundesgesundheitsministeriums: Das Team der Apotheke im Prima-Park in Eisenach protestierte mit mehr als 700 weiteren Apothekenmitarbeitenden in Erfurt. / Foto: PZ/Dölger
»Weil mein Beruf meine Berufung ist«, sagt Stefanie Pietschmann – deshalb sei sie heute nach Erfurt gekommen, um für bessere politische Rahmenbedingungen für die Apotheken zu demonstrieren. Denn gut sind die Umstände tatsächlich nicht: anhaltendes Apothekensterben, Personalmangel, überbordende Bürokratie, explodierende Kosten bei stagnierendem Honorar.
Und dann das geplante Apotheken-Reformgesetz (ApoRG). Aus Sicht der Apotheken verschlimmert es die Lage zusätzlich, anstatt sie zu verbessern, wie das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nicht müde wird zu betonen. »«Unter den jetzigen Umständen würde ich keinem empfehlen, Pharmazie zu studieren«, so Pietschmann, die angestellte Apothekerin in Marksuhl in Thüringen ist. Weil sie wieder zuversichtlicher sein möchte, weil Apothekerin zu sein eben ihre Berufung ist, ist sie heute hier.
Sie trägt wie viele andere hier Westen mit der Aufschrift »Apotheken stärken jetzt« und hält ein Protestplakat in die Höhe, eins von Dutzenden, die über dem kopfsteingepflasterten Platz vor der Erfurter Staatskanzlei im Sonnenschein hochgehalten werden. Der halbe Platz liegt im kühlen Schatten, weshalb sich die Menge bis kurz vor Start der Kundgebung nicht bis zur sonnigen Bühne vorwagt.
Schließlich doch, mit Regenschirmen als Sonnenschutz sowie ihren Bannern, Plakaten, Trillerpfeifen bewegen sich die Protestierenden auf die Bühne zu und hören, was die Rednerinnen und Redner zu sagen haben. Verbandsspitzen sind ebenso da wie Politprominenz, selbst Landesvater Bodo Ramelow stärkt den Apotheken den Rücken, wenn auch nur per Videobotschaft.
Überhaupt das Digitale. Geplant war, die Kundgebungen in Erfurt und Dresden zeitgleich stattfinden zu lassen und währenddessen von einem zum anderen Spot hin- und herzuschalten, damit die Erfurter auch die Redner auf dem Dresdner Postplatz sehen und hören und umgekehrt.
Das klappte nicht ganz reibungslos; immer wieder fiel der Ton aus, ruckelte die Übertragung. Als der Vorsitzende des Thüringer Apothekerverbands, Stefan Fink, am Ende noch einmal auf die Bühne stieg, mutmaßte er, dass womöglich der Bundesgesundheitsminister seine Finger bei den Übertragungsproblemen im Spiel gehabt haben könnte, allein um zu verhindern, dass der versammelte und landesübergreifende Ärger über das ApoRG allzu deutlich werden könnte.
Aber er wurde es auch so. Nicht nur die Rednerinnen und Redner erteilten zentralen Punkten der Pläne wie »Apotheken light« eine klare Absage, auch die Protestierenden selbst fanden deutliche Worte. »Wir möchten mit unseren Problemen erhört werden«, sagen etwa zwei Apothekerinnen aus Jena. Da sei etwas gehörig in Schieflage geraten mit der Apothekenhonorierung. Was die Abgeordneten denn wohl dazu sagen würden, wenn man ihre Diäten auf dem Niveau von vor 20 Jahren hielte – so wie das Apothekenhonorar?
Auch dass es Apotheken ohne Apotheker geben solle laut den Plänen – »nicht wirklich im Sinn der Patienten«, sagt eine Apothekerin. Eine immer älter werdende Gesellschaft sei schließlich auf ständig vorhandene Beratungskompetenz und auf Leistungen wie Rezeptur, zudem Nacht- und Notdienste angewiesen – und werde es immer stärker.
Auch Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV), war in Erfurt und protestierte mit. Es gelte, den Spannungsbogen aufrechtzuerhalten, so Hubmann am Rande der Kundgebung zur PZ. Derzeit befänden sich die Apotheken in einer »interessanten« Lage: Einerseits sei es gut, dass es bislang keinen Kabinettsentwurf der Pläne gebe, andererseits würde eine Chance auf nötige Reformen vertan, wenn nun gar kein Gesetz käme. »Es ist also eine Quadratur des Kreises.« Am Ende müsse der Politik schlicht klar werden, wie groß die Not der Apotheken sei. Es brauche eine Reform, aber eine andere als derzeit geplant.
Dies mit Protesten wie heute in Erfurt und Dresden kundzutun, sei wichtig. Dass die Apothekenteams zusätzlich in unzähligen Gesprächen mit Gesundheitspolitikerinnen und- Politikern ihre Belange dargestellt hätten, habe nachhaltig gewirkt, zeigte sich Hubmann überzeugt. »Das muss im Bewusstsein auf breiter Ebene verankert werden.«