So lohnen sich pharmazeutische Dienstleistungen |
Daniela Hüttemann |
03.05.2024 09:00 Uhr |
Die allermeisten Patienten haben kein Problem damit, die zweiseitige Vereinbarung und Quittierung einer pDL zu unterschreiben, schließlich erhalten sie dafür eine hochwertige Beratung. / Foto: Getty Images/Sanja Radin
Vor fast zwei Jahren wurden die pharmazeutischen Dienstleistungen eingeführt. Während manche Apotheken mittlerweile hunderte Medikationsanalysen, Inhalativa-Schulungen und Blutdruckmessungen abgerechnet haben, tun sich doch noch viele schwer, in der Regel aus Zeit- und Personalmangel. »Es ist enorm, was derzeit in den Apotheken geleistet wird«, betonte Dr. Nina Griese-Mammen, Abteilungsleiterin im Geschäftsbereich Arzneimittel der ABDA, die die pDL mitentwickelt hat. Lieferengpässe, E-Rezept-Einführung, Fachkräftemangel und jetzt noch neue Dienstleistungen anbieten – es könne nicht alles sofort klappen, doch es sei toll, wo viele, die angefangen haben, mittlerweile stehen, sagte sie vergangenen Dienstag beim Pharma Lunch Talk.
pDL könne man nur als Teamleistung anbieten, meinte Dr. Katja Renner, angestellte Apothekerin aus Heinsberg. PTA könnten neben Blutdruckmessung und Inhalativa-Schulung, die sie eigenständig durchführen, die Medikationsanalysen vorbereiten, zum Beispiel Patienten ansprechen, Dokumente vorbereiten und die Daten aus der Kundenkartei aufbereiten.
»Auch bei uns brauchte es am Anfang Schulungen und Motivation. Jetzt macht es dem ganzen Team viel Spaß und der Chef sieht, dass es sich auch wirtschaftlich lohnt, wenn wir die verschiedenen pDL kombinieren, sich daraus Zusatzempfehlungen ergeben und das Vertrauen und die Kundenbindung sich intensivieren – gerade in Zeiten des E-Rezepts.« Zudem würde die Apotheke seitdem mehr Initiativbewerbungen erhalten. »Die jüngeren Kolleginnen und Kollegen wollen genauso arbeiten«, glaubt Renner.
Das konnte DPhG-Präsident Dr. Ulrich Jaehde, Professor für klinische Pharmazie an der Uni Bonn, bestätigen. »Der Nachwuchs ist gut vorbereitet darauf. Sie wollen ihr Wissen einsetzen und auch enger mit den Ärzten zusammenarbeiten.« Bei der Wahl der Praktikumsstelle sei es mittlerweile ein wesentlicher Faktor, ob die Ausbildungsapotheke auch pDL anbietet.
Die Kolleginnen und Kollegen, die der Offizin den Rücken kehrten, würden dies häufig auch tun, eben weil sie das Gefühl hätten, nicht mehr pharmazeutisch tätig zu sein, meinte Nadine Metzger, DPhG-Vizepräsidentin, Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie und angestellte Apothekerin. Es brauche ein Umdenken bei den Inhabern, wenn sie gutes und treues Personal suchen. Das bestätigte Renner, denn sie habe viele motivierte Teilnehmende in den entsprechenden Seminaren, doch die Chefs sehen oftmals keinen Spielraum für die pDL.
Der Betrag, der für die pDL angesetzt sei, reiche zwar nicht als Ersatz für die übliche Arbeit im HV, »aber es reicht, um anzufangen«, erklärte Dr. Thomas Müller-Bohn, Apotheker und Betriebswirt. Vorausgesetzt, man habe aus Personalmangel nicht schon bei den Öffnungszeiten kürzen müssen. Er rät: Nicht mit zu hohen Ansprüchen und mit weniger komplizierten Patientenfällen anfangen sowie auf jeden Fall die Inhalativa-Schulung anbieten. »Sie erklären es dem Patienten doch ohnehin. Das nicht abzurechnen, ist liegen gelassenes Geld.«
Als Teilnehmerin meldete sich unter anderem eine Inhaberin einer Centerapotheke aus dem Münchener Umland zu Wort. Aus ihrer Sicht ist die Medikationsanalyse nicht kostendeckend, aber mache Spaß und sei berufspolitisch wichtig. Es tue ihr in der Seele weh, aufgrund der chronisch knappen Personaldecke mit hoher Kundenfrequenz nicht öfter pDL anbieten zu können.
Impulsgeberin Renner nannte daraufhin weitere Tipps, zum Beispiel die pDL zu bestimmten Zeiten gebündelt anzubieten oder Stunden bei Approbierten aufzustocken, die darin die eigentliche Medikationsanalyse sowie das Verfassen des Ergebnisberichts im Home Office machen könnten. Die richtige Software könne auch an vielen Stellen unterstützen.
Griese-Mammen von der ABDA betonte, der bürokratische Aufwand halte sich in Grenzen. Die Formulare seien mittlerweile optimiert, die Patientendaten könnten mit Stecken der Versichertenkarte aufgenommen und elektronisch abgerechnet werden. Es gebe kaum Patienten, die die Vereinbarung nicht unterschreiben wollten. »Diese Hürde ist nur in unserem Kopf«, betonte die Apothekerin und erinnerte daran, dass die Vereinbarung die Apotheke auch vor Retaxen schütze. Denn der Patient versichert darin, dass er anspruchsberechtigt für die jeweilige pDL ist.
»Wir müssen uns aus unserer Komfortzone bewegen, sonst sind wir bald weg«, meinte eine Teilnehmerin. Sie sei »extrem dankbar«, dass Dienstleistungen wie die Inhalativa-Schulung und erweiterte Medikationsberatung nun honoriert werden. Sie habe im vergangenen Jahr etwa 100 Polymedikations-Beratungen abgerechnet und bestätigte, es sei wie alles in der Apotheke eine Mischkalkulation. Sie riet dazu, klein anzufangen.
Das bestätigten Renner und eine weitere Teilnehmerin. Selbst bei nur fünf Arzneimitteln finde man Dinge, die man optimieren könne und auch die könnten manchmal Leben retten oder Verschreibungskaskaden verhindern. Und auch einfache Dinge wie das Zusammenlegen von Einnahmezeitpunkten und die Steigerung der Adhärenz könnten für den Patienten einen großen Nutzen haben.
DPhG-Präsident Jaehde appellierte, hier unbedingt weiterzumachen und das bereitgestellte Geld für die pDL stärker abzugreifen. Wissenschaftlich sei längst der große Nutzen für den Patienten und damit die Gesellschaft bewiesen.
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