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Medikationsanalyse

»So viele Tabletten sind doch immer schlecht, oder?«

Für Apothekerin Dorothee Michel gehören Medikationsanalysen schon seit vielen Jahren zum Alltag. Trotzdem ist jeder Fall anders. Die PZ war bei einer Brown-Bag-Analyse eines multimorbiden Patienten dabei. 
AutorKontaktDaniela Hüttemann
Datum 15.02.2023  18:00 Uhr

Ein Tag im November, es herrscht typisches Hamburger Schietwetter. Herr und Frau O. haben extra einen Bus früher genommen, um pünktlich in der Markt-Apotheke im Stadtteil Eidelstedt zu sein. Sie hatten bei ihrem letzten Besuch einige Fragen zu Herrn O.s Medikamenten und es gab Änderungen. Daher hat Inhaberin Dorothee Michel sie heute im Rahmen der pharmazeutischen Dienstleistung »erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation« zur Medikationsanalyse eingeladen. Das ältere Ehepaar wusste nichts von dieser Möglichkeit und ist dankbar, dass sich die Apothekerin nun einen Überblick über die Gesamtmedikation verschafft.

Ehepaar O. ist eine Viertelstunde zu früh, doch die Apothekerin hat bereits alles vorbereitet. Sie hilft dem geheingeschränkten Patienten in den Beratungsraum. Dort klärt sie das Ehepaar zunächst über den Sinn und Zweck einer Medikationsanalyse und ihr Vorgehen auf. Herr O. unterschreibt die Vereinbarung zur Durchführung der pharmazeutischen Dienstleistung sowie die Schweigepflichtentbindung zur Kommunikation mit dem Hausarzt.

Im Beratungsraum packt seine Frau die Medikamente aus. Sie holt sie für ihren Mann regelmäßig ab, das Stellen in der Wochendosette übernimmt der Patient selbst. Sehr stolz ist der 83-Jährige, dass er am Computer eine eigene Übersicht seiner Medikamente erstellt hat.

Apothekerin Michel fragt zu jeder Packung: »Wie lange nehmen Sie die Tabletten schon? Wie kommen Sie damit zurecht? Wissen Sie, warum Sie die nehmen?« Gewissenhaft gibt Herr O. Auskunft, zum Teil ergänzt seine Frau. »Das Metformin? Ach, schon endlos lang, wegen dem Diabetes.« Zudem spritzt er Insulin; der Blutzucker sei stabil, ergänzt Frau O. Die Werte, die der Patient mitgebracht hat, sprechen jedoch eine andere Sprache.

Tabletten müssen geviertelt werden

Aus den Abgabedaten der Kundendatei und dem ärztlichen Medikationsplan schließt die Apothekerin, dass die 10-mg-Ramipril-Tabletten geviertelt werden müssen und fragt: »Wie kommen Sie damit zurecht?«

»Schlecht«, so Frau O., die ihrem Mann die Tablette mit dem Küchenmesser zerschneidet. »Nächstes Mal hätten wir lieber die 5-mg-Tabletten.«

»Es gibt aber auch 2,5-mg-Tabletten – soll ich das dem Arzt vorschlagen?«

»Ja, das wäre gut«, antwortet Frau O., denn der Blutdruck ihres Mannes sei zeitweise zu niedrig gewesen, da hätten sie das Ramipril pausiert. Dann steige der Blutdruck jedoch wieder zu sehr. Gewissenhaft referiert Frau O. die letzten gemessenen Blutdruckwerte ihres Mannes.

Es habe vor Kurzem einen Hausarztwechsel gegeben, da der alte Hausarzt in den Ruhestand gegangen war. Mit dem neuen Hausarzt sind die O.s zufrieden, da er Hausbesuche macht und nun auch die Medikation vom Diabetologen übernommen hat.

Nachdem sie die Packungen durchgegangen sind, spricht Michel die Blutzucker- und Nierenwerte an. Sie erklärt, was und wie bedeutsam der Langzeit-Zuckerwert ist und was passieren könnte, wenn der Blutzucker dauerhaft zu hoch ist.

»Ich sündige ab und zu halt gern«, gibt Herr O. zu.

»Dann gibt es jetzt eben nichts Süßes mehr«, so seine Frau, schließlich koche sie ja schon entsprechend.

»Meine Frau ist sehr streng«, zwinkert Herr O. der Apothekerin zu. Michel erklärt, dass es nicht um den totalen Verzicht gehe und dass man auch die Diabetes-Medikation anpassen könne.

Patient will den Arzt nicht vor den Kopf stoßen

Michel weist darauf hin, dass der letzte gemessene Nierenwert nicht mehr so gut gewesen sei und mal wieder überprüft werden solle. Was sie dem Patienten nicht direkt sagt: Das Metformin ist bei der niedrigen Nierenfunktion nicht nur viel zu hoch dosiert, sondern sogar kontraindiziert. Sie rät Herrn O., doch mal wieder zum Diabetologen zu gehen. Doch Herr O. hat Angst, damit den neuen Hausarzt vor den Kopf zu stoßen, der sich doch angeboten hat, alles aus einer Hand zu machen und sogar zum Hausbesuch kommt.

Michel hat Herrn O. jedenfalls noch einmal zu mehr Bewegung wie täglichem Treppensteigen ermuntert und erinnert, Blutzucker und Blutdruck täglich zu messen. Zudem weiß Herr O. nun, dass er keinesfalls Diclofenac oder ASS eigenmächtig bei Schmerzen nehmen soll, um seine Nieren nicht weiter zu gefährden.

Patientenwunsch: Weniger Tabletten

Zum Abschluss des Gesprächs fragt sie Herrn O.: »Was könnte für Sie besser sein?«

»Wenn es geht, ein paar Tabletten weniger – so viele Medikamente sind doch immer schlecht, oder?«, antwortet Herr O.

Das könne man so pauschal nicht sagen, versichert die Apothekerin und erklärt, dass sie sich nun in Ruhe die Medikation noch einmal ansehen und dem Hausarzt Vorschläge machen werde. »Dann entscheiden Sie mit, was Ihnen wichtig ist – es soll Ihnen ja damit gut gehen und Sie sollen über alles Bescheid wissen.«

Herrn und Frau O. ist wichtig, dass rund um die Medikation alles »gründlich gemacht« wird. Sie vertrauen darauf, dass Arztpraxis und Apotheke hier gut zusammenarbeiten und alles im Blick haben. Auch der angekündigte Bericht an den Arzt ist Herrn O. wichtig.

Den verfasst Michel in den folgenden Tagen im Stil eines Arztbriefs auf kollegialer Augenhöhe und hat einige Verbesserungsvorschläge, vor allem im Hinblick auf die Metformin-Dosierung angesichts der schlechten Nierenfunktion, aber auch zum Teilen der Tabletten.

Wenn der Arzt nicht antwortet

»Die Kommunikation mit dem Hausarzt hat leider nicht so gut funktioniert«, berichtet Michel der PZ im Nachgang. Auf Fax und schriftliche Überbringung der Hinweise und Vorschläge habe sie keine Rückmeldung erhalten. Herr O. habe dem Arzt beim folgenden Hausbesuch ihren Bericht auch noch einmal vorgelegt, doch der habe ihn sich nicht einmal angesehen.

Einen Blick scheint der Arzt jedoch schon darauf geworfen zu haben, denn er hat die Nierenfunktion neu bestimmt und die Metformin-Dosis reduziert. Der Blutzucker sei allerdings immer noch nicht gut eingestellt, so Michels Resümee gut zwei Monate später. »Schade, denn vielleicht wäre dem Patienten dann auch seltener schwindelig.« Zu einem Diabetologen habe sich Herr O. nicht getraut. Mit der Unterstützung durch die Apotheke war er jedoch hochgradig zufrieden.

»Die DJ-Angabe ist unser Feind«

»Einerseits ist dieser Fall typisch, andererseits ist jeder Fall wieder anders«, so Michel. Typisch sei beispielsweise, dass Patienten erst einmal angeben, alles nach Plan einzunehmen. Im Laufe des Gesprächs kommen dann aber doch meist Abweichungen heraus. »Hier ist die DJ-Angabe unser Feind – besser wäre eine genaue Dosierangabe auf dem Rezept«, meint Michel.

Typisch sei auch, dass die Patienten nicht mit dem ausgedruckten Medikationsplan arbeiten – der ist ihnen häufig zu voll und unübersichtlich, sodass sie sich ihren eigenen erstellen. Ebenso häufig komme es vor, dass der Patient bei einigen Medikamenten gar nicht weiß, wofür er sie nimmt.

Die spannendsten Dinge kommen oft zum Schluss

Man merke häufig, dass sich die betreuenden Ärzte bislang nicht die Zeit hatten, die Gesamtmedikation mit dem Patienten durchzusprechen und die Probleme zu identifizieren, die der Patient damit hat, so Michel. Daher seien die Patienten auch begeistert, wenn sie sich im Rahmen einer Medikationsanalyse, die als pharmazeutische Dienstleistung für die Patienten zudem nun noch kostenlos ist, eine halbe Stunde bis 45 Minuten Zeit nehme. »Gerade am Ende kommen dann immer noch Fragen oder ein ›Übrigens‹, da muss man auch auf eine gute Gesprächsführung achten«, so Michel.

Das seitens der Ärzte keine Rückmeldung komme, passiere auch hin und wieder; aber dieser sei ja auch noch relativ neu im Viertel. Mit vielen anderen arbeite sie seit Jahren gut zusammen. Und erst diese Woche habe sie von einer anderen Patientin, der sie bei der Digitoxin-Umstellung geholfen habe, einen großen Blumenstrauß erhalten, weil sie sich nun deutlich besser fühle. Man merkt, wie Michel ihre Patientinnen und Patienten am Herzen liegen – dass aber andersherum die Dankbarkeit und Anerkennung auch der Apothekerin und ihrer Arbeit guttun.

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